Seit 1923 wurde 2020 zum 90. Male das bereits legendäre 24-Stunden-Rennen von Le Mans ausgetragen. Gegen den berühmten Le-Mans-Start mit Fahrer-Sprint protestierte 1969 nach Einführung der Sicherheitsgurte Jacky Ickx, indem er demonstrativ zu seinem, später siegreichen GT40 schlenderte. Seit 1970 geht es mit einem fliegenden Start in den Tanz rund um die Uhr, bei dem 2010 mit einer zurückgelegten Distanz von 5.410,713 ein neuer Rekord aufgestellt wurde.
“J`ai une idée”, vertraute der Journalist und Sekretär des Automobile CLub de l`Ouest Georges Durand dem Herausgeber der Fachzeitschrift „La Vie Automobile“ Charles Faroux an. Man könne doch ab 1923 eine Langstreckenprüfung für Serienfahrzeuge ausrichten. Als Serie wurde damals eine Stückzahl von 30 Autos festgelegt. Zusammen mit Emile Coquille vom Reifen- und Kompletträder-Hersteller Rudge-Whitworth legten die Herren die Eckdaten eines Straßenrennens südlich von Le Mans fest. Die dazu integrierten Landstraßen wurden zu einer Runde von 17,3 Kilometern zusammengefügt. Hubraum-schwache Wagen bis 1100 ccm durften als Zweisitzer starten. Die Hubraumstärkeren Kaliber mussten vier Sitzgelegenheiten aufweisen, wobei statt Personen-Belegung 60 Kilo Ballast mitgeführt werden mussten. Zunächst mussten die Fahrer die Betankung sowie alle nötigen Reparaturen mit Bordwerkzeug selbst erledigen. Nach einigem Hin und Her einigte man sich auf eine Renndauer von 24 Stunden ohne nächtliche Pause. Für die 6,5-Liter-Klasse war eine Mindestdistanz von 1600 Kilo-metern festgelegt, und in fünf Hubraumabstufungen waren dann für die kleinen Zweisitzer noch 920 Kilometer als Mini-mum angegeben. Durand versprach, sich um das Reglement und seine Einhaltung zu kümmern, Faroux übernahm die mediale Publizität, und Coquille sorgte für den finanziellen Anreiz mit einem Rudge-Whitworth-Cup, dotiert mit 100.000 Franc-Preisgeld. Der erste „Grand Prix Endurance 24 heures Coupe Rudge-Whitworth“ wurde am 26. Mai 1923 gestartet. Der blaue Chenard & Walcker, vom Entwicklungsingenieur dieses Autoherstellers André Ernest Paul Lagache und René Léonard pilotiert, sowie das Schwester-Auto von Raoul Bachmann und Christian Dauvergne entpuppten sich nach Einbruch der Nacht als siegverdächtig. Dem einzigen nicht-französischen Bewerber, einem bärenstar-ken Bentley, zertrümmerte Steinschlag die Scheinwerfer und sorgte auch für ein Leck im Tank. Damit war dieser Favorit im Aus. Lagache gewann mit vier Runden Vorsprung auf den zweiten Chenard & Walker, doch die Cup-Meriten gingen an den 1.1 Liter-Salmson der Paarung Desvaux/Casse, weil sie die Mindestdistanz um 83 Prozent überschritten hatten. Die 2209,536 Kilo-meter des Gesamtsiegers setzten freilich eine neue Messlatte. John Duff und Frank Clement, die mit ihrem Bentley 3 Litre Sport 1924 gewannen und auf 2077,340 Kilometer kamen, übertrafen ihre Kategorie um 54 Prozent. John Francis Duff, ein in China geborener Kanadier, war eigentlich nur nach Europa gekommen, um dem Vereinigten Königreich als Offizier zu die-nen. Kaum von seinen schweren Verwundungen in der Flandernschlacht genesen, begann er Rennen zu fahren. Als Bentley-Händler erhielt er Werksunterstützung und mit Clement den Testfahrer der Firma als Copilot. Duff endete mit einem PS unter dem Hintern – bei einem Reitunfall 1958. Lagache schied – wie auch im Folgejahr – mit diversen Defekten aus. 1925 und 1926 – inzwischen war der legendäre Startsprint der Fahrer eingeführt worden – hielt sich die Société de Lorraine-Dietrich mit ihren Typ B3-6 schadlos. Für diesen Autoher-steller aus Lunéville in Lothringen gewann zweimal André Rossignol, erst zusammen mit Gérard de Courcelles, dann mit Robert Bloch.
