Juan Manuel Fangio – „Der Maßstab seiner Zeit!“

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Vor 25 Jahren, am 17. Juli 1995, verstarb Juan Manuel Fangio im Alter von 84 Jahren. Fangio ist nach wie vor der Größte für CURBS-Autor Jochen von Osterroth, denn in nur 51 Formel-1-Grands Prix 24 Siege und fünf Weltmeistertitel auf vier verschiedenen Fabrikaten einzufahren, ist unerreicht. Seine Begegnung mit Fangio und Moss garniert  er mit seinen Zeichnungen aller Renn-Fahrzeuge, die der Argentinier insgesamt bewegt hat – vom Ford-A-Modell über diverse Chevrolet, Alfa Romeo, BRM, Maserati und Ferrari bis hin zu den „Silberpfeilen“.

„Nächstes Jahr feiere ich das 20-jährige Jubiläum meines größten Titelkampfes“, so Juan Manuel Fangio, als ich mich mit ihm in Long Beach am Rande des GP USA West 1976 unterhielt – neben ihm sein größter Gegner, der unvergessene Stirling Moss: „Juan ich weiß schon, dass Du auf den deutschen Grand Prix auf dem Nürburgring 1957 anspielst, doch da konnte ich ja Dir mit meinem Vanwall nicht gefährlich werden.“ Fangio lächelte verständnisvoll. Als er und Moss noch zusammen für Mercedes an den Start gingen, war eine derartige Unterhaltung nicht möglich. Moss: „Juan sprach kein Englisch, und ich konnte kein Spanisch.“ Aber in punkto holde Weiblichkeit lagen die Herren auf einem Nenner. Dass Moss kein Kostverächter war, durfte ich selbst miterleben und von Frauenschwarm Fangio ganz zu schweigen. Moss: „Es ist schon vorgekommen, dass wir uns an einem Wochenende die Gunst der gleichen Lady gegönnt haben.“ Bekannt ist auch die Anekdote von Fangios Landsmann und Konkurrenten José Froilán González, genannt der „Stier der Pampa“: „Als ich Juan nach dessen Monza-Unfall 1952 im Hospital besuchte, lag der mit einer Nonne im Bett. Doch dann stellte es sich heraus, dass es eine verkleidete Freundin war, von der seine ständige Begleiterin nichts wissen durfte“.

Soviel zu den netten Begleiterscheinungen, doch nun zurück zum Nürburgring, auf dem Fangio 1956 mit einem Lancia-Ferrari D50 vor Moss auf Maserati gewonnen hatte, trotz eines Maserati-Protestes, man habe ihn nach einem Dreher angeschoben. 1957, selbst mit einem Maserati 250F auf dem Weg zum fünften Weltmeistertitel, hatte er ein Problem mit Ferrari – genauer gesagt mit dem Typ 801, gut 15 PS stärker als der Maserati. Doch bereits im Training bewies Fangio seine Extra-Klasse. Er pulverisierte seinen Rundenrekord von 1956 um 16 Sekunden auf 9.25,6. Für die Distanz von 22 Runden, also 501,82 Kilometer, reichte der 258-Liter-Tank des Maserati nicht, während die Ferrari  von Mike Hawthorn und Peter Collins ohne Boxenstopp durchkommen konnten. In der dritten Runde hatte Fangio den wesentlich jüngeren Engländern den Auspuff gezeigt, um genügend Vorsprung zur Egalisierung des unvermeidlichen Boxenstopps herauszufahren. In der 12. Runde – mit 28 Sekunden Vorsprung auf die mit sich selbst beschäftigten Engländer – kam der Argentinier an seine Box. In einem Opernreifen Boxendrama in drei Akten (Wechsel der Hinterräder, Kanister-Betankung, Bremsen-Check) verlor die Maserati-Truppe mehr als eine halbe Minute. Knapp 30 Sekunden waren geplant, mehr als 56 wurden es. Anschließend legte der 46-Jährige eine Aufholjagd hin, von der er später sagte, er sei noch nie in seinem Leben derart am Limit gefahren. „Normalerweise fährt Fangio nie schneller als er muss, aber immer schnell genug, um seine Gegner kontrollieren zu können. Ich kann`s wirklich beurteilen.“ So Moss, der dreimal hintereinander hinter Fangio Vize war und den vierten Vize-Titel 1958 hinter Mike Hawthorn errang. 9.17,4 in der 20. Runde, das Ring-Publikum tobte, als der als der Streckensprecher diese neue Fan- gio-Rekordrunde ausposaunte. Fangio lag nur noch zwei Sekunden hinter den Her- ren, deren addiertes Alter 54 Lenze zählte, und feierte dann eine Triumphfahrt zum Sieg und fünften Titel.

