Lotus 22 Formel Junior

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Erfolgreichster Rohrrahmen-Lotus: Lotus 22 Formel Junior von 1962

Abgesehen von den Auto Union-Grand Prix-Wagen vor dem Zweiten Weltkrieg brachten in den 50er Jahren vor allem Cooper und Lotus den Mittelmotor im Formelwagen nach vorn – Lotus dabei aber deutlich später als Cooper mit seinen hauptsächlich von 500 ccm großen JAP- und Norton-Motorrad-Motoren angetriebenen Formel-3-Rennwagen bereits zu Beginn der 50er Jahre. Wohl wurde Lotus 1952 einige Jahre später gegründet als Cooper (1946), aber Lotus-Gründer „Mr. Genius“ Colin Chapman war auch längere Zeit nicht vom Mittelmotor überzeugt, nicht einmal dann, als die Formel-2-Mittelmotor-Cooper bereits 1957/58 in dieser Kategorie das Maß der Dinge wurden – und später auch in der Formel 1. Zu dieser Zeit und bis zum Saisonende 1959 liefen die Lotus-Konstruktionen für Formel 2 und Formel 1, die Typen 12 und 16, noch mit Frontmotor.

Mittelmotor-Konzept als eher spontane Idee

Nach dem Umzug seiner Firma von Hornsey nach Cheshunt Mitte 1959 gebar Colin Chapman seine Wende zum Mittelmotor im Formelwagenbau mit der Konstruktion Lotus 18 dann eher als spontane Idee. Das Konzept des Typs 18, das viel weniger komplex als der Frontmotor-Formel 1 Typ 16 ausfiel, war für die Formeln 1, 2 und Junior vorgesehen und kam dann sehr rasch zuerst als Formel Junior heraus, so gerade noch 1959 bei der traditionell am zweiten Weihnachtstag ausgerichteten Rennveranstaltung „Boxing Day Brands Hatch“. Lotus-Werksfahrer Alan Stacey inszenierte hier im Formel Junior-Rennen auf Anhieb ein vielversprechendes Debüt als Viertschnellster des Trainings und Siebter des Rennens.

Mit dem leichten und wendigen Typ 18 war Lotus ab 1960 in allen drei Formeln dann sofort „bei der Musik“, und zwar bis in die Formel 1 hinein. Bereits im Frühjahr 1960 gewann der Schotte Innes Ireland bei der „Glover Trophy“ in Goodwood im April und bei der „BRDC International Trophy“ im Mai mit dem Formel-1-Lotus 18 gleich zwei Nicht-WM-Läufe hintereinander, das waren die ersten Lotus-Formel-1-Siege überhaupt. Von da an war der Mittelmotor in Lotus-Formelrennwagen nicht mehr wegzudenken, und schon in den nächsten Jahren wurden die so konzipierten Lotus unter dem Strich auch noch deutlich erfolgreicher als jene von Cooper.

Für 1961 hatte Colin Chapman – analog zum Lotus 21 in der Formel 1 – für die Formel Junior den Lotus 20 mit deutlich schlankerer, aerodynamisch günstigerer Williams & Pritchard-GFK-Karosserie auch infolge einer spitzer zulaufenden Wagenschnauze, kürzerem Radstand und breiterer Spur im Vergleich zum Lotus 18 eingeführt. Zudem wartete der Wagen mit etwas zurückversetzter Sitzposition auf, der Fahrer lag nun regelrecht im Auto. Im Rohrrahmen-Fahrgestell des Lotus 20 war der Motor nun tieferliegend eingebaut, auch der Schwerpunkt des Wagens lag nun näher der Fahrbahn.

