LEGENDS OF BRANDS HATCH SUPERPRIX, 1./2. JULI 2017

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Brands Hatch Superprix
Gerade Zeit für 40 Minuten Lunch

Auch Brands Hatch – wie die meisten Rennstrecken auf der britischen Insel immer noch in Betrieb und hier noch mit richtig Programm im Jahr – gehört im vierrädrigen Motorsport zu den Kursen mit zumindest sehr bedeutender Vergangenheit und wartet mit den nahezu ursprünglichen Streckenverläufen seit 1959 auf. Zwischen 1964 und 1986 war Brands Hatch regelmäßige Station in den Formel-1-Rennkalendern, häufiger auch zweimal im Jahr, da hier zwischen 1965 und 1983 jeweils zu Saisonbeginn zusätzlich das nicht zur Weltmeisterschaft zählende „Race of the Champions“ lief. Der britische Grand Prix wiederum fand in diesen 23 Jahren zwischen Brands Hatch und Silverstone im jährlichen Wechsel statt. Formel-2-Rennen liefen auf der 1950 asphaltierten Strecke, seit 1926 aber bereits als Grasbahn in Betrieb, seit 1956. Und 17 Mal zwischen 1967 und 1989 war das auch Station für Langstreckenrennen zur Marken-, Sportwagen-WM oder Langstrecken-WM für Fahrer – ein geschichtsträchtiger Schauplatz. Traurige Berühmtheit erfuhr Brands Hatch durch die tödlichen Unfälle auch von Jo Siffert, Henry Surtees und Karl-Heinz Kalbfell.

Der heute etwas über 3,9 Kilometer lange Grand Prix-Kurs Hügel hinauf und Hügel herab ist durchaus fahrerisch sehr anspruchsvoll, hier triumphierten in den international bedeutenden Rennen meistens die Großen des Sports. Unvergesslich bleiben sicher auch das Duell über das ganze Rennen im britischen Grand Prix 1968 zwischen dem Schweizer Jo Siffert im Rob Walker-Lotus 49-Ford (Sieger) und dem Neuseeländer Chris Amon im Ferrari Tipo 312 oder die Dreikämpfe in den Anfangsphasen um die Grand Prix-Siege 1970 zwischen Jacky Ickx (Ferrari 312 B), Jochen Rindt (Lotus 72, Sieger) und Jack Brabham (Brabham BT 33) sowie 1972 zwischen wieder Ickx (Ferrari 312 B2), Emerson Fittipaldi (Lotus 72, Sieger) und Jackie Stewart (Tyrrell 003) – Sternstunden der Formel 1 dort. Brands Hatch war deutlich seltener der Ort für Überraschungssieger – 1973 schlug Sieger Peter Gethin mit einem Formel 5000-Chevron B 24 im „Race of the Champions“ auch alle Formel-1-Wagen, zwei Jahre später fuhr der Walliser Tom Pryce bei gleicher Veranstaltung den ersten Formel-1-Sieg eines Shadow-Ford heraus (von zwei überhaupt). Die einzige Frau, die je ein Rennen in einem Formel-1-Wagen gewann, die Südafrikanerin Desiré Wilson, schaffte das in einem Theodore-Wolf WR 4-Ford Cosworth 1980 beim zweiten Lauf zur seinerzeitigen so genannten Aurora-AFX-Serie in Brands Hatch. Sie war noch einige Jahre später dort gefragt in Cockpits von Gruppe C-Rennsportwagen. In jedem Fall ist ein Brands Hatch-Sieg ein besonderes Gütesiegel.