Wer ist dieser Juan Manuel Fangio, geboren am so genannten San-Juans-Tag, dem 24. Juni 1911, in der Nähe von Balcarce? Herminia und Loreto Fangio hatten ihr viertes von sechs Kindern nach Johannes dem Täufer Juan genannt, und Manuel war eine Reminiszenz an den König ihrer italienischen Heimat Vittorio Emanuele. Der relativ zarte Jüngling, in seinem Fuß- ballverein wegen seiner leichten O-Beine „Chueco“ genannt, werkelte in einer Au- tomobilwerkstatt derart geschickt, dass ihm der Chef einige Ausflüge ins Umfeld erlaubte und gleichzeitig einiges bei- brachte. Nach erfolgtem Wehrdienst im 6. Kavallerie-Regiment sattelte er auf mehr PS um und bestritt am 26. Oktober 1936 unter dem Pseudonym „Rivadavia“ auf einem blauen Ford-A-Modell, Baujahr 1929, sein ers- tes Rennen. Eigentlich diente dieser Ford als Taxi, wurde dann aber zu Rennzwecken um- und – auf Bedarf – wieder zurückgebaut. Mit Hilfe von Freun- den entstand dann ein reines Rennfahrzeug, ein roter Ford V8. Mit einem Chevrolet Coupé bestritt er 1940 den „Gran Premio In- ternacional del Norte“, ein 10.000-Kilometer-Rennen durch Südamerika, gewann und erhielt ein sattes Preisgeld von 45.000 Pesos. Mit einem gestrippten Ford Tudor Sedan Coupé sowie roten und grünen Chevy Coupés bestritt Fangio diverse Veranstaltungen und gewann die meisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gipfelten diese erneut im Gran Premio – doch jetzt über 15.000 Kilometer von Buenos Aires über Caracas und Lima zurück in die argentinische Metropole. In Chile verfehlte das Chevy Coupé eine scharfe Linkskurve, verunfallte derart stark, dass sein Beifahrer Daniel Urrutia starb. Da half auch der Überrollbügel nicht mehr. Zur Temporada 1947 trat Fangio – teilweise gegen europäische Konkurrenz – mit einem Eigenbau-Monoposto an, Farbe: schwarz mit rotem Fahrgestell. Dieses stammte ursprünglich von einem Ford-T-Modell. Unter der Haube blubberte ein 3,9-Liter-Lkw-Motor von Chevrolet, Kraft genug, um mit seiner „Negrita“ auf dem Retiro-Kurs von Buenos Aires Dritter zu werden. Der Nachfolger, ein roter Volpi-Chevrolet, genannt „La Petiza“, fühlte sich schon eher wie ein richtiger Rennwagen an. Und so bewegte ihn Fangio auch. Der Chef des argentinischen Motorsport- Komitees, Francisco Borgonovo, drückte diesem vielversprechenden Fangio seinen Maserati 4CL 1500 in die Hand, damit er Erfahrungen gegen die damaligen Stars der Szene sammeln konnte. Gegen die damaligen Großen der Branche wie Dr. Farina, Varzi, Villoresi und Wimille trat Fangio auf dem Circuito de Palermo an – aus der ersten Startreihe. Mit einem Maserati 4CLT/48, der dann blau-gelb lackiert wurde, fuhr Fangio schon in Mar del Plata Anfang 1949 die europäische Konkurrenz in Grund und Boden. Im Laufe dieses Jahres feierte der Argentinier dann in Europa unter anderem Siege in San Remo, Pau, Perpignan und Albi. So war er fünfmal auf Maserati erfolgreich und gewann einmal 1949 auf einem Formel-2-Ferrari 166 SC in Monza. Zudem war er im Mai 1949 auf einem Simca-Gordini T 15 des Werksteams von Amédée Gordini Sieger im Grand Prix Marseille geworden, nahm auch Dekaden später gern eine Einladung zum Gordini-Jubiläum an. Genug Reputation, um einen Platz im Alfa-Romeo-Werksteam für die erste Formel-1-Welt- meisterschafts-Saison 1950 zu erhalten. Und dieses Werksteam stand auch gleich beim ersten Einsatz, dem GP von Großbritannien 1950 in Silverstone, mit Dr. Emilio Guiseppe „Nino“ Farina, Luigi Fagioli und Juan Manuel Fangio in der ersten Startreihe. Die überarbeitete „Alfetta“ Tipo 158 brachte 350 PS auf die Räder und galt als unschlagbar. Dieser Wagen gewann alle elf Einsätze jener Saison, darunter natürlich die sechs Grands Prix. Je drei davon gingen an „Nino“ und Juan Manuel. Ein zusätzlicher dritter Platz des Italieners beim GP von Belgien in Spa-Francorchamps bescherte ihm den Weltmeister-Titel vor Fangio. Mit dem 4,4-Liter-Ferrari, dessen Leistung Alfa Romeo um fast 30 PS übertraf, bekam Fangio in der „Alfetta“ 159 Konkurenz während der Saison 1951. Beim Auftakt in Bremgarten dominierte Fangio den Großen Preis der Schweiz und ließ Piero Taruffi im Ferrari keine Chance. Pole Position und schnellste Runde für Fangio auch in Spa-Francorchamps, doch ein technischer Defekt eliminierte den Argentinier, der niemals durch eigenes Verschulden ausschied. So ging der Sieg in Belgien an Weltmeister Dr. Farina vor den Ferrari-Piloten Alberto Ascari und Luigi „Gigi“ Viloresi. Mit Fahrerwechsel gewann das Alfa-Gespann Fangio/Fagioli vor dem Ferrari-Duo Ascari/González den 602,140 Kilometer-GP von Frankreich in Reims. Juan Manuels Landsmann José Froilán González, der das Ferrari-Cockpit im wahrsten Sinne des Wortes ausfüllte, schnappte Fangio in Silverstone nicht nur die Pole-Position weg, sondern verwies ihn im Rennen auf den Ehrenplatz. Und mit diesem musste sich Fangio auch auf dem Nürburgring begnügen, zwar vor González aber hinter dem Ferrari von Alberto Ascari. Seine Extraklasse demonstrierte Fangio freilich mit einer schnellsten Runde unter zehn Minuten. Pole-Position aber Ausfall in Monza, wo Alberto Ascari gewann, es wurde knapp im WM-Duell, doch Fangio gewann das Finale in Pedralbes bei Barcelona vor González. Ascari wurde nur Vierter und damit holte Fangio vor ihm den Titel. Und da Gonzalez Dritter in der Endabrechnung geworden war, herrschte in Argentinien der Ausnahmezustand.

