Der Jaguar D-Type war das dominierende Auto in Le Mans Mitte der 50er Jahre. Seine Aerodynamik wurde wegweisend. Insbesondere die Versionen mit der bei hohen Geschwindigkeiten stabilisierenden Heckflosse wirkten wie Jagdflugzeuge auf der Straße. Auch seine damals konkurrenzlose Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h oder mehr auf der sechs Kilometer langen Hunaudières-Geraden in Le Mans begünstigte die Erfolgsserie dort wie auch die Siege auf anderen Tempostrecken wie beispielsweise Reims oder Silverstone.
Die Absage von Jaguar-Firmenchef William Lyons an ein weiteres Werksengagement im Motorsport Ende 1953 nach auch zwei Le Mans-Gesamtsiegen mit dem Rennsportwagen C-Type – „Wir bauen und verkaufen normale Automobile – keine Rennwagen“ – hielt nicht lange vor. Er ließ sich zwar viel Zeit, stimmte dann aber doch dem Bau eines neuen Rennsportwagens für Le Mans 1954 zu. Dieser sollte allerdings mit dem C-Type kaum noch etwas gemeinsam haben. Bestand dessen Chassis noch aus einem Rohrrahmen, wurde der Nachfolger D-Type in selbsttragender Monocoque-Bauweise mit kastenförmigen, vernieteten Aluminiumprofilen präsentiert. Er war 300 Millimeter kürzer als der C-Type, der Rad-stand maß 166 Millimeter weniger. Die Karosserie war unter Leitung Malcom Sayers mittels Tests von 1:10-Modellen im Winkanal entworfen worden, William Lyons lobte das Endergebnis. Das von einer Kunststoffscheibe bis in die Seiten hinein eingerahmte Cockpit fiel etwas komfortabler aus als beim C-Type.
Vorderradaufhängung, Lenkung und wesentlich auch die Hinterradaufhängung entsprachen dem Straßen-Sportwagen XK 140 des Hauses. Auch der D-Type wurde rundum über servounterstützte Scheibenbremsen mit je drei Bremszylindern verzögert, der Durchmesser der verchromten Stahl-Bremsscheiben betrug 324 Millimeter. Besondere Beachtung erfuhr ihre ausreichende Belüftung, da der D-Type nicht auf Speichenrädern rollte, sondern auf mit Löchern versehenen, leichteren und weniger empfindlichen Alufelgen. Der wesentlich mit dem XK-140-Triebwerk identische Motor verfügte über Trockensumpfschmierung, was seine Bauhöhe verringerte, statt bauchiger Ölwanne kam eine flachere zum Zuge. Die Zylinderköpfe entsprachen denen des C-Type, man hatte ihnen allerdings größere Einlässe spendiert und gleichzeitig die Ventilzeiten noch stärker überlappen lassen. Mit drei Weber-Doppelvergasern und einer Verdichtung von 9:1 leistete der D-Type-Motor 245 PS bei 5.750/min., 25 PS mehr als das C-Type-Aggregat. Neu waren auch ein von Jaguar selbst entwickeltes, in allen vier Gängen synchronisiertes Getriebe und eine hydraulisch betätigte Kupplung – in diesem Bereich hatte der C-Type häufiger Probleme aufgeworfen.
1954, erster Doppelsieg für den Jaguar D-Type
Beim Jaguar-Team für Le Mans 1954 griffen bewährte Fahrer in die Lenkräder der drei D-Types, Duncan Hamilton/“Tony“ Rolt, Stirling Moss/Peter Walker sowie Peter Whitehead/Ken Wharton hießen die Teams, darunter die Le Mans-Sieger im C-Type 1951 und 1953, Whitehead, Walker, Hamilton und Rolt. Die 24h Le Mans 1954 waren dann über weite Strecken ein Regenrennen. Kurz nach dem ersten Tankstopp mussten die D-Type-Teams wieder in die Boxen wegen Verstopfung der besonders feinporigen Kraftstofffilter. In der Folge war Stirling Moss am Ende der rund sechs Kilometer langen Hunaudières-Geraden, auf der er mit dem D-Type bereits eine Höchstgeschwindigkeit von stolzen 278 km/h erreichte, wegen eines Defekts an einer Bremsleitung gezwungen abrupt herunterzuschalten, um nicht von der Strecke zu fl iegen. Dabei über-drehte er zwangsläufig den Motor. Letztlich blieb nur der Hamilton/Rolt-Wagen übrig, der hinter dem Gonzáles/Trintignant-Ferrari 375 Plus in derselben Runde liegend Zweiter wurde.