Die Strecke liegt grundsätzlich sehr verkehrsgünstig ganz nahe der Autobahn M 20 Dover-London mit eigenen Ausfahrten. Wenn man sie aber beispielsweise aus dem Nordosten von einem Hotel auf dem Land aus anfährt, sollte man sich die Route und Ortsfolge schon vorher noch genau angesehen haben. Es kann sein, dass unterwegs beispielsweise in einem Tunnel aus Baumkronen das Navi vorübergehend ausfällt, und auf Hinweisschilder wie „Nürburgring 25 km“ – dann also in etwa „Brands Hatch Circuit 16 miles – wartet man vergebens. An der letzten „T-Kreuzung“ kam noch einmal kurz Rätselraten auf, aber instinktiv nach links war dann richtig. Die Rennstrecke selbst auf den sehr grünen Hügeln der Grafschaft Kent liegt da wie in den Park eines Earls hinein gemalt, mit bewaldeten Passagen und englischem Rasen in den Infields, teils vom Anschein her in Wembley- Qualität, ein sehr gepflegtes Areal. „Hier könntest du auch Springreiten oder Golf-Turniere veranstalten“, fand der Fotograf.

Der „Brands Hatch Superprix“ des Historic Sports Car Club (HSCC seit 1966) ist alljährlich die bedeutendste Veranstaltung zum Historischen Motorsport in Brands Hatch. Für die Auflage 2017 waren hier die HSCC-Clubmeisterschaften Historic Formula Ford Championship – aus Anlass „50 Jahre Formel Ford“ mit riesigen Starterfeldern vor Ort -, Historic Formula Junior Championship, Classic Formula 3 Championship, Super Touring Cars, Jaguar Classic Challenge, Historic Touring Car Championship, Guards Trophy für Rennsport-wagen und GT’s aus den 60er Jahren, die „Derek Bell Trophy“ für Formel 5000, Formel 2- und Formel Atlantic-Rennwagen, zwei Rennen zur Historic Road Sports Championship für GT-Fahrzeuge aus den 50er, 60er Jahren und aus den Siebzigern sowie das „Pre-`80 Endurance Challenge“ für Rennsportwagen und GT’s aller Coleur bis 1980 inklusive Sports 2000-Rennwagen auch aus den Folgejahren am Start. Das bedeutete: volle Action für zwei Tage ohne Demo-Fahrten, dafür ausdrücklich vorgesehene „lunch times“ von 40 Minuten. Es gab ein Rennprogramm für fünf britische Pfund im DIN A5-Format, aber ausgesprochen informativ wie hierzulande selten.

Ein Highlight war auch das „Pre-`80 Endurance Challenge“-Rennen mit dem prominenten Starter John Burton (siehe auch Interview), vor allem in der ersten Hälfte der 70er Jahre ein sehr schneller Mann in Chevron-Rennsportwagen. Mitte der 70er Jahre hatte er seine Karriere beendet und dann 1993 im Historischen Motorsport begonnen. In Brands Hatch stellte er seinen Zweiliter-Chevron B 26 als inzwischen 75-Jähriger(!) mit 1.29,241 Minuten in die erste Startreihe, nur der deutliche stärkere Drei-liter-Lola T 282-Ford Cosworth von Leo Voyazides/Simon Hadfield war mit 1.26,728 (Schnitt 162,52 km/h) schneller. Nach dem Start zum Rennen über 40 Runden bremste Burton Voyazides sehr bald aus und fuhr in der Folge an der Spitze einen Vorsprung von 18 Sekunden heraus. „Als ich zum Pflicht-Boxenstopp hinein kam,“ so Burton nachher, „sagte mir mein Mechaniker aber schon, dass Simon Hadfield, der den Lola übernommen hatte, bis zu 1,5 Sekunden schnellere Rundenzeiten als Voyazides fahren würde. So schloss er zu mir auf, ich wehrte mich einige Zeit, ließ ihn dann aber wenige Runden vor Schluss auf der Geraden vorbei.“ Mit nur neun Sekunden Rückstand und persönlich schnellster Rennrunde noch einmal eine Sekunde schneller als im Qualifying wurde Burton Gesamtzweiter hinter Voyazides/Hadfield und überlegener Klassensieger. Auf den nächsten Rängen Gesamt folgten Richard Piper (March 75 S), Robert Parker (Osella PA 5), die Klassensieger Glover/Hyett im CanAm-March 717, GT-Klassensieger Peter Halford (Chevrolet Corvette) und Sports 2000-Klassensieger Jonathan Loader (Tiga SC 80).

