Dallaras heißes Eisen

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Cars – Dallara SP1 Judd V10 – Chassis 01

Anfang der 2000er Jahre betrat Chrysler die LMP1 Bühne und beauftragte das Team Oreca mit Dallara-Chassis auszurücken, nachdem es keine weitere Evo Stufe der Chrysler Viper in der GT-Klasse geben sollte, die Oreca werksseitig eingesetzt hatte. Insgesamt drei Autos orderte Oreca bei Dallara für die 24 Stunden von Le Mans 2001 und stattete das Dallara-Chassis mit einem 6-Liter-V8-Motor der Chrysler Tochter Mopar aus. Der Dallara SP1 des Oreca-Teams, mit dem Fredy Lienhard 2002 die 24 Stunden von Daytona mit seinen Partnern Mauro Baldi, Max Papis und Didier Theys gewinnen konnte, war in Le Mans glücklos unterwegs. Ausfall wegen Brandschadens hieß es damals für Ara/Amorim/Kondou. Als Chrysler sich zurück zog, wurde das Oreca-Auto verkauft und mit einem Judd-V10-Motor ausgestattet, der aus seinen knapp 4 Liter Hubraum etwa 600 PS erzeugte und unter dem Team Doran Racing in den USA für Furore sorgte. Der V10-Motor von Tuner John Judd mit der Bezeichnung GV4 entstand ursprünglich für die Formel 1! Für Yamaha entwickelte John Judd jahrelang Yamaha V10- Motoren und belieferte die Kunden Arrows, Benetton und Tyrrell. Aus diesem Motor entstand die Langstrecken-taugliche GV4-Version mit vier Litern Hubraum.

Die Technik
Chassis Spezialist Gian Paolo Dallara, der unter anderem auch das Chassis für den Audi LMP1 R8 baute, stellte eine solide Kunden-freundliche Version auf die Räder. Das Auto mit Kohlefaser-Monocoque wurde vom holländischen Konstrukteur Wiet Huidekoper konstruiert, der unter anderem den Euro-Brun Formel 1 konstruierte und maßgeblich am Porsche 911 GT1- Le Mans-Erfolg verantwortlich war, ehe er 2001 zu Dallara wechselte. Die Vorder- und Hinterachse bestand aus doppelten Dreieckslenkern, die über Push-Rod-Systeme die Kraft an die auf Chassis (vorn) und Getriebe (Hinterachse) liegenden Dämpfer weiterleitete. Der über 330 Km/h schnelle Dallara wurde von Carbon-Bremsscheiben der Firma Brembo gebremst, die an der Vorderachse einen Durchmesser von 380 mm und 355 mm hinten aufwiesen, selbstverständlich innenbelüftet waren und über sechs Kolbenbremszangen betätigt wurden. Das Gewicht des Dallara betrug Reglements-bedingt 920 Kg. Die Tankkapazität betrug 90 Liter. Das 6-Gang-X-Trac-Getriebe sorgte sowohl beim Mopar angetriebenen «Chrysler» wie später beim Dallara-Judd für den richtigen Antrieb, war allerdings noch sequentiell geschaltet, während Konkurrent Audi den R8 ab dem Jahr 2000 zum Beispiel per Lenkradwippe betätigte. Aerodynamisch war der Dallara auf hohen Niveau. Ein weit rausragender „Splitter“ sorgte in Verbindung mit den „Louvern“ auf den Radhäusern für gute „Down Force“ an der Front. Die Vorderen Radhäuser sind von oben gesehen tropfenförmig gestaltet, um die Luft zwischen Chassis und Seitenkästen, die die Kühler aufnehmen, abzuleiten. Am Heck ist die Karosse tief um Motor und Getriebe gezogen,um eine gute Luftführung zum Heckteil und dem Heckflügel zu gewährleisten. Insgesamt erinnert die Technik unter dem Karosseriekleid sehr stark an die Formel-Technik der 2000er-Jahre. Technik auf dem damals modernsten Stand!