William Lyons‘ Skepsis gegenüber dem Motorsport wuchs wieder, dennoch schickte er noch drei Werkswagen zu den 12h Reims, das Ergebnis in Le Mans allein wollte auch er nicht so stehen lassen. Stirling Moss führte in Reims bis zur Aufgabe wegen Kardanwellenschadens, aber die anderen bei-den Werksteams von Whitehead/Wharton und Rolt/Hamilton feierten einen triumphalen Doppelsieg. Beim letzten Werkseinsatz 1954, der Tourist Trophy in Dundrod/Nordir-land, wurden alle D-Type-Teams von Pannen beziehungsweise Defekten heimgesucht, Whitehead/Wharton fuhren das bestplatzierte Auto noch auf den sechsten Rang.
1955 gab es umfangreiche Überarbeitungfür den Jagar D-Type
Die drei 54er Werkswagen mit den Kennzeichen „OKV 1“, „OKV 2“ und „OKV 3“ wurden an Privatfahrer verkauft, darüber hinaus erhielt die schottische Renngemeinschaft Ecurie Ecosse im Mai 1955 auch zwei der bereits neuen, überarbeiteten D-Type. Der Nordire Desmond Titterington gewann damit die Ulster Trophy. Die 55er Version präsentierte sich schlanker und im Frontbereich um 190 Millimeter verlängert. Die Vorderradbremsen wurden über zusätzliche Lufteinlässe gekühlt. Die Heckflosse hinter der Kopfstütze bis zum äußersten Ende der Karosserie war etwas anders geformt als im Vorjahr.
Auch hielt man es bei Jaguar mit Blick auf die Konkurrenz vor allem seitens Ferrari und Mercedes für notwendig die Motorleistung des D-Type deutlicher anzuheben, die Leisungsangaben für den Ferrari 121 LM und den Mercedes 300 SLR lagen bereits jenseits von 300 PS. Die Ingenieure unter Leitung von William Heynes entwickelten einen völig neuen Zylinderkopf mit größtmöglichen Ventiltellerquerschnitten für einen weiteren Ventilwinkel. Darüber hinaus wurde die Nockenform für längere Öffnungszeiten geändert. Mit den bereits in der 54er Version verwendeten Weber-Doppelvergasern leistete der Motor jetzt 270 PS. Am Fahrwerk war im Vergleich zur 54er Version der vordere Fahrwerksschemel nicht mehr fester Monocoque-Bestandteil, sondern angeschraubter, separater Rahmen aus Nickelstahlrohren, erweitert um einen Hilfsrahmen für die Aufnahme von Wasser- und Ölkühler. Dank dünnerer Tragrohre aus aber besserem Material konnten 25 Kilogramm Gewicht ein-gespart werden.
Von den acht zunächst hergestellten 55er Versionen hatte die Ecurie Ecosse ja zwei erhalten, eine weitere wurde an die Ecurie National Belge ausgeliefert, fünf behielt das Werk für den Le Mans-Einsatz, drei für das Rennen, zwei für Test- und Versuchszwecke. Für Letzteres und Prüfstandläufe war diesmal etwas mehr Zeit als im Vorjahr vorhanden. Später wurde auch eine Serienfertigung des D-Type für Privakunden über mehrere Dutzend Stück aufgelegt, davon erschienen dann später 16 als Straßensport-wagen XKSS. Jaguar baute und verkaufte nun also doch auch noch Rennwagen.