Hierzulande sind momentan Formel 5000- oder Formel A-Rennwagen, wie sie in den USA hießen, so gut wie nicht fahrend zu sehen. In Brands Hatch waren das in der „Derek Bell Trophy“ die schnellsten Rennwagen des Wochenendes. Jamie Brashaw, augenscheinlich auch deutlich über Sechzig, fuhr im Qualifying im March 73 A mit 1.25,429 Minuten (Schnitt 165,0 km/h) die Bestzeit für die Pole Position, eine Durchschnittsgeschwindigkeit übrigens, die im „Race of the Champions“ 1973 voll konkurrenzfähig gewesen wäre… Nach hartem Duell mit Richard Evans im March 79 B siegte er auch im ersten Rennlauf – hier waren sogar auch noch die „Classic Formula 3“-Rennwagen dazu sortiert – mit 4,7 Sekunden Vorsprung, schied im zweiten aber aus, so dass hier Evans ganz vorn war. Die Formel-2-Klassensieger in beiden Läufen waren Mark Dwyer im March 742 und Michael Bletsoe-Brown im Chevron B 27.

„50 Jahre Formel Ford“ war die ganz spezielle Feier in Brands Hatch, auch viele Rennfahrer aus der Historie gaben sich ein Stelldichein, zu den Namhafteren zählten Bob Evans, Tony Trimmer, Richard Robarts und Ray Allen, der allererste Formel Ford-Sieger ziemlich genau 50 Jahre zuvor. Dazu gesellten sich einige Rennwagenbauer aus der Historie, alle auch geladene Gäste bei einem speziellen Dinner am Samstagabend. Aufgrund der hohen Zahl der Meldungen mit 50 Startern war das gesamte Renngeschehen auf zwei Startgruppen mit insgesamt vier Rennläufen aufgeteilt, die Erfolgreicheren kamen dabei dann immer eine Runde weiter. Letztliche Sieger der Meisterschaftsläufe wurden Sam Mitchell im 71er Merlyn Mk 20 und Cameron Jackson im identischen Auto. Diese Schlachten an der Spitze, wenn dann Runde für Runde die ersten Sechs mit heulenden Reifen im Paarlauf parallel die 180 Grad-Spitzkehre „Druid’s Bend“ nahmen, das musste man einfach einmal gesehen haben!

Cameron Jackson gewann mit seinem Brabham BT 2 auch deutlich das Formel Junior-Rennen. Die beiden Rennläufe zur „Classic Formula 3“ gingen an Max Bartell im 76er Chevron B 34, Andrew Park im 81er Reynard SF 81 war in der „Historic Formula Ford 2000“ vorn. Bei den historischen Tourenwagen siegte Terry Drury im Ford Falcon vor Warren Briggs im Ford Mustang und den drei Ford Cortina Mk I Lotus von Peter Chambers, Ben Wirrow und Richard Belcher. Den Gesamtsieg im Lauf zur „Guards Trophy“ holte sich Charles Allison im Chevron B 8. Mark Plant im Morgan Plus 8 und Charles Barbour im Datsun 240 Z triumphierten bei den „Historic Road Sports“-Läufen für die älteren und neueren Granturismos.

Ein Top-Wochenende feierte auch Familie Dodd: James gewann im Honda Accord beide Super Touring-Läufe und mit Graeme zusammen im E-Type auch das Jaguar Classic Classic-Rennen.

Interview mit John Burton

Interview mit John Burton, einem der erfolgreichsten Chevron-Piloten in der Historie

CURBS: John, welches sind die schwierigsten Passagen auf der Brands Hatch-Rennstrecke?

