„Zandvoort ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig geworden, und ich bin da immer sehr gern hingefahren. Aus welcher Perspektive von außen ich die beiden Steilkurven auch betrachtete, für mein Gefühl wollen sie einfach nicht zum Charakter dieses legendären, jetzt 75 Jahre alten Dünenkurses passen“, so aus der Sicht des Schreibers dieser Zeilen. Brooklands mit Steilkurven wurde ja schon 1939 stillgelegt, die Steilkurven in Monza verfallen seit den 60er Jahren, die auf der Avus wurde 1967 abgerissen, und Daytona liegt eben in Florida/USA. Zudem ist die Steilkurve in der Spitzkehre „Hugenholtzbocht“ nun von der Außenseite der Zielgeraden kaum noch richtig einsehbar, die Strecke verlor damit für den Zuschauer an dieser Stelle auch ein bisschen an Attraktivität. Fotografieren von Zuschauerplätzen aus ohne „Formel 1“-Sicherheitszäune im Bild ist praktisch kaum noch möglich, der Dünenhügel im Fahrerlager war ideal dafür, aber das ist jetzt auch weg.
„Ich fand die Hugenholtzbocht früher netter“
Die Fahrer sehen die Steilkurven aber offenbar gemischt, müssen letztlich auch ihren Frieden damit machen. „Ich fand die Hugenholtzbocht früher netter“, bekundete der Kölner Roland Fischer, im Tecno 169 2005, 2011 und 2015 schon dreifacher Meister der Historic F3 1000 cc European Trophy für die „Screamer“-Formel 3 der Jahre 1964 bis 1970. „Das war eine schöne Ecke zum Ausbremsen, aber jetzt bin ich hier im Qualifying immer falsch gefahren, im Scheitelpunkt immer herunter zur Mitte und wurde dann oben außen überholt. So fahre ich im Rennen hier jetzt auch.“ Der Aachener Max Blees, seit vielen Jahren erfolgreich auch mit seinem 63er Ex-Tasman-Brabham BT 7 A in der Rennserie „Historic Grand Prix Car Association“ (HGPCA), war von den Steilkurven angetan. „Die Steilkurven machen die Strecke interessant,“ begründete er, „du kannst jetzt in der ‚Hugenholtzbocht‘ verschiedene Linien zum Überholen fahren, mit den kleineren Formelautos hast du da jetzt viel Platz.“
Auch dank „Porsche ist 75“ und „Zandvoort ist 75“ waren Renn-, Demo- und Club-Programm an der Nordseeküste allerdings sehr attraktiv engmaschig gestrickt, da gab es kaum Pausen. Dabei litten am Samstag indessen alle Formelrennen etwas unter zahlreichen Gelb-Phasen oder gar „Rot“-Unterbrechungen. Sicherheit ist strengstes, oberstes Gebot, keine Frage, schon wenn nur ein Auto am Streckenrand steht, steigt das Risiko ja deutlich. Aber Historische Rennen über 25 Minuten oder eine halbe Stunde sind dann zu kurz, es können sich so einfach keine richtigen Rennen mehr entwickeln.
Zwei Gesamtsiege für Tyrrell auf Tyrrell!
Nicht weniger als 28 Teilnehmer und ausnahmsweise drei Rennläufe wurden seitens des Starterfeldes „Masters Racing Legends“ geboten, historische Formel 1 der Jahre 1966 bis 1985 ohne Turbo-Fahrzeuge in diversen Epochen-Klassen. Am Freitag gelangen Michael Lyons im Typ 92 und Nick Padmore im Typ 77 ein Lotus-Doppelsieg im Gesamtklassement. Am Samstag und Sonntag machte Ken Tyrrell, 54-jähriger, nicht verwandter Namensvetter des legendären schottischen Formel-1-Teamchefs und in Florida wohnend, dem berühmten Namen alle nur erdenkliche Ehre, als er mit seinem Tyrrell 11-Ford Cosworth die beiden nächsten Durchgänge im Gesamt gewann. Den Ehrenplatz in beiden Läufen errang Matthew Wrigley im Penske PC 3. Dreifacher Epochenklassen-Sieger wurde Michael Lyons in der „Niki Lauda“-Klasse, Formel 1 mit flachem Unterboden nach 1972.
