Die
Auferstandenen

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Trackday – Ferrari 156 Chassis 0002

Immer wieder ist die Vorfreude groß, wenn man das Angebot bekommt, einen Rennwagen zu fahren. Sei es, dass es das erste Mal ist, ein Auto einer speziellen Kategorie zu fahren oder weil es eine besondere Geschichte hat oder man einen besonderen Bezug zu einem Auto hat. Seit ein paar Tagen bin ich richtig aufgeregt, denn mich erwartet diesmal wirklich etwas Besonderes. Jason Wright hat mir angeboten, seine zwei «Sharknose» Ferrari 156 auf dem Red Bull Ring zu fahren. Es wird das bislang älteste Formel-1-Modell sein, welches ich zu bewegen habe.

Einsteigen zu einem ganz besonderen Curbs Trackday

Die Zeitreise geht zurück in das Jahr 1961/62. So tief bin ich noch nicht in die Geschichte der Formel 1 eingetaucht. Und wer schon allein den Namen Ferrari hört, wenn er etwas fahren darf, ist sowieso schon elektrisiert. Einer dieser Ferrari «Sharknose» 156 ist Chassis 0002, jenes Auto, beziehungsweise Teile davon, mit denen Olivier Gendebien 1961 beim Großen Preis von Belgien in Spa-Francorchamps ein paar Runden Führungsluft geschnuppert hat. Und das mit dem 65°-V6 Motor, der eigentlich der schwächere der 156er-Ferrari war. Denn das andere Auto hat den stärkeren 120°-V6 Motor. Es handelt sich bei diesem Auto um einen originalgetreuen Nachbau, der etliche Originalteile beinhaltet, wie Motor und Getriebe und vieles mehr. Eigentlich sind «Replicas» ja verpönt, aber hier sind viele Originalteile im Einsatz, die mit größtem Aufwand und Einsatz ergänzt wurden. Die zwei 156 sind weltweit – und vor allem bei Ferrari – anerkannt! Es gab über Jahrzehnte keinen einzigen Ferrari 156.

Cockpit Ferrari 156: Großes Holzlenkrad, kein Gurt!


Der Name Ferrari ist ein Mythos, aber die Geschichte der 156er hat einen besonderen Mythos, ließ doch Enzo Ferrari auf Grund der Erfolglosigkeit Ende 1962 die 156er allesamt damals zerlegen. Man behielt Motor, Getriebe und ein paar andere Teile die jetzt wieder zusammengefügt wurden und ließ den Rest der Autos im Werkshof vergraben und betonierte das Ganze zu… Unvorstellbar aber wahr! Wäre damals Wolfgang Berghe von Trips nicht tödlich verunglückt, hätte der Graf wahrscheinlich den WM-Titel eingefahren, war er doch beim Grand Prix in Monza an seinem Todestag WM-Führender. So siegte in dem Rennen Teamkollege Phil Hill und gewann für Ferrari 1961 auch die Weltmeisterschaft. Also auch ein Erfolg, der den Mythos Ferrari gestärkt hat. Tragödie und Glorie liegen oft nah beieinander.

Marco Werner darf den Ferrari „Sharknose“ bewegen

Sicherheitsgurte Fehlanzeige!
Die zwei Autos sind ganz nah an der Realität. So betreibe ich eigentlich etwas Stilbruch, jetzt mit einem neuen Vollvisierhelm und Overall in dieses Auto von 1961 zu steigen, besitzt es doch nicht `mal einen Gurt. Helme waren auch nicht auf dem jetzigen Stand, und mein Feuerfester Overall müsste eigentlich gegen ein hellblaues, Einlagiges getauscht werden! Im Training genügte damals ja auch ein Poloshirt. Das Einsteigen in dieses Auto der erste Step in der heutigen Zeitreise, da ich mich, ohne die Gurte beiseite fummeln zu müssen, in den Sitz gleiten lassen kann. Da sind die ersten Gedanken: «keine Gurte? Na Prost Mahlzeit», geht es mir durch den Kopf. Fragen, die sich die Fahrer damals nie stellten, da es keine Gurte gab zu jener Zeit! Nach der Lederkappe war es maximal die erste Generation offener Helm, was an Sicherheit da war. Ich umfasse ehrfürchtig das große Holzlenkrad und denke: «wie konntet Ihr damals nur…». Dann heißt es, Motor starten. Meine erwartete Orgelei beim Starten, üblich bei alten Vergaser Motoren, wird von einem, beim gefühlten zweiten Zündfunke laufenden Motor, schnell widerlegt. Auch das Gang einlegen funktioniert ohne Kratzen und das Anfahren geht wie Butter, «Bella Machina», «Lady in Red»! Doch beim Rausfahren aus der Box und dem ersten Beschleunigen, werde ich zunächst etwas enttäuscht, beziehungsweise, ich bin etwas anderes gewohnt. Das Beschleunigen zieht sich sprichwörtlich etwas in die Länge. Trotz der nur 460 Kilogramm Fahrzeuggewicht ist der Motor nicht so drehfreudig von unten heraus und braucht Zeit, um auf Touren zu kommen. Also da könnte mehr gehen, denke ich, obwohl Ferrari gerade mit diesem Motor 1961 der Konkurrenz weit überlegen war, nachdem das Reglement damals von 2,5 Liter auf die 1,5 Liter Motoren umgestellt wurde. Und da hatte Ferrari seinen Vorteil über die damaligen Formel-2-Motoren. Dann das erste Anbremsen an «Turn Zwei» am Red Bull Ring. Jetzt geht die Zeitreise weiter, bin ich doch recht stabile Autos in der Bremsphase gewohnt. Doch hier ist – oder war damals – das Wort Aerodynamik ein nicht vorhandener Begriff. Aerodynamik bestand daraus, möglichst windschnittig zu sein mit wenig Luftwiederstand.