John Burton: Ich denke, die schwierigste Stelle ist ‚Paddock Bend‘, die erste Kurve nach der Zielgeraden. Diese Kurve fällt plötzlich stark ab, und du siehst nicht den Scheitelpunkt, wenn du bremst. Die Kurve ist zudem relativ schnell, vierter Gang in meinem Chevron B 26. Die Gefahr besteht darin, dass du den Wagen zu früh hinein ziehst und dann auf der Spitze des Hügels von der Straße fliegst. Da gibt es absolut keinen Platz für Fehler.

CURBS: Worin bestehen die speziellen Qualitäten des Zweiliter-Chevron-Rennsportwagens, speziell Deines Chevron B 26?

John Burton: Ich fuhr die Chevrons seinerzeit in den frühen 70er Jahren, damals aber nie einen B 26. Der wurde 1974 entwickelt, in einem Jahr, in dem ich nicht fuhr. Ich fuhr dann nur noch einmal 1975 bei den 1000 km Nürburgring 1975 einen Cheetah, gemeinsam mit dem Schweizer Loris Kessel. Dieser Chevron B 26 hier wurde seinerzeit an den italienischen Chevron-Importeur ausgeliefert, von italienischen Fahrern gefahren und dabei jedes Mal schwerer beschädigt. Eines Tages sprach ich mit Vin und Helen Malkie von der 2000 gegründeten Chevron Cars Ltd.. Sie fragten mich: ‚John, wir haben hier einen B 26, wärest Du interessiert, ihn zu restaurieren und dafür ein neues Chassis zu bauen?‘ Ich sagte (leider) ‚Ja‘, bevor ich die Reste des Autos gesehen hatte. Der B 26 ist der erste Chevron mit einem Monocoque, insofern ist er schon ein spezielles Auto. Meiner Meinung nach ist er sehr leicht zu fahren, ähnlich wie der Chevron B 8 zu fahren war. Er zeigt keinerlei böses Fahrverhalten, sondern baut im Gegenteil sogar Vertrauen beim Fahrer auf – umso schneller kannst du ihn fahren.

CURBS: Wenn Du einmal die Zeiten, in denen Du deine Rennfahrerkarriere gestartet hast, mit dem modernen Motorsport heute vergleichst, was hat sich für Dich am meisten verändert, worin bestehen für Dich die größten Unterschiede?

John Burton: Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre war der Sportsgeist absolute Spitze. Wenn damals das Werksteam von Lola Probleme hatte, gingen die Mechaniker des Abarth- und Chevron-Teams hin und halfen aus. Das Wichtigste war immer der Sport selbst. Du wusstest genau, wenn du Probleme haben würdest, würden dir die anderen Teams die Hände reichen, wenn notwendig. Für mich persönlich war das einer der nettesten Aspekte jener Zeit. Das gibt es heute auch noch, aber aus meiner Sicht hauptsächlich im Historischen Motorsport.

CURBS: Was hilft Dir heute am meisten, immer noch so schnell Rennen fahren zu können, wie es Dir gelingt?

John Burton: Ich halte mich so fit wie eben möglich. Wo ich lebe, gibt es drei oder vier Hügel, ich mache dort immer wieder lange Wanderungen. Außerdem schwimme ich zweimal die Woche und spiele auch Golf. Die Leute denken manchmal, um historische Rennwagen zu fahren, bräuchte man nicht so fit zu sein. Morgen fahre ich ein einstündiges Rennen allein, in vielen Teams wird es Fahrerwechsel geben. Manchmal schaue ich mir Fahrer an, wenn sie aus den Wagen steigen, und sie sehen sehr müde und ausgepumpt aus. Ich denke: Es ist sehr wichtig fit zu bleiben, du bist dann auch mental fitter und körperlich ohnehin. Vielleicht spielt da auch meine Erfahrung eine Rolle, da ich in meiner Karriere früher auch viele Langstreckenrennen gefahren bin.