31 Starter qualifizierten sich für die beiden Rennläufe „Historic Grand Prix Cars Association“ (HGPCA), historische Grand Prix-Wagen bis 1965, ebenfalls verteilt auf mehrere Epochen-Klassen. Hier traten auch einige deutsche Teilnehmer an, von denen besagter Max Blees im Ex-Tasman-Brabham als Siebter Gesamt und Zweiter seiner Epochen-Klasse mit 1:59,999 Minuten der schnellste war. „Ich bin aber nicht wirklich zufrieden,“ fand er, „ich war hier auch schon schneller.“ Auf der Pole Position stand Will Nuthall im Cooper T 53 mit 1:52,031 Minuten (Schnitt 136,86 km/h) vor Michel Kuiper im Brabham BT 4 und Mark Shaw im Lotus 21. Klaus Lehr im Maserati 250 F war Zweitschnellster in seiner Epochenklasse (2:08,389), Klaus Bergs mit seinem Lotus 18 Fünftschnellster in seiner Epochenklasse (2:08,833). Der erste Rennlauf litt darunter, dass er nach acht Rennrunden wegen Ölspur in der „Kumhobocht“ vorzeitig abgebrochen werden musste, Kuiper im Brabham BT 4 siegte im Gesamt vor Shaw im Lotus 21 und Andy Willis im Lotus 24. Max Blees wurde Fünfter und Epochenklassensieger, schnellste Rennrunde 3,5 Sekunden schneller als im Qualifying. „Das Auto lief gut, aber ich muss auch alles daran allein machen, ich bin halt der Langsamste von den Schnellen“, kommentierte er nun zufriedener. Klaus Bergs im Lotus 18 verbesserte sich um fünf Plätze im Gesamt und in seiner Epochen-Klasse auf den dritten Rang. Direkt hinter ihm im Gesamt blieb Klaus Lehr im Maserati 250 F Zweiter in seiner Epochen-Klasse.
„Ich fand noch keinen richtigen Fluss“, meldete Klaus Bergs, der jahrelang in seinem 71er Formel-2-Brabham BT 36 in Zandvoort fuhr. „Im Qualifying gab es mehrere Unterbrechungen und auch einen Abbruch zum Schluss, da geht noch mehr, 2:04, 2:05 müssten in den Rundenzeiten drin sein. Ich fahre einen originalen 1,5-Liter-Climax-Vierzylinder mit rund 160 PS. Mark Shaw in meiner Epochen-Klasse ist ehemaliger Profirennfahrer und fährt einen perfekten neuen Motor mit ca. 40 PS mehr, schätze ich. Ich hätte mir noch fünf Runden mehr gewünscht. Ich mag die Strecke und die Kurven, kenne sie aber mit einem zehn Jahre jüngeren Formel 2 mit Slicks und Haftung. Der Lotus 18 muss in den Kurven im Drift über alle vier Räder gefahren werden, da brauchst du auch Mut und Umstellung.“ Bergs erzielte aber in Rennlauf zwei, den Nuthall vor Kuiper und Shaw gewann, weitere, deutliche Fortschritte – noch drei Plätze vor im Gesamt, wieder Klassendritter und schnellste Rennrunde in 2:03,466. Max Blees gewann erneut seine Epochen-Klasse, Klaus Lehr war erneut Zweiter in seiner.
Ein Gesamtsieg für Wolfgang Kaufmann
21 Starter in der HSCC Historic Formula 2, und hier ist der Deutsche Wolfgang Kaufmann als langjähriger Profi-Rennfahrer mit seinem 78er Zweiliter-Ex-Stephen South-March 782 regelmäßig für Podiumsplätze im Gesamt gut. Im Qualifying war er noch mit gebrauchten Reifen aus Hockenheim Vierter hinter Andrew Smith/March 782 (1:36,092 Minuten, Schnitt 159,56 km/h), David Thorburn/March 762 und Kyle Tilley/Ralt RT1. Der erste Rennlauf wurde wegen Unfalls unmittelbar nach dem Start mit „Rot“ gestoppt und später hinter Safety-Car neu gestartet. Kaufmann eroberte bald Platz zwei hinter Lauf-Sieger Smith bis ins Ziel, erhielt dann aber eine Zeitstrafe von zehn Sekunden für Frühstart – Platz fünf. „Beim Hineinfahren in die Startposition, machte das Auto auf der Kupplung einen leichten Ruck nach vorn“, erklärte Kaufmann. „Und da das Rennen nicht komplett neu gestartet wurde, sah man eine Addition von zehn Sekunden für einen Frühstart als gerechtfertigt an.“ In Rennlauf zwei arbeitete er sich sehr bald wieder auf Platz zwei vor und siegte, als Andrew Smith nach vier Runden wegen technischen Defekts abschalten musste. Auch die nächsten beiden im Gesamt, Brian Morris und Marc Devis, fuhren March 782. Zweifacher Sieger Epochen-Klasse A der 1,6-Liter-Formel-2-Wagen bis 1971 wurde der Schweizer Luciano Arnold im Brabham BT 36.