Der Werdegang
Das Chassis 01 des Dallara SP1 wurde als Wagen der Chrysler-Werkseinsätze mit dem Team Oreca in Le Mans und der „European Le Mans Serie“ eingesetzt. Leider beendete der SP1 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in 2001 nicht. Vom Team Oreca fand der Dallara SP1 seinen Weg zu Fredy Lienhard, der den Dallara in den USA von Doran Racing einsetzen liess. Der erste Start mit dem auf einen Judd-Motor umgebauten Dallara, war Ende 2001 beim 3-Stunden- Rennen in Daytona, jedoch fiel der Dallara mit Getriebe-Problemen aus. Seine Konkurrenzfähigkeit zeigte der Dallara aber mit der zweitschnellsten Rennrunde bereits auf. Für 2002 stellte Fredy Lienhard einen professionellen USA-Einsatz auf die Beine und holte sich mit Ex-Formel-1-Fahrer Mauro Baldi, Sportwagen Spezialist Didier Theys und US- ChampCar-Star Max Papis erstklassische Verstärkung für das 24-Stunden-Rennen in Daytona 2002. Dass man in Daytona nicht nur so mitrollen wollte, zeigte nicht nur die Top- Fahrerbesetzung sondern auch das Ergebnis der Daytona Vortests Anfangs Januar. Der „Lista Doran Dallara Judd“ war Schnellster! Didier Theys stellte den Lista-Dallara dann auch auf die Pole-Position für das 24-Stunden-Rennen und man gewann das 24-Stunden-Rennen mit sechs Runden Vorsprung. Chassis 01 hatte eine tolle Erfolgsstory in den USA, in dem man die ersten drei Rennen der «Grand Am Road Racing Championchip» gewinnen konnte. Nach den 24 Stunden von Daytona gewann der Dallara Judd SP1 01 noch das «Nextel-250-Meilen-Rennen» auf dem Homestead-Miami-Speedway mit Mauro Baldi und Didier Theys und das «Grand Am 400» auf dem California Speedway mit Fredy Alexander Lienhard jr. und Didier Theys. Beim «200-Meilen-Rennen» in Phoenix belegte die Paarung den zweiten Platz. Ausfälle verzeichnete man bei den 12 Stunden von Sebring und beim Rennen in Sears Point.

Familienangelegenheit: Chassis 05
Das «Lista Doran Racing Team» hatte in der ersten Jahreshälfte ein weiteres Chassis (05), welches als Ersatz diente. In der zweiten Saisonhälfte 2002 wurde das Auto mit der Chassis-Nummer 05 bei einigen Rennen eingesetzt. Dieses Auto bekam von Judd einen 5-Liter-Versuchsmotor spendiert. Ein besonders schöner Sieg kam beim 6-Stunden-Rennen im kanadischen Mont Treblant mit Chassis 05 zustande. Der Dallara mit der Besetzung Didier Theys und Vater und Sohn Lienhard stand auf der Pole Position und gewann das 6-Stunden-Rennen souverän. Ein schöner Erfolg für die Vater- und Sohn-Kombination. Didier Theys wurde 2002 übrigens mit dem Dallara «Grand-Am-Champion»! Chassis 05 ist derzeit in den Händen der Familie dAnsembourg und wird bei historischen Rennveranstaltungen erfolgreich eingesetzt. So belegte Antoine dAnsembourg 2022 in Spa bei der „Masters Endurance Legends“-Serie mit dem Dallara den dritten Platz hinter seinem Vater Christophe dAnsembourg auf einem Aston Martin Lola-Aston Martin DBR1. Der Daytona-Siegerwagen, Chassis 01, ist in den Händen von Fredy Lienhard und kann in Romanshorn im „autobau“-Museum bestaunt werden, es sei denn Fredy Lienhard lässt den Dallaramal wieder dahin bringen, wofür er gebaut wurde: auf die Rennstrecke, wie für unseren Trackday in Grobnik/Rijeka. Dort gab es im November 2022 ein schönes Revival. Fredy Lienhard feierte mit Team-Kollege und vor allem Freund Didier Theys, den Daytona-Sieg, so wie den Titelgewinn 2002, der nun 20 Jahre zurück lag, und lies auf der Strecke mit dem Lista Doran-Dallara-Judd wieder alte Erinnerungen aufleben. Schöner kann man so einen Sieg nebst Jubiläum nicht begehen.