Die Bentley Boys überrollen Le Mans
1897 hatte der erst zweijährige Woolf Barnato die Millionen seines, auf der See-reise von Südafrika nach England verschol-lenen Vaters Barney geerbt. Mit seinen Kimberley-Diamanten-Minen in Südafrika hatte dieser zusammen mit Cecil Rhodes (Namensgeber von Rhodesien) ein Vermö-gen gemacht. Woolf, im Ersten Weltkrieg verdienter Offizier, schaffte es bald zum Mehrheitseigentümer und Vorstandsvorsitzenden von Bentley, da nur mit seinen Millionen Bentley existieren konnte. Er und ein paar anderen Herren aus bestem Hause – wie auch Sir Henry Ralph Stanley „Tim“ Birkin 3rd Baronet – hatten sich vorgenommen, mit den schweren „grünen Donnerwagen“ des Walter O. Bentley Furore zu machen. So stellte Woolf 1925 in Montlhéry über 24 Stunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 152 km/h einen neuen Weltrekord auf. Ein exklusiver Kreis um „Babe“, so nannte man Woolf, der in seinem Club in der Londoner St. James Street gelegentlich Wetten aus-heckte! Man erinnere nur an seine legendäre 200-Pfund-Wette, mit einem Bentley Speed Six von Cannes eher in London zu sein als der der legendäre französische Zug „Train Bleu“ in Calais. „Babe“ gewann mit vier Minuten Vorsprung. 1927 diktierten seine Freunde Dudley Benjafield und Sam-my Davis im Bentley 3 Litre Super Sport das 24-Stunden-Rennen. 1928 setzte er sich selbst ans Steuer eines 4,5-Liter-Bentleys und gewann zusammen mit Bernard Rubin. Im Bentley Speed Six wiederholte er seinen Sieg 1929 zusammen mit seinem Freund Tim und 1930 mit Glen Kidston. Damit war Woolf Barnato der erste Drei-fach-Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans.
Le Mans: Viermal Alfa Romeo 8C 2300 LM
Tief blaublütig gingen sie 1931 an den Start: Francis Richard Henry Penn Curzon 5th Earl Howe CBE, Sohn der Lady Georgina Elizabeth Spencer Churchill und Enkel des 7th Duke of Marlborough sowie der bereits genannte Sir Tim Birkin. Mit ihrem Alfa Romeo 8C 2300 LM erreichten sie einen neuen Rekordsieg: 3017,654 Kilo-meter. Howe war übrigens 1929 zum ersten Präsidenten des „British Racing Drivers Club“ gewählt worden, und seine Tochter heiratete später Piers Courage. Raymond Sommer gewann 1932 auf der auf 13,5 Kilometer verkürzten Strecke mit Luigi Chinetti und 1933 mit Tazio Nuvolari auf dem Alfa. Diesen setzte Chinetti auch 1934 ein und siegte zusammen mit Philippe Étancelin. 1935 holte sich der Lagonda M45R Rapide der Briten Johnny Hindmarsh und Luis Fontés den Sieg. Wegen eines General-streiks in Frankreich pausierte das Rennen 1936. Danach waren wieder einheimische Fabrikate „en vogue“. Mit einem Bugatti Type 57CS gewannen 1937 Jean-Pierre Wimille/Robert Benoist und 1939 unter Wimilles Bewerbung 1939 Eugène Chaboud/Pierre Veyron. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatten Veyron (heute Namensgeber eines Bugatti) und Chaboud – siegreich 1938 in einem Delahaye 135 CS – mit 3287,938 Kilometern einen neuen Rekord aufgestellt. In Europa gingen die Lichter aus, und an der Sarthe verstummte das 24-stündige Rennlärm-Konzert bis 1949.