Da sich Alfa Romeo aus dem Grand-Prix-Sport zurückgezogen hatte, trat gegen die Ferrari-F2/Tipo 500-Übermacht nur Gordini werksseitig an. Chancenlos! So hielt sich Fangio mit seinem blau-gelben Ferrari 166C in heimischen Gefilden schadlos und feierte sechs Siege, ehe er nach Europa kam. Dort wartete auf ihn ein Maserati A6 GCM. Dieser erste gebläselose F2-Rennwagen war 1952 genauso hoffnungslos unterlegen wie der Formel-1-BRM P 15 von Reg Parnell. Null Punkte für den Weltmeister! 1953 traten drei Werksteams gegeneinander an: Ferrari mit Alberto Ascari, „Nino“ Farina, Luigi Villoresi und Mike Hawthorn, Maserati mit den drei Argentiniern Juan Manuel Fangio, Froilán Gonzalez und Onofre Marimon, dem 50-jährigen Felice Bonetto sowie dem Schweizer Toulo de Graffenried. Gordini schickte fünf Piloten in die Schlacht: Jean Behra, Maurice Trintignant, Robert Manzon, Harry Schell und Roberto Mieres. Ascari wurde Weltmeister vor Fangio, Farina, Hawthorn, Villoresi und González. Die „force bleue“ erntete nur acht Punkte – je vier, herausgefahren von Marimon und Trintignant. Der neue Maserati A6 SSG schnitt erst ab Saisonmitte 1953 ganz passabel ab. Das lag jedoch nicht an seinen 200 PS, die von drei Weber-Doppelvergasern gespeist wurden, sondern an der unglaublichen Fahrzeug- Beherrschung von Fangio, der allein fast so viele Punkte gesammelt hatte wie seine vier Team-Kollegen zusammen genommen.

