SOLITUDE REVIVAL – VERDAMMT LANG HER …..

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dass im Sommer 1922 erstmalig eine Bergprüfungsfahrt für Automobile auf einer Rennstrecke nahe dem Schloss Solitude bei Stuttgart stattgefunden hat, denkt sicher der Historiker unter den zahlreichen Gästen des diesjährigen Solitude Revivals.

Ex- Eberhard Mahle 300 SL Roadster von 1957 mit Dr. York Seiffert und Christian Geistdörfer

Den meisten Teilnehmern aber dürfte es auch „verdammt lang her..“ vorgekommen sein, dass auf diesem zwischenzeitlich mehrfach geänderten anspruchsvollen Kurs einige hundert Motorräder und Sportwagen Gummi auf den Asphalt brannten. Lange drei Jahre ist es her, dass hier das Solitude Revival letztmalig stattfand. Es muss den Sammlern und Fahrern historischer Fahrzeuge etwas gefehlt haben, denn das Echo auf die Ausschreibung der diesjährigen Veranstaltung war riesig. Die alte Solitude-Rennstrecke, eine der wenigen aus der legendären Ära des Motorsports übriggebliebenen natürlichen Rennkurse ist eben nicht alle Tage fürs schnelle Autofahren freigegeben.


Immer wieder muss die Organisation der Veranstaltung, ein Club von Enthusiasten, leidenschaftlich dafür kämpfen, dass hier Erinnerungen wiederbelebt werden und Tausende, Zuschauer und Teilnehmer, ein Wochenende mit Legenden des Motorsports zwischen ausgesuchten Klassikern der Renn- und Sportwagen erleben können. In dem einen oder anderen Paddock hat Corona leichte Bremsspuren hinterlassen, die den Erfolg der Veranstaltung nicht verhinderten. In diesem Jahr glühte nicht nur der Asphalt – bei Temperaturen von über 30° C wurde so mancher Kühler im Vorstart inkontinent. Erst auf dem über weite Strecken durch schattigen Wald führenden Kurs erreichten Maschinen und Piloten wieder ihre normalen Betriebstemperaturen.


Zweifellos genießen die Fahrer die „Demo Läufe“ in ihren Rennwagen, die zur „Goldenen Ära“ der Rennen auf der Solitude gehören: Hier donnern F1-und F2-Wagen, GT und Sportwagen aus den 50er- und 60er-Jahren durch die Linkskurve am Glemseck, den alten Bosch-Zielturm hinter sich lassend, die kurvige Strecke hinauf zum 120 m höher gelegenen Frauenkreuz (15% Steigung!). Die anschließenden Abschnitte über die Kurven Dreispitz und Schatten gehören zu den schnellsten Passagen der Strecke. Mehrere Schikanen bremsen hier die Fahrzeuge ein.

Der Rundkurs wird geschlossen durch eine herrlich spannende Strecke durch das landschaftlich wunderschöne Mahdental. Das ist der Abschnitt, in dem man den Auspuff unter sich nicht mehr hört und das Gefühl hat, durch das Tal zu gleiten. Erst kurz vor dem Zielturm, in Annäherung an die Tribünen mit den begeisterten Zuschauern hat einen die Realität wieder eingeholt: 11,3 Kilometer Legendenbildung liegen hinter einem: Dan Gurney, Jim Clark und Jo Bonnier erreichten allerdings auf den Hochgeschwindigkeitsteilen der Strecke gut 250 km/h; heute limitiert der Veranstalter die Geschwindigkeit in diesen Abschnitten auf 180 km/h – zügig genug für einen Demolauf!

Ferrari 512 M von 1971 gefolgt von McLaren M1B aus 1966 und Shelby Daytona Coupé


Aber nicht nur die Fahrer genießen Strecke und Ambiente. Die Zuschauer streifen ohne die sonst so klinische Distanz moderner Motorsportveranstaltungen durch die verschiedenen Fahrerlager, verweilen vor einem ikonischen Porsche 917-30 oder dem sehr seltenen Nomad MKI, ehe sie sich vielleicht dem Ferrari 512M zuwenden. Stark vertreten war auch die Fraktion der Vorkriegsrennwagen: der bullige Mercedes SSKL zog die Blicke ebenso an wie die Bugatti T35 oder die reinrassigen und extrem schnellen Rennwagen vom Typ Maserati 6CM. Überraschend zahlreich vertretenen waren die Hubraumriesen der CanAm-Serie; alle Sechs haben ihre Garagen in Deutschland!
Gut, die Startfelder wurden auch durch VW Karmann Ghia und Honda S800 aufgefüllt, die vielleicht dem einen oder anderen Zuschauer wohlige Erinnerungen an die Jugend hervorriefen. Gänsehautgefühl entstand bei den Besuchern sicher eher wenn sie den zahlreichen Legenden früherer Motorsportveranstaltungen unmittelbar gegenüber zu stehen: Walter Röhrl, Marc Lieb, Timo Bernhard, Christian Geistdörfer, Prinz Leopold von Bayern u.a. waren gekommen, um ihren Fans nah zu sein und wieder einmal die besondere Atmosphäre des Mythos Solitude entspannt zu genießen.
Das Motto der Veranstalter: „Von Enthusiasten – Für Enthusiasten“ ist zutreffend und zahlt sich aus! Aufregende Autos, interessante Teilnehmer, interessierte Zuschauer und die zahlreichen „No winner – Rennen“, eingebettet in eine charmante Atmosphäre, die auch von den hunderten stets freundlichen Helfern geprägt wird, sind die Attraktionen für alle Beteiligten.
Schade, man muss wieder zwei Jahre warten bis zum Solitude Revival 2024 – aber das Warten lohnt sich!