Louis Christen – Vielfacher Titelträger

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Der Eidgenosse Louis Christen war auf vier Rädern war er zwischen 1972 und 1981 als Rennfahrer und Konstrukteur in den Formeln Vau und Ford erfolgreich, doch inzwischen war er auf drei Räder umgestiegen. Seine LCR-Gespanne dominierten zwischen 1979 und 2018 die Motorrad-Rennszene, denn Piloten mit LCR-Fahrwerken holten insgesamt 39 Weltmeister-Titel, davon zwei durch Stefan Dörflinger in der 125ccm-Klasse für Renn-Motorräder.


In der von Stephan Traber notierten Erfolgsstory über seinen Landsmann, den Rennfahrer und Konstrukteur Louis Christen, schildert Traber auch dessen beginnende Leidenschaft für den Motorsport: „Sie begann schon als Teenager, als er 16-jährig den ersten Renn-wagen in natura sah. In seiner Nachbarschaft gab es einen jungen Mann aus gutem Hause, der in seiner Scheune in Goldach mehrere Formel-Junior-Rennwagen stehen hatte. Mit seinem Velosolex fuhr Louis oft zu dieser Scheune, welche für ihn das Tor zu einer neuen Welt darstellte. Wenn der Besitzer von einem Rennen zurückkehrte, half ihm Louis beim Reinigen der Fahrzeuge. Der Eigentümer dieser Rennwagen sollte später traurige Berühmtheit erlangen – Walter Stürm, der Ausbrecher-König.“

Louis Christen diente das Zeichenbrett als Existenzgrundlage

„Ich zähle zu den glücklichen Menschen, deren Hobby zu einer Existenz-Grundlage führte“, so der gelernte Maschinen-Zeichner Louis Christen, der 1967 erste Konstruktions-Pläne eines Monoposto anfertigte. In der Garage seiner Eltern in Rorschach am Bodensee entstand das Gips-Modell eines Formel Vau 1300. Zwei Jahre später hatte er auch das passende Rohrrahmen-Chassis zusammengeschweißt. Es entstand der LCR P1 (LCR für Louis Christen Racing): „Ich war heiß darauf, 1971 meine erste Saison auf dem selbstgebauten Formel Vau bestreiten zu können, doch wurde ich vom Reglement der Schweizer Automobilverbandes ACS eingebremst. Der Erwerb einer B-Lizenz für Monopostos setzte sechs Tourenwagen-Einsätze voraus.“ Christen kaufte einen Mini Cooper, absolvierte die geforderte Einstiegs-Klasse und erwarb bei einem SAR/ACS-Kurs in Montlhéry die erforderliche Lizenz. Die erste Saison im „LCR-Einbaum“ brachte nicht nur wichtige Erkenntnisse als Konstrukteur sondern auch äußerst motivierende Resultate: sieben Podestplätze – davon zwei Siege – in 13 Rennen. Seine Eigenkonstruktion fand ergo schnell einen Käufer. Mit einem ne-en Wagen bestritt er die folgende Saison.

Mit Alu-Monocoque in die Super Vau

Der LCR P3 mit Aluminium-Monocoque entstand in einer kleinen Werkstatt in Thal im Kanton St. Gallen. Christen hatte in Franz Giger einen rennfahrenden Partner gefun-den, der im Bereich Motor-Tuning äußerst versiert war, um dem 1600ccm-Boxermotor von Volkswagen zusätzliche PS zu entlocken. In fünf Läufen zur Schweizer Meisterschaft 1973 gewann das Duo Christen/Giger alle Rennen – drei durch Louis, zwei durch seinen Partner Franz. Beim Rennen um die Zentral-europäische Formel-Vau-Meisterschaft auf dem Norisring stand Christen mit dem P2 in der ersten Startreihe und wurde Vierter. Besonders in Erinnerung blieb ihm das Rahmenprogramm zum GP von Deutschland auf dem Nürburgring, den damals Jackie Stewart vor seinem Teamgefährten Francois Cevert gewann. Bei einem Unfall, wieder auf dem Nürburgring im Bereich Schwedenkreuz, wurde der Vorderbau des Wagens ziemlich lädiert, Christen kam mit leichten Prellungen davon. Leider erlitt Giger im Jahr darauf fast an der gleichen Stelle einen Crash, der schwere Bein-Verletzungen zur Folge hatte. Internationale Einsätze 1974 in ganz Europa erforderten ein neues Transport-Fahrzeug: Es fand sich ein fast zwanzig Jahre alter Fiat-Möbelwagen, Höchstgeschwindigkeit 75 km/h. Damit nach Keimola oder Silverstone zu gelangen, war ein Abenteuer per se. Saison-Highlight war der Norisring im September, wo Christen erst Keke Rosberg überholte und auch Kennerth Persson hinter sich ließ. Christen gewann mit diesem 7. Lauf zur Castrol-GTX-Trophy sein erstes größeres internationales Rennen auf dem LCR-Eigenbau. Mit-Konstrukteur Giger saß indes mit einem Gipsbein (vom Nürburgring-Unfall) an den Boxen und konnte auch zur schnellsten Runde gratulieren. Beim gleichen Rennen im Jahr darauf belegte Christen hinter Rosberg, Persson und Miko Kozarowitzky den vierten Platz.

