Reine Wisell, der „King“ der Formel 3 1968 und zusammen mit Emerson Fittipaldi erfolgreiches F1-Debüt 1970, konnte sich nicht lange in seinen Erfolgen sonnen und quittierte die Rennerei relativ früh. Der blonde Schwede sonnte sich dann auf andere Art – bis zu seinem Tod am 20. März 2022 unter Palmen an den Stränden von Thailand.
„Mein Ziel ist die Formel 1, schließlich jahr“, erklärte der Dominator der Formel 3 1968, der blonde Schwede Reine Wisell mit großer Gestik dem neun Jahre älteren schwarzhaarigen Spanier Alex Soler-Roig anlässlich des Solitude-Rennens 1969 in Hockenheim. „Na, dann beeile Dich `mal, aber ob Du es glaubst oder nicht, ich will da auch noch hin“, so der Herr aus einer wohl-habenden Arzt Familie. Alex konnte sich in jenem Jahr immerhin einen vierten Platz zusammen mit Rudi Lins im Porsche beim 12-Stunden-Rennen von Sebring ans Revers heften, doch im Monoposto war er auf sich ziemlich allein gestellt. Nehmen wir es vorweg: Reine stieg gleich bei seinem ersten Grand Prix, 1970 in Watkins Glen, als Lotus-Werksfahrer auf das „Treppchen“ neben der neuen Nummer1 im Team, Emerson Fittipal-di, und dem BRM-Piloten Pedro Rodriguez. Alex kam neben drei Nichtqualifikationen zwischen 1970 und 72 nur zu sechs Formel-1-Starts, bei denen er keine Zielflagge sah.
Reine Wisell – Vom Geländemotorrad zum Formel-3 Star
Die Nähe seines Geburtsortes Motala in der Provinz Östergötland zur Rennstrecke von Karlskoga animierte Reine Tore Leif Wisell, von zwei Rädern bei Geländeprüfungen auf vier umzusteigen. Nach einem Triumph Herald musste ein Mini-Cooper her, mit dem er auch bei Eisrennen an-trat und hinter einem Lotus Cortina 1966 sogar Vizemeister wurde. Viele Ausfälle, meistens bedingt durch technische Defek-te, hatten seinen Rennetat ziemlich auf-gefressen, und nur durch einen Job bei BMC Schweden konnte er die pekuniären Löcher stopfen. Seine vorübergehend still gelegte Autowerkstatt konnte zusammen mit einem Freund wieder ihre Tore öffnen – für einen Formel-3-Cooper, den er von Inge Rosqvist gekauft hatte. Nach Platzierungen im Mittelfeld folgte bei Saisonende der prestigeträchtige Sieg gegen seinen bekannten Landsmann Picko Troberg. „Für mich ungemein wichtig“, so Reine,“ denn ich wollte Pickos Brabham BT18 kaufen und den Preis drücken.“ Neben neun Sie-gen in der schwedischen F3-Meisterschft, holte er auch zweite Plätze in Villa Real hinter Chris Williams und in Jarama hinter Clay Regazzoni. „Dessen Tecno war damals für mich das Nonplusultra. Zusammen mit Ronnie Peterson düste ich nach Italien, wo wir mit allem, was wir finanziell auf-wenden konnten ein Tecno-Paar kauften. Reine Wisell gewann 1968 sensationell elf europäische Rennen, wobei ihm Stadtkurse wie Brünn oder Monaco besonders lagen.
Reine Wisell Siegte mit drei gebrochenen Rippen
Chevron hatte ihm einen Werkswagen für 1969 offeriert, mit dem er neben diversen Ausfällen auch sechs Siege erntete – davon einen mit drei gebrochen Rippen und krummer Nase. „Ich war in Snetterton beim F3-Training in eine Absperrung gerast – Chevron und meine Nase krumm, drei Rippen gebrochen! Ich riss mich zusammen und gewann tags darauf im Ersatzauto.“ Formel-1-Testfahrten auf einem McLaren M7A in Goodwood resultierten in einem Vorvertrag, dessen Umsetzung aber nicht zustande kam. Ergo tobte sich Reine auf ei-nem anderen McLaren aus: im F5000-M10B von Sid Taylor. Dazu gesellten sich noch ein paar Formel-2-Rennen. Nicht nur aus steuerlichen Gründen hatte sich Reine in Mallorca ein neues Domizil gesucht: „Ich lasse mir gern die Sonne auf den Pelz brennen.“
Formel-1-Einstand mit Bravour
Keine Sonne sondern ein Regenschauer hatte die Piste von Watkins Glen just in dem Moment überschüttet, als Graham Hill und Ronnie Peterson unterwegs waren. Wäh-rend sich beide drehten, erwischte Reine Wisell eine relativ trockene Phase und stellte den Lotus 72 bei seinem ersten Einsatz für das Gold Leaf Team Lotus in die fünfte Startreihe. Neben ihm stand der Rob Walker-Lotus 72 von Hill, Weltmeister von 1962 und 68. In der letzten Runde war er noch um zwei Hundertstelsekunden von dem Lotus-Novizen abgehängt worden. Welch` ein Einstand! Reines Freund Ronnie musste sich im March 701 von Antique Automobiles mit der achten Reihe neben Jack Brabham begnügen. Von den ehemaligen heißen Formel-3-Konkurrenten Wisell, Peterson und Fittipaldi, gelang dem jungen Brasilianer als Nachfolger von Jochen Rindt natürlich der größte Wurf: GP-Sieg im vierten Rennen. In Mexico war Lotus nicht konkurrenzfähig und auch im Rennen abgemeldet: Fittipaldi in der ersten Runde Motorschaden, Wisell wegen nicht zurückgelegter Solldis-tanz ohne Wertung! Nach einer ziemlich durchwachsenen Saison 1971 (Fittipaldi 16 WM-Punkte und Wisell neun Zähler) und einem lahmen Lotus-Turbinen-Outing in Sil-verstone war Reine leicht frustriert, zumal Ronnie Vizeweltmeister geworden war.
Es ging bergab für Reine Wisell
Sechs Marlboro-BRM-Einsätze – mit einem Crash beim GP von Spanien – ende-ten ohne WM-Punkte. Hier in Jarama trafen sich Reine Wisell und Alex Soler-Roig als Teamgefährten wieder. Reine, neben Ronnie in der vierten Startreihe, zu Alex: „ Gratuliere, Du hast Graham Hill um zwei Zehn-tel geschlagen.“ Beide kamen dann von der Strecke ab: Alex in der siebenten Runde, Reine 17 Umläufe später. Mit einem Motorschaden verrauchte auch der letzte von insgesamt fünf weiß/roten BRM. In Mona-co, Reines favorisierter Strecke, qualmte der BRM bereits nach 15 Runden, in Frankreich streikte das Getriebe, und auf der Nürburgring-Nordschleife verpuffte `mal wieder der Motor. Eine Rückkehr zu Lotus für die nordamerikanischen Grands Prix brachte zwar Startplätze im Mittelfeld – in Watkins Glen vor allen BRM – aber nur einen zehnten Rang beim US-GP. Motorschaden auch beim March-Gastspiel 1973 auf dem Circuit Paul Ricard. 1974 in brach die Radaufhängung des March 741. Immerhin war Reine in seiner alten Heimat schneller als Teamgefährte Vittorio Brambilla gewesen. Das war`s mit der Formel 1! Reine Wisell, der die Dekaden seines Lebens nach dem Motorsport an den Palmenstränden Thailands und im Land selbst genoss, starb am 20. März 2022 an Herzversagen.
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Fotos: Dr. Benno Müller /Archiv Födisch, Jochen von Osterroth