1954 stellten die 2,5-Liter-Triebwerke von Ferrari, Maserati und Gordini Derivate der bisherigen 2-Liter dar. Ferraris Sechstett Farina, González, Hawthorn, Maglioli, Trintignant und Manzon traf zunächst auf sieben Maserati-Mannen: Fangio, Marimon, Rosier, Prinz Bira, Moss, Mantovani und de Graffenried. Gordini mit Behra, Pilette, Bayol und Simon durfte auch nicht fehlen. Lancia trat ebenfalls an und schickte das italienische Trio Ascari/ Villoresi/Castellotti in die Schlacht, in welche auch Mercedes einzusteigen gedachte. Das Debüt war für den GP von Frankreich mit dem Wechsel von Fangio zu den Stuttgartern eingeplant. Mit Maserati-Siegen in Argentinien und Belgien im Ge- päck trat Juan Manuel Fangio seine Arbeit bei Mercedes an. Sie stand unter einem guten Stern! Der Argentinier stellte seinen W196-„Silberpfeil“ auf die Pole-Position und gewann vor seinem Team-Kollegen Karl Kling. Mit Runden-Rückstand folgten der Ferrari von Manzon sowie die Maserati von Prinz Bira und Villoresi. Die schnellste Runde hatte übrigens der Youngster Hans Herrmann erzielt. Fangio vor dem Ferrari von González/Hawthorn auf dem Nürburgring sowie vor González und Her- mann im Bremgarten in Bern: Der Argentinier hielt auch in Monza Mike Hawthorn auf Distanz. „Nur am Schluss in Pedralbes lief alles schief“, so später Fangio. „Da schnappt mir doch Alberto Ascari im Lancia die schnellste Trainingszeit weg, kann auch die schnellste Rennrunde drehen, und da muss ich mich im Rennen auch noch einem Mike Hawthorn auf Ferrari und einem Luigi Musso auf Maserati beugen.“ Juan Manuel Fangio, 1954 Weltmeister vor Froilán González und Mike Hawthorn: Argentinien schäumte über vor Glück. Bis zum Einstieg von Mercedes mit dem W196 S (300 SLR) in die Sportwagenweltmeisterschaft trat Fangio auch auf diversen Sportwagen an: So auf dem Alfa Romeo 6C 3000 und dem superben Lancia D24, mit dem er bei der „Carrera Panamericana“ erfolgreich war.

Im Gegensatz zum ziemlich schweren und gefräßigen Vorkriegs-Mercedes-Benz W154 (der Zwölfzylinder schluckte 180 Liter auf 100 Kilometer), den Fangio im Februar 1951 noch einmal in Buenos Aires bewegt hatte, war der W196 R eine „Wunderwaffe“. In der Gluthitze von Buenos Aires – wie 1951 mit der Start- nummer 2 – eröffnete Fangio die Formel-1-Saison mit einem Sieg vor der Ferrari- Paarung González/Dr. Farina. Während der Argentinier diese 375-Kilometer-Strapaze als Solist bewältigt hatte, teilten sich seine Teamkollegen Hans Herrmann, Karl Kling und Stirling Moss den viertplatzierten Mercedes. In Monaco auf Pole-Position und Schnellster auf dem Asphalt – bis zur Halbzeit des Rennens knapp vor Stirling Moss – durchkreuzte ein Hinterachse-Defekt just an der „Bahnhofskurve“ seine Ambitionen. Der dann führende Moss schied ebenfalls aus: Motorschaden. So gewann der Franzose Maurice Trintignant, Ferrari 625, vor Eugenio Castellotti, Lancia D50, und Jean Behra, Maserati 250F. Auch wenn Castellotti in Spa- Francorchamps ganz vorn stand, ließen ihm Fangio und Moss im Rennen keine Chance. Der Italiener war mit einem privaten D50 unterwegs, da sich das Werksteam nach Alberto Ascaris tödlichem Unfall bei Testfahrten in Monza zurückgezogen hatte. Das Mercedes-Duo Fangio/Moss dominierte auch in Zandvoort, und in Aintree trumpfte Mercedes derart auf, als wäre man von einem anderen Stern. Stirling Moss – ausnahmsweise vor Juan Manuel Fangio – und mit Karl Kling und Piero Taruffi zwei weitere Mercedes dahinter: Ferrari und Maserati waren abgemeldet, von einem dritten Platz in Monza durch Castellotti `einmal abgesehen. Der Italiener war es auch, der dann in der WM- Endabrechnung hinter den Mercedes-Stars Fangio und Moss den dritten Platz belegte. Wegen der Le-Mans-Katastrophe waren die Großen Preise der Schweiz, von Frankreich und Deutschland bekanntlich ja ausgefallen.