nach einem Unfall hängte Louis Christen seinen Helm an den Nagel

Für 1975 übernahm Christen auch Bau und Wartung von Kunden-Rennwagen. Insgesamt fünf Formel Super Vau entstanden1974 und 1975. Als rennfahrender Konstrukteur bestritt Christen bis zu 25 Einätze pro Saison – ein Mammut-Programm, das in Silverstone abrupt endete. An aussichtsreicher Position liegend, drehte sich vor Christen ein Konkurrent. Der Schweizer konnte nicht mehr ausweichen und brach sich nach einem mehrfachen Salto einen Arm. Seinen Wagen – ein Totalschaden – neu aufzubauen, schien Christen zu Kostenintensiv. Als Rennfahrer hatte er den Helm an den Nagel gehängt. Zusammen mit Giger eruierte er nun die Möglichkeiten im Rennwagen-Bau, wo March, Lotus und Brabham auf breiter Ebene agierten. Es war absolut illusorisch, den Briten Paroli bieten zu können. So kam ein eigenes Formel-2-Projekt nicht über die Planungsphase hinaus, freilich bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Unter P12 – also Projekt 12 – entstand 1980/81noch ein Formel Ford und danach als P14 ein 2-Liter-Formel Ford. Ein Formel 3-Projekt, genannt SWICA (Swiss Car), erlebte immerhin eine lange Testphase in Magny Cours und wurde vom Team von Pierre Rechsteiner, der auch Christens Formel Ford eingesetzt hatte, übernommen.

Erstes Motorrad-Renngespann ausgespäht

Spätesten seit 1965/1966, als der Eidgenosse Fritz Scheidegger mit dem Briten John Robinson im Beiwagen Weltmeister geworden war, erfreute sich der Seitenwagensport großer Popularität in der Schweiz. Der Schweizer Meister Bruno Holzer suchte für die Seitenwagen-WM ein neues, konkurrenzfähiges Gespann. Durch Vermittlung seines Mechanikers und Freundes zugleich erhielt Christen die reizvolle Aufgabe, ein Gespann zu bauen, dass so gut sein sollte wie das von Seymaz-Konstrukteur Eric Vuagnat. Als bei einer Rennmotorrad-Ausstellung in der Nähe von Zürich auch das erfolgreiche Seymaz-Gespann von Rolf Biland gezeigt wurde, hatten sich frühmorgens Christen und seine Mannen in die Halle geschlichen und das Gespann komplett analysiert. Christen: „Was der Vuagnat kann, sollte mir doch auch gelingen. Man muss kein Gespann-Professor sein, um zu wissen, wie ein Seiten-wagen funktioniert, das ist reine Physik.“ Bis zum Februar 1976 baute Christen an einem Gespann-Chassis – einem Monocoque aus Aluminium-Blechen – für ein 500er-Yamaha-Triebwerk. Bei Funktionstests in Dijon – Peter Sauber hatte die Piste für C5-Tests mit Herbert Müller gemietet und Christen die Mitbenutzung gestattet – klemmt sich auch „Stumpen-Herbie“ auf den Liegeplatz im Gespann und hatte viel Spaß dabei. Bei einem Rennen in Rouen im Vorfeld der WM gewann das LCR-Duo Holzer/ Meierhans auf Anhieb beide Läufe. Die Konkurrenz war platt!

WM-Erfolge schon ab 1978 für Louis Christen

Mit einem Sieg beim Regen-Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps und dem dritten Platz in der Seitenwagen-WM 1978 empfahl das LCR-Gespann für höhere Weihen – es holte 1979 den Weltmeister-Titel. Mit einer völligen Neukonstruktion für 1981, dem LCR P16, gingen Rolf Biland und Waltisberg in die WM, die sie dann mit 21 Punkten Vorsprung gewannen. Gleichzeitig hatten sich Christens Auftragsbücher gefüllt: 23 LCR-Chassis-Bestellungen für 1982 – sogar aus Australien. Kleiner Wehmutstropfen im Erfolgs-Cocktail: 1982 gewannen Werner Schwärzel und Andreas Huberin einer Seymaz die Weltmeisterschaft. Mit dem Einzug in eine große Neubau-Halle 1984 und ei-nemvergrößerten Mechaniker-Team war der Grundstock für eine unglaubliche Sieges-Serie gelegt. LCR-Konstruktionen gewannen zwischen1983 und 1994 alle Seitenwagen-Titel. Und diese Erfolgstory setzte sich 1997 fort mit fast ununterbrochen Titelgewinnen bis 2018 – nur 2002 gewannen keine LCR-Fahrer die WM-Krone. 2021 feierten die Schweizer Schlosser/Fries auf einer LCR-Yamaha (P42) den 33.Titel, zu dem noch vier Weltcup-Siege und zwei Solo-Motorrad-Weltmeisterschaften kamen. Louis Christen, der Mann, der erst im fortgeschrittenen Alter den Motorrad-Führerschein gemacht hat, gilt in der Fachwelt als „Dreirad-Papst“. Er, der 1986/87 einen BMW-Motorrad-Dragster mit1000 PS präsentiert hatte, offerierte anschließend eine Elektro-Kabinenroller, den „Stromboli“. Christen: „Im Nachhinein betrachtet, waren wir einfach 20 Jahre zu früh damit.“

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Fotos: Archive Louis Christen, Stephan Traber