Zweimal Formel 3, bis 500 ccm und bis 1.000 ccm
„Ich war ein bisschen langsam“, kommentierte der dreifache Meister Roland Fischer aus Köln seinen fünften Startplatz mit dem Tecno 69 bei den Einliter-“Screamer“-Formel-3. „Ich war so damit beschäftigt auf Temperaturen und Drücke zu schauen, dass ich mich kaum auf das Fahren konzentrieren konnte.“ Vor ihm standen Samuel Harrison/Brabham BT 21 B (1:48,924, Schnitt 140,76 km/h), Jeremy Timms/Chevron B 15, Francois Derossi/Chevron B 17 und Jason Timms/Brabham BT 21. Im ersten Rennlauf stieß Fischer zeitweise bis auf den dritten Rang vor, wurde letztlich aber knapp hinter Derossi und Thomas Jamin/March 703 Fünfter. „Der erste Lauf war so weit gut,“ resümierte er, „leider mit schlechtem Set-up und in Folge zwei Fahrfehlern Fünfter, aber wieder einmal eine Zielankunft. In der Einführungsrunde des zweiten Laufes sprangen die Gänge heraus, weshalb ich von einem Start absah.“ In allen beiden Läufen belegten Samuel Harrison, Jeremy Timms und Francois Derossi in dieser Reihenfolge die Podiumsplätze. Die beiden Rennläufe der „F3-500 Owners Association“, der frühen Nachkriegs-Formel-3 überwiegend mit Motorrad-Motoren gewannen James Wilson im Cooper MK 10 und Peter de la Roche im Cooper MK 5.
Spannende Duelle bei den Rennsportwagen
Der Rennserienbetreiber Masters sorgte auch in Zandvoort wieder für bekannt viel qualitative Farbe im Segment Rennsportwagen und Granturismos. Sehenswert war in Rennlauf eins bei „Masters Sports Car Legends“ über 23 Runden das Duell der beiden Schnellsten im Qualifying, zwischen dem Ferrari 512 M von David und Olivier Hart und dem Chevron B 26 von Henry Fletcher, den der Ferrari einfach nicht abschütteln konnte. Nach 14 Runden und dem Ausfall des Chevrons war aber sein überlegener Sieg vor den beiden Lola T 70 MK III B von Steve Brooks und Jason Wright sicher. Ein so gut laufender Ferrari 512 M oder S ist selten zu sehen. In Rennlauf zwei wendete sich das Kriegsglück zu Gunsten des Chevron-Piloten, der Ferrari war nach acht Runden draußen, Fletcher siegte vor Steve Brooks sowie Nigel Greensall/John Spiers im McLaren M 1 B. Im „Masters Endurance Legends“ mit relativ modernen Rennsportwagen und GTs 90er Jahre bis zirka 2012 – warum immer die auch „Legends“ heißen – begeisterten Christophe d’Ansembourg im Lola Aston Martin DBR 1-2 und Marco Werner im Lotus LMP-2 B12/80 mit ähnlichem Zweikampf, in dem es in Lauf eins bis zum Lola-Ausfall sehr eng zur Sache ging. Werner gewann hier, musste sich dann aber in Rennlauf zwei d’Ansembourg um 2,5 Sekunden geschlagen geben.
Im Rennen „Masters Gentlemen Drivers & Pre-66 Touring“ über 36 Runden triumphierte Olivier Hart mit seinem Shelby Cobra Daytona vor Calum Locke/Julian Thomas ebenfalls in einem Shelby Cobra Daytona und Nigel Greensall/John Spiers auf einem TVR Griffith 200, während Julian Thomas/Andy Wolfe im Ford Falcon das Tourenwagen-Klassement vor Will Nuthall/Kyle Tilley im Ford Cortina Lotus und Lukas Halusa im Alfa Romeo 1600 GTA gewannen. Das größte Starterfeld in Zandvoort mit deutlich mehr als 40 Rennwagen war jenes für das Rennen „RECO NK GT & TC 66-81 + Triumph Competition“. In Rennlauf eins siegte Wim Kuijl im Ford Capri 3100 RS vor Hans de Graaf im Porsche 911 und Daniel Schrey im Porsche 911 RSR, in Rennlauf zwei stellten Wim und Dieter Kuijl einen Capri-Doppelsieg, Letzterer im 2600 RS, vor Hans de Graaf sicher.