Im März 1955 hatten der englische Formel-1-Pilot Mike Hawthorn und der US-Amerikaner Phil Walters in einem 54er Jaguar D-Type des amerikanischen Cunningham-Rennstalls den zweiten Lauf zur Sport-wagen-Weltmeisterschaft, die 12h Sebring, gewonnen nach hartem Duell mit dem Ferrari 750 Monza von Phil Hill/Carroll Shelby, letztlich Zweiter, über die gesamte Renndistanz. Der D-Type führte nur vier Runden lang nicht. Nach einem Ferrari-Sieg beim WM-Auftakt, den 1000 km Buenos Aires, einem Mercedes-Sieg beim dritten Lauf, der Mille Miglia, war das Championat zwischen den Marken Ferrari, Jaguar und Mercedes nun hart umkämpft. Dann standen die 24h Le Mans als vierter WM-Lauf an.
Katastrophe in Le Mans 1955
Die Geschichte des Jaguar D-Type ist auch verknüpft mit der größten Katastrophe in der Motorsportgeschichte bei diesen 24h Le Mans 1955, wiewohl sie nicht dieser Konstruktion anzulasten ist. Das Jaguar-Werk hatte drei D-Types mit Mike Hawthorn/Ivor Bueb, Duncan Hamilton/“Tony“ Rolt sowie Norman Dewis/Donald Beauman entsandt, fl ankiert durch die D-Types der Ecurie Natio-nal Belge mit Johnny Claes/Jacques Swaters hinter dem Lenkrad und seitens Cunnigham mit Phil Walters/Bill Spear im Cockpit. Von Rennbeginn an schlugen die Ferrari-, Jaguar- und Mercedes-Teams ein hohes Tempo an, Mike Hawthorn im Jaguar D-Type dreh-te eine Rekordrunde mit dem Schnitt von 197 km/h. Zunächst führte der Ferrari 121 LM von Eugenio Castellotti/Paolo Marzotto. Nach seinem Ausfall rangen die Mercedes 300 SLR-Fahrer, der argentinische zweifache Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio und der Franzose Pierre Levegh, mit Jaguar-Pilot Mike Hawthorn um die Spitze.
Gegen 18.30 Uhr am Abend des 11. Juni kam es auf der Start-und-Ziel-Geraden zu einer verhängnisvollen Kollision, als der gerade vor Levegh und Fangio führende Mike Hawthorn nach Überholen des überrundeten Austin-Healey 100 von Lance Macklin aus nie ganz geklärtem Grund plötzlich abrupt abbremste und extrem spät in die Bo-xen abbog, die seinerzeit nur durch einen weißen Strich vom Rest der Strecke getrennt waren. Macklin war gezwungen schnell auszuweichen, zog nach links, wodurch Levegh im Mercedes mit hohem Geschwindigkeitsüberschuss auf das Heck des Austin-Healey auffuhr, der Mercedes stieg auf, prallte auf einen Erdwall vor der Haupttribüne, brach in Teile, Motorhaube und Frontachse flogen in die Zuschauer. Beim auf dem Wall rutschenden Wagen riss der Benzintank auf, der Motorblock löste sich, brennende Teile, der Motorblock und die weggebrochene Luft-bremse fielen in die Zuschauer. Pierre Levegh und letztlich 81 Zuschauer verstarben. Als ihm wohl bewusst war, was er ausgelöst hatte, brach Mike Hawthorn nach einer wei-teren Runde in den Boxen zusammen, Ivor Bueb übernahm den D-Type, der das nicht unterbrochene Rennen, aus dem dann Mer-cedes in der Nacht die verbliebenen Autos zurückzog, gewann.
