Die Schönheit von Formen, Design und die Inszenierung seiner Bilder nehmen ihn derart gefangen, dass nur ein gelegentlicher Imbiss zur Stärkung seine foto-künstlerische Arbeit unterbrechen kann. Anlässlich diverser Rennen auf dem Nürburgring tätig, ließ sich Ivan Toscanelli über die Schulter schauen.
Ivan, Baujahr 1965, fing in den 90er-Jahren als Kameramann an und diente sich als sogenannter DoP (Director of Photography) hoch. Diese Bezeichnung führte er „artgerecht“, denn der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag im Bereich TV-Commercials und generell Werbung. Bald hatte er sich auf Automobiles gestürzt und machte unter anderem Clips für Ford, Opel und Merce-des. Ein VW-Auftrag führte ihn 1997 nach Japan. Die Dreharbeiten im Land der aufgehenden Sonne hatten einen netten Neben-effekt. „Ich hatte mich in dieses Land derart verliebt, dass ich mich dort sesshaft machte und arbeitete.“ Von 2000 bis 2021 in „Nippon“ tätig, hatte er es mit viel Einsatz und Durchhaltevermögen geschafft, sich in sei-nem Beruf zu etablieren. Mehr noch: Von 2004 bis 2011 kam er einem Lehrauftrag der tokyoter Film-Hochschule (TFC) nach und unterrichtete das Abschluss-Semester der Kamera-Studenten – auf Japanisch! Diese Tätigkeit musste er dann aus terminlichen Gründen aufgeben – schweren Herzens. Sein eigenes Studio für Werbe- und Portrait-Fotografie hielt ihn auf Trab, wenn-gleich er sich auch auf Auto-Fotografi e spezialisiert hatte. Vielfältigkeit in einem Beruf stimuliert, verlangt kreatives Denken, und das drücken seine Aufnahmen aus.
Ivan Toscanelli möchte die Auto-Emotionen authentisch rüberbringen
Toscanelli doziert über seine Automobil-Fotografie: „Für mich steht die Schönheit von Formen und das Design bei der Inszenierung meiner Bilder im Vordergrund. Ich versuche die Emotionen, die ein Fahrzeug in mir hervorrufen, zu visualisieren, ohne in einen Realismus im herkömmlichen Sinne zu verfallen. Wenn es mir gelingt, die markante Linienführung eines Fahrzeugs mit Licht fast zu abstrahieren, be-schleicht mich das positive „Feeling“, ein gelungenes Bild gemacht zu haben.“ Andererseits bemüht sich Toscanelli, den tatsachlichen Kerngedanken eines Designs wiederzugeben. Er will nicht ein-fach nur interpretieren. Den Charakter von Wesentlichem erhaltend, sieht man seine automobilen Objekte oft in einem neu-en Licht. Seine fotografische Ausrüstung nimmt sich eher bescheiden aus. Oft geht er nur mit seiner Hasselblad, einer Lampe und einem Schirm ans „Set“. Als „Studio“ kann dann schon einmal eine Box im Fah-rerlager dienten. Was nicht in die Szene passt, wird eiligst beiseite geräumt. Aber auch eine Grand-Prix-Piste kann per se in der Abendsonne zum „Studio“ werden, wenn der Rennbetrieb diese nicht mehr tan-giert. So beispielsweise geschehen mit dem Roock-Porsche von Hans-Ullrich Kainzinger. Porsche-911-RSR-Variationen zeigt Ivan mit der Ablichtung des Wagens von Dr. Eddy Althoff und des RSR von Roland Müller aus Simmern, wo das Licht durch die Fenster des Boxen-Tores flutet. Hier musste eine richtige Nebel-Maschine nachhelfen. Eine ganz andere Perspektive bot da der Kremer-Porsche K3 im Jägermeister-Look: volle Kante!
Einladung von James Glickenhaus
Vor dem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring stand vor dem Zelt von Glickenhaus das WEC-Hypercar, so wie es in Le Mans eingesetzt werden sollte. Als privater WEC-Rennfahrzeug-Hersteller hatte es der New Yorker Regisseur, Drehbuch-Autor und Geschäftsmann Glickenhaus immerhin zu zwei Pole-Positionen, vier Podestplätzen sowie dem dritten Gesamtrang in Le Mans 2022 gebracht. Toscanelli: „Ich fotografierte den Wagen und verfeinerte ihn am Com-puter. Just als Glickenhaus und sein Sohn einen Imbiss zu sich nahmen, zeigte ich den A4-Abzug. James Glickenhaus war total be-geistert und zeigte da Bild in seiner Truppe herum. Am Montag darauf erhielt ich eine Mail von Glickenhaus Junior, ob man dieses Bild kommerziell verwenden dürfe – es sei einzigartig. Außerdem sollte ich nach Italien kommen, um dort weitere Wagen aus dem `Glickenhaus-Fuhrpark´ zu fotografieren. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen!“
Ivan Toscanelli mit viel Liebe zum Detail
„Der Ferrari 312, den einst Jacky Ickx pilotierte und jetzt bei Uwe Meissner von Modena Motors steht, ist ein optischer Leckerbissen, den ich in allen Details aufnahm. Ganz gleich, ob Blick ins Cockpit mit dem Momo-Lenkrad oder die Perspektive der Ansaugtrichter mit der Hinterrad-Aufhängung samt Koni-Stoßdämpfern, mich hatte dieses Formel-1-Fahrzeug fasziniert. Nur bei den Rädern, wohl nicht ganz die originalen, habe ich den Fotoapparat ruhen lassen.“ Dieser Toscanelli-Beschreibung ist nichts hinzuzufügen. Das Procedere, um hinter einem Porsche 550 Spyder die Nürburg in Nebel zu hüllen, entstand freilich mit etwas Computer-Hilfe. Es gibt nichts Schöneres, als bei einer Szene wie dieser vor einem großen Bild-Abzug zu stehen und dann ein Bier zu trinken“. Sprach`s und griff zum Glas.
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Fotos: Ivan Toscanelli