Die Vorderradaufhängung bestand aus zwei ungleich langen, doppelten Querlenkern mit eingefügten Schraubenfeder-Dämpfer-Einheiten, während hinten Aluminium-Achsschenkel, untenliegende umgekehrte Querlenker, doppelte Gegenlenker und Schraubenfeder-Dämpfer-Einheiten zum Einsatz kamen. Zuerst mit Alfin-Trommelbremsen rundum ausgerüstet, erhielt der Lotus 20 bald Girling-Scheibenbremsen vorn und innenliegende Trommelbremsen hinten. Standardmäßig wurde der Lotus 20 mit dem von Cosworth getunten Reihenvierzylinder-Motor auf Basis des Ford Anglia 105 E-Triebwerks ausgeliefert, zu Saisonbeginn 1961 mit der 997 ccm kleinen Variante mit 85 PS, die aber bald schon durch die 1.098 ccm-Version mit 100 (und mehr) PS (109 E) ersetzt wurde. In punkto Kraftübertragung bestand die übliche Ausrüstung aus Getrieben, die entweder auf dem des Renault Dauphine oder einem von Hewland modifizierten VW-Getriebe basierten.

Schon dieser Lotus 20 dominierte 1961 die Formel Junior-Rennen in Europa, die Werksfahrer Trevor Taylor und Peter Arundell teilten sich allein insgesamt 15 Rennsiege, ein sehr erfolgreicher Pilot damit war auch der Schweizer Jo Siffert, der als Privatfahrer sieben Rennsiege nach Hause fuhr.

„Erstaunlich flexibler Motor und phänomenale Kurvengeschwindigkeiten“

Auf der Londoner Motor-Racing-Show 1962, die Lotus da schon traditionell zur Bewerbung neuer Rennwagen-Modelle gegenüber finanzstarken Privatiers nutzte, wurde dann der neueste Lotus 22 Formel Junior vorgestellt. Er war eine Weiterentwicklung des Typ 20 mit vornweg steiferem Rohrrahmen aus dickerem Metall und anderen stabilisierenden Chassis-Elementen. Der Wagen wies nun Girling-Scheibenbremsen rundum und jetzt außenliegend auf. Die Vorderradaufhängung zeigte sich wesentlich unverändert, während die Hinterradaufhängung dem Konzept beim 61er Lotus 21-Formel-1-Rennwagen folgte, so dass beim Lotus 22 nicht mehr die Antriebswellen als obenliegende Punkte der Aufhängung genutzt wurden, sondern stattdessen obenliegende Camber Links ergänzt wurden. Der Wagen stand nun vorn und hinten auf 13 Zoll-Rädern, und die Spur war gegenüber dem Typ 20 noch einmal leicht verbreitert worden. Der 1,1-Liter-Ford Cosworth-Motor jetzt mit Trockensumpfschmierung und zu dieser Zeit bereits garantierten 100 PS warum 30 Grad nach rechts geneigt eingebaut worden, um im Heckbereich die Karosserie noch einmal aerodynamisch günstiger zu gestalten und den Schwerpunkt noch einmal tiefer zu legen. Auch der Typ 22 kam ab Werk mit Vierganggetrieben auf der Basis von Renault- oder VW-Getrieben zur Auslieferung. In einem ersten Track-Test des Lotus 22 seinerzeit lobte das britische „Autosport“-Magazin: „Der Motor ist erstaunlich flexibel, und es sind phänomenal hohe Kurvengeschwindigkeiten möglich.“

Das Auto war bereits in der Saison 1962 überaus erfolgreich, und der Lotus 22 wurde auch der erfolgreichste Rohrrahmen-Lotus überhaupt in der Motorsportgeschichte. Mit 18 Siegen bei 25 Starts gewann Lotus-Werksfahrer Peter Arundell nahezu 75 Prozent aller Rennen, in denen er startete. Herausragend war dabei unter anderem sein Sieg im Formel Junior-Rennen im Rahmenprogramm des Formel-1-Grand Prix von Monaco. Auch diese Leistungen bescherten dem Briten bei Lotus schlussendlich ein Formel-1-Cockpit ab 1964, obwohl Colin Chapman längere Zeit von Peter Arundell trotz dessen großer Erfolge in der Formel Junior über Jahre merkwürdigerweise nie wirklich beeindruckt war. „Colin Chapman“, sagte Peter Arundell dazu einmal, „war in diesen Zeiten nur verliebt in Jim Clark, ich kam weit dahinter.“