Für Jaguar-Chef William Lyons bot die-ses Le Mans-Wochenende noch einen ganz persönlichen, schweren Schock: Auf der Anfahrt zum Rennen verunglückte sein einziger Sohn Michael John bei einem Autounfall tödlich. Während ein weiterer Werkseinsatz bei der Tourist Trophy in Dundrod erfolglos blieb, waren es Duncan Hamilton im privaten D-Type sowie Sherwood Johnston im Cunningham-Auto, die zum Jahresende hin in Silverstone und Watkins Glen noch zwei Siege einfuhren.
Letzte Werksauftritte des Jarguar D-Type
Was kaum einer noch für möglich hielt – aber William Lyons stimmte noch einmal einer Le Mans-Beteiligung des Jaguar-Werks für 1956 zu. Äußerlich unterschied sich die 56er Variante des Jaguar D-Type durch eine nun reglementbedingte höhere Windschutzscheibe, breitere Sitze und eine Tür an der linken Seite, Letzteres ebenfalls reglementbedingt. Dank Verwendung noch leichterer Bauteile und eines kleineren Tanks konnte das Wagengewicht um weitere 25 Kilogramm abgespeckt werden. Unter der Karosse war die de-Dion-Hinterachse neu, die vor Saisonbeginn umfangreichen Tests unterzogen wurde. Im einen oder anderen Wagen verfügte der 3,4-Liter-dohc-Motor versuchsweise wiederholt jetzt auch über Benzineinspritzung. Bei den 12h Reims, die 1956 im Kalender vor Le Mans lagen, feierte Jaguar einen vierfachen Triumph, Duncan Hamilton/Ivor Bueb siegten vor Mike Hawthorn/Paul Frère in „Injection“-Versionen, Desmond Titterington/Jack Fairman in einem weiteren Werkswagen und dem Ecurie Ecosse-D-Type von Ninian Sanderson/Ron Flockhart.
Fünf Jaguar D-Types waren dann für die 24h Le Mans 1956 gemeldet, drei Werkswagen in den Händen der Vorjahressieger Mike Hawthorn/Ivor Bueb sowie Paul Frère/Desmond Titterington und Jack Fairman/Ken Wharton, darüber hinaus Ron Flockhart/Ninian Sanderson für die Ecurie Ecosse und Jacques Swaters/Freddy Rousselle für die Equipe National Belge. Für das Werk verlief der Einsatz nahezu desaströs, auf regennasser Fahrbahn drehten sich Paul Frère und Jack Fairman schon in der zweiten Runde, der eine krachte in eine Einzäunung, der andere in den Ferrari von Alfonso de Portago. Beim verbleibenden Werkswagen von Hawthorn/Bueb stotterte später der Motor, eine Reparatur an einer Kraftstoffleitung warf das Auto weiter zurück, Hawthorn/Bueb wurden schließlich noch Sechste im Gesamtklassement. Die beiden privat gemeldeten D-Types indessen liefen ein-wandfrei, Flockhart/Sanderson fuhren gar den Gesamtsieg heraus, Swaters/Rousselle wurden Vierte.
Das dominierende Auto in Le Mans
Diese letzten D-Type-Werkswagen übernahm später auch die schottische Renngemeinschaft Ecurie Ecosse, und ihr gelang 1957 mit den Teams Flockhart/Bueb und Sanderson/Lawrence bei den 24h Le Mans ein Doppelsieg, der dritte D-Type-Sieg hier hintereinander, und mehr noch als das triumphierte die Konstruktion gleich auf den ersten vier Plätzen im Gesamtklassement, die Franzosen Jean Lucas/Jean-Marie Brussin auf Rang drei und der Ecurie National Belge-Wagen mit Paul Frè-re/Freddy Rousselle noch einmal auf Rang vier.
Der Jaguar D-Type kam in der Folge bis in die erste Hälfte der 60er Jahre hinein in Privatfahrer-Händen nahezu rund um den Globus zu weiteren Erfolgen und war dann schon seit den 70er Jahren immer wieder auch Gesamtsieger-Fahrzeug im Histori-schen Motorsport, im Grunde bis in die Gegenwart hinein.
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