Durch den Rückzug von Mercedes vom Motorsport trennten sich die Wege von Fangio und Moss. Der Argentinier bildete mit Phil Collins, Eugenio Castellotti, Luigi Musso, Olivier Gendebien, dem Marquis de Portago und Maurice Trintignant eine schlagkräftige Scuderia Ferrari. Dieser standen Stirling Moss, Jean Behra und Cesare Perdisa als Maserati-Werks-Piloten gegenüber, verstärkt durch die Privatiers Toulo de Graffenried, den Briten Horace Gould, den Argentinier Carlos Menditéguy und den schon fünfzigjährigen Franzosen Louis Rosier. Mike Hawthorn und Harry Schell traten primär auf Vanwall an, und Con- naught, ausgerüstet mit Alta-Motoren, bot den Schotten Ron Flockhart und John Eric George „Jack“ Fairman auf. Für Abwechslung schien gesorgt zu sein, doch den Lancia-Ferrari D50 konnte eigentlich nur ein Maserati-F250-Pilot richtig Paroli bieten: Stirling Moss. Und so lautete der WM-Endstand: Fangio, Ferrari, vor Moss, Maserati, Collins, Ferrari und Behra, Maserati. In einem nicht zur WM zählenden Rennen in Silverstone, bei dem die D50 von Fangio und Collins ausgeschieden waren, führte in den ersten zehn Runden Mike Hawthorn auf dem neuen BRM mit überlegenem Leistungsgewicht, schied allerdings mit einem Motorschaden aus. Moss heimste dann die Sieger-Meriten vor zwei Connaught ein. Resümee dieses Formel-1-Rennens auf der Insel:„Very british indeed!“

Und die britische Komponente in der Grand-Prix-Szenerie gewann 1957 an Bedeutung. Fangio, auf der letzten Ausbaustufe des Maserati 250F, siegte in Buenos Aires zwar vor seinen Teamgefährten Behra, Menditéguy und Schell, doch in Monte Carlo mischten plötzlich Tony Brooks und Stirling Moss auf ihren Vanwall mit. Auf dem vierten Platz landete Stuart Lewis-Evans mit einem Connaught B, und Jack Brabham holte mit einem Werks-Cooper T43 den sechsten Rang. In Rouen zeigte Fangio gleich drei Ferrari das Heck, nämlich den Wagen der Herren Musso, Collins und Hawthorn. Ausgeschieden in der 48. Runde mit einem Motorschaden beim GP von England in Aintree: kein Fangio-Tag! Stirling Moss, der Pole-Position-Mann, fuhr schneller als die gesamte Konkurrenz und überließ Tony Brooks nach dessen Motorschaden sein Vanwall-Volant, damit Tony an den souveränen Sieg über die Ferrari von Musso, Hawthorn und Trintignant teilhaben konnte. Stirling wendete sich – wir sind `mal wieder in Long Beach – an Fangio: „Dass Du mir als einer der Ersten gratuliert hast, und das aus vollem Herzen, vergesse ich nie.“ Unvergessen für Mike Hawthorn und Peter Collins war ja dann Fangios Auftritt auf dem Nürburgring. In Pescara ging das Duell Fangio-Moss zugunsten des Briten aus. Einmal mehr erwies sich der Vanwall als schnell, mit einer Rennrunden-Zeit, die exakt der Pole-Position von Fangios Maserati entsprach. Das Finale in Monza – mit drei Vanwall in der ersten Startreihe – gewann Stirling Moss, doch mit einem zweiten Platz konnte sich Fangio seinen fünften Titel sichern. Dritter bei jenem Finale wurde übrigens Wolfgang Graf Berghe von Trips auf einem Ferrari.

Als Privatier, immer noch auf Maserati, ging Fangio in seine letzte Saison und belegte in Buenos Aires, wo er auch die schnellste Rennrunde drehte, und in Reims den vierten Platz in einer WM, in der die Briten Hawthorn, Moss, Brooks und Salvadori den Ton angaben. Fangio über sein Karriere-Ende: „In Reims bestritt ich 1948 mein erstes Rennen in Europa auf einem Simca-Gordini. Da war ich ja schon 37 Jahre alt. 1954 in Reims, erstmals in diesem unvergleichlichen Mercedes zum Sieg zu fahren, zähle ich zu den schönsten Renn- erfolgen meines Lebens. Was lag also näher, genau zehn Jahre nach meinem Debüt dort als 47-Jähriger mit der Rennerei aufzuhören.“ Für diese Ausnahmeerscheinung im Motorsport war der Nürburgring seine Lieblingsstrecke und Stirling Moss pflichtete ihm bei: „Dort zu gewinnen ist ́etwas Besonderes“.

Text: Jochen von Osterroth

Bilder: Jochen von Osterroth, www.start84.nl, Alfa Romeo, Daimler, Ferrari, Maserati