Die Erfolgsserie des Typs 22 setzte sich zu Saisonbeginn 1963 fort, bis die Steifigkeitsprobleme des Nachfolgemodells, des ersten Formel Junior-Lotus mit Monocoque, Typ 27, gelöst waren. Ganz gelegentlich kam der Lotus 22 in jenen Jahren mit größeren Motoren bis 1,5 Liter auch bei dem einen oder anderen Formel-1-Rennen zum Einsatz, vorwiegend bei Nicht-WM-Läufen. Insgesamt wurden von dieser Konstruktion 77 Exemplare gebaut und ausgeliefert.

Wette gewonnen und vor Ort gleich das Auto verkauft

Es gab dann noch in der Saison 1962 rund um den Lotus 22 eine Anekdote, die für einigen Wirbel sorgte. Nachdem Lotus-Werksfahrer Alan Rees am Nürburg ring verunfallt war, soll er, während er verarztet worden wäre, gegenüber seinem Mechaniker bemerkt haben, dass ein deutscher Fahrer in einem Lotus 22 ihm so deutlich weggefahren wäre, dass er vermuten würde, in dessen Auto wäre ein größerer Motor eingebaut gewesen, beispielsweise mit 1.450 ccm. Tatsächlich griff der namhafte deutsche Motor-Journalist Richard von Frankenberg das Thema dann auf, aber gleich so, dass er unterstellte, die Werks-Lotus 22 wären ebenfalls mit größeren Motoren als die erlaubten 1.100 ccm auch andernorts an den Start gegangen. Er wettete mit Colin Chapman um tausend Pfund, dass Peter Arundell seine Rennzeit in Monza mit einem legalen Motor nicht würde wiederholen können. Man einigte sich, dass Arundell in Monza noch einmal 30 Runden am Stück fahren sollte, anschließend würde der Motor überprüft. Colin Chapman schlug in die Wette ein.

An einem frühen Dezembermorgen drehte Arundell mit dem Werks-Lotus 22 trotz Eises in den „Lesmo-Kurven“ in Monza noch einmal 30 Runden und verfehlte dabei seine Rennzeit aus dem vorhergehenden Rennen nur um eine Sekunde. Anschließend wurde der Motor ausgelitert – 1.092,34 ccm, völlig legal! Richard von Frankenberg entschuldigte sich in aller Form bei Colin Chapman und bezahlte seine Wettschulden.

Und Colin Chapman hatte dann noch das besondere Vergnügen, dass er den Wagen unmittelbar danach an einen Italiener verkaufen konnte…

Peter Arundellgewann mit dem Lotus 22 1962 nahezu 75 Prozent der Rennen, in denen er startete

Technische Daten Lotus 22 Formel Junior, Konstruktion 1961/62

Motor
– Motor: Ford Cosworth Mk IV-Reihenvierzylinder
– Hubraum: 1.098 ccm
– Ventile pro Zylinder: 2
– Gemischaufbereitung: zwei Weber DC OE 40-2-Vergaser
– Leistung: 74 kW/100 PS

Kraftübertragung
– Zunächst Vierganggetriebe auf Basis
– Renault Dauphine oder Hewland auf Basis
– Volkswagen

Fahrwerk
– Radaufhängung vorn: ungleich lange, doppelte QUerlenker, Schraubenfeder-Dämüfer-Einheiten
– Radaufhängung hinten: untenliegende umgekehrte Querlenker, doppelte Gegenlenker, Camber Links, Schraubenfeder-Dämpfer-Einheiten
– Lenkung: Zahnstangenlenkung
– Rad-Dimsensionen vorn/hinten: 13 Zoll
– Bremsen: Girling-Scheibenbremsen rundum, außenliegend

– Leergewicht: ca. 420 kg