Schmale Erscheinung und unverkennbare Front

Muntere Schlingerpartie
So geht das muntere Schlingern ohne Spurstabilität ab dem Bremspunkt los. Ich muß relativ viel am Lenkrad tun, um das Auto wieder in die Spur zu bringen. Hat Enzo wohl deswegen das springende Pferd als Firmenlogo gewählt, schiesst es mir durch den Kopf? Nein, ich weiß, dass das «Cavallino rampante» eine ganz andere Story hat und dem italienischen Fliegerass Baron Francesco Baracca gewidmet ist. Als ich nach der schlingernden Bremsphase einlenke, haut es mich sprichwörtlich das erste Mal aus dem Sitz! Nun rächt sich, dass ich nicht angegurtet bin, und die übliche Verbundenheit zum Auto nicht da ist. Ist das Lenkrad deswegen so groß, damit ich mich gut daran festhalten kann? Nach dem ich mich sprichwörtlich wieder gefangen habe, freue ich mich auf die nächste Beschleunigungsphase. Auch wenn die etwas zäh ist, die Runden in dem anderen 156er mit dem 120° Motor waren definitiv mit mehr Power verbunden, geht es wieder mit sauberen Schaltvorgängen durch die glänzende Ferrari- Schaltkulisse bis in den fünften Gang und den nächsten Bremspunkt. Auf dem Weg bleibt mir sogar etwas Zeit, die wunderschöne Steiermark-Landschaft, die rechts von mir ist, zu genießen. Die Bergab-Rechts, die ehemalige Bosch-Kurve, nimmt der 156er etwas untersteuernd. Danach wieder den V6-Sound beim Beschleunigen genießen, der Ende 1962 verstummte, als Enzo seine Autos einbetonierte. In der Doppellinks kämpfe ich wieder mit mir und dem Sitz. Soviel Grip ist dann doch mit der schmalen Dunlop Bereifung vorhanden, dass ich mir denke, wo ist das Limit? Fuhr man damals so, dass man noch im Auto blieb oder fand man wirklich das Limit des Autos? Mein Gott, was seid Ihr Helden gewesen damals! Was das Thema fehlende Gurte betrifft, so bleibt der fehlende Halt im Sitz eigentlich das Einzige, die fehlende Sicherheit war irgendwie schnell vergessen oder ausgeblendet. Man entwickelt so ein wenig eine neue Technik und gewöhnt sich auch an den fehlenden Halt im Sitz. Für die zweite Linkskurve lege ich mich erst nach rechts in den Sitz bevor ich einlenke und lasse das Auto reinrutschen, so kann ich mich auf das Lenken konzentrieren und nicht auf das Festhalten. Er geht erst leicht untersteuernd über die Vorderräder, baut dann Grip an der Vorderachse auf, um dann leicht mit dem Heck zu kommen. Irgendwie rutscht man nach kurzer Zeit permanent abwechselnd über alle vier Räder.

So sah ihn 1961 die Konkurrenz. Phil Hill wurde Weltmeister im Ferrari 156

Viel Kurbelei
Das große Lenkrad ist leider noch mit einem sehr großen Lenkeinschlag verbunden. Aber wer möchte jetzt bei so viel Lenkwinkel noch ein kleineres Lenkrad haben…? Also fleißig kurbeln. Nach der Links lässt sich der Ferrari schön umsetzten in die Rechtskurve, und ich beschleunige den Berg hinauf. Jeder hat irgendwann mal das Thema mit der Musik und einem bestimmten Ohrwurm. Unter die Motoren-Musik des V6 mischt sich irgendwie wie Chris Rea`s Musik, die er für seinen Film über Ferrari, Graf Berghe von Trips und den Ferrari Sharknose schrieb. Für den Film «La Passione» ließ er sogar eine Sharknose-Replika bauen und gab damit die Initialzündung für den Bau dieser zwei originalgetreuen 156er, mit denen ich heute meine Zeitreise machen darf. Die durfte ich gleich in beiden der Ferrari 156 machen, die sich im Großen und Ganzen nur durch ihre Motoren unterscheiden. Der damit auch verbundene geänderte Schwerpunkt war für mich ehrlich gesagt nicht so richtig spürbar und führte wohl damals im Jahr 1962 Enzo Ferrari dazu, sich auf unrühmliche Art von den Autos zu verabschieden. So mussten aus den vorhandenen Restteilen aufwändig diese Kulturschätze wieder hergestellt werden, und die Nachwelt kann sich nun an etwas erfreuen, was ansonsten für alle Zeiten verschwunden wäre. So hatte ich das Privileg, neben Chris Rea auch den V6 Sound im Ohr zu haben, der sonst für alle Zeiten verstummt wäre.