Le Mans-Siege fast im fahrerischen Alleingang
1949 brachte der englische Herrenfahrer Peter Mitchell-Thomson, 2nd Baron Selsdon seinen Ferrari 166 MM Barchetta an den Start mit dem erfahrenem Haude-gen Luigi Chinetti als Pilot für 23 Stunden. Der Lord klemmte sich nur 60 Minuten hinters Lenkrad – immer dann, wenn Luigi `mal musste. Immerhin war Selsdon 1939 zusammen mit William 1rst Baron Waleran auf einem Lagonda V12 Vierter geworden. Chinetti bescherte sich den dritten Le Mans-Sieg sowie Ferrari den ersten. Als Le Mans-Gewinner lachender Dritter: sei-ne Lordschaft! Auch Louis Rosier, der Le Mans-Sieger 1950 drehte 23 Stunden am Volant und ließ sich in den verbliebenen 60 Minuten von seinem Sohn Jean-Louis vertreten. Louis, ehemals Motorrad-Rennfahrer auf einer Harley, hatte 1949 bei der Rallye Monte Carlo zusammen mit seinem Filius einen Klassensieg errungen – auf ei-nem Renault 4CV. 1950 debütierte Rosier auf einem Talbot-Lago T26C beim Grand Prix von England und wurde Fünfter– welch ein Aufstieg! Vor dem Start in Le Mans mit dem Talbot-Lago T26GS – nichts anderes als sein mit vier Scheinwerfern bestückter Formel-1-Wagen – schaute Juan Manuel Fangio vorbei und drückte ihm die Daumen. Mit Erfolg, denn Rosier hatte mit 3.465,120 Kilometern einen neuen Rekord aufgestellt. Den ersten von insgesamt sieben Jaguar-Erfolgen an der Sarthe holten sich 1951 die Briten Peter Walker und Peter Whitehead in einem XK 120C. Die beiden Peter verbesserten Rosiers Rekord, wurden aber im Folgejahr überflügelt. Stern-stunde für den Mercedes-Benz 300 SL von Hermann Lang und Fritz Riess am 15. Juni 1952: Lang, Sieger des GP von Belgien 1939 und der deutsche Sportwagenmeister von 1950 Riess überboten den Jaguar-Rekord um 122,607 Kilometer. Die Jagu-ar-Revanche gelang Tony Rolt und Duncan Hamilton 1953. Ihr C-Typ legte stattliche 4088,064 Kilometer zurück. Auf einem Porsche 550 Coupé holten sich Richard von Frankenberg und der rennerfahrene belgische Motorjournalist Paul Frère in die-sem Rennen einen Klassensieg. Die Scude-ria Ferrari gewann 1954 mit dem fülligen Argentinier José Froilán González und dem Franzosen Maurice Trintignant, Zweiter des GP von Belgien und WM-Vierter in jenem Jahr.
Die Katastrophe von Les Mans mit 85 Toten 1955
Als Ersatzfahrer für den beim Training zum GP von Monaco verletzten Hans Herrmann hatte Mercedes 1955 den Franzosen Pierre Levegh verpflichtet. Noch so ein Unermüdlicher, der einmal, nämlich 1952, 23 Stunden am Stück gefahren war, ehe ein Motorschaden alle Siegeshoffnungen zunichte machte! Der führende Mike Hawhorn überrundete links den Austin Healey von Lance Macklin und bremste sich dann abrupt nach rechts zum Boxenstopp ein. Macklin wich nach links aus, just als Leveghs Mercedes 300 SR mit rund 240 km/h heranbrauste. Der Franzose konnte noch mit einem Handzeichen seinen Teamgefährten Juan Manuel Fangio, der gerade dabei war, die Führung des Rennens von Hawthorn zu übernehmen, warnen. Fangio später: „Damit hat er mir das Leben gerettet.“ Die linke Hinterflanke des Healey traf den rechten Kotflügel des SLR und schickte ihn über den kleinen Lattenzaun, hinter dem sich die Zuschauer drängten. Beim Überschlag des Mercedes wurde Levegh herausgeschleudert und der aus dem Wagen herausgerissene Motor schlug wie eine Bombe in der vollbesetzten Tribüne ein. Da der Magnesium-Tank geplatzt war, brannte die Szenerie lichterloh. Die Löschversuche – mit Wasser natürlich völlig falsch – dauerten Stunden. Um keine Massen-Panik auszulösen, ging das Rennen weiter. Die Aktion auf der Piste sollte die Blicke ablenken. Die Toten, Levegh und 84 Zuschauer, wurden mit Tüchern abgedeckt, nahezu 120 Verletzte so gut es ging versorgt. Mercedes zog nachts seine Mannschaft aus Respekt vor den Opfern zurück und überließ Jaguar mit Mike Hawthorn und Ivor Bueb die Siegesfahrt. Eingesetzt von der Ecurie Ecosse, waren die D-Typen von Jaguar auch 1956 und 57 mit Ron Flockhart erfolgreich.
Sieben Ferrari-Siege in acht Rennen
Als erster Vierfach-Dominator von Le Mans trug sich der Belgier Olivier Gendebien mit Siegen 1958, 60, 61 und 62 in die Annalen des 24-Stunden-Klassikers ein. Dreimal sein Co: der Formel-1-Weltmeister von 1961 Phil Hill. 1960 teilte er sich die Meriten mit seinem Landsmann Paul Frère. In die sich andeutende Ferrari-Herrschaft platzte 1959 freilich der Aston Martin DBR1. Nachdem Stirling Moss bis zu seinem Ausfall die Konkurrenz regelrecht verschlissen hatte, war der Weg frei für seine Teamkameraden. So feierten Carroll Shelby und Roy Salvadori sowie Maurice Trintignant und Paul Frère einen Jaguar-Doppelsieg. Ferrari SEFAC gewann 1963 mit Lorenzo Bandini und Lodovico Scarfiotti auf einem 250P und im Jahr darauf mit Jean Guichet und Dr. Nino Vaccarella auf einem 275P. Ford blies 1965 mit einem Aufgebot von elf Wagen – sechs GT40 und fünf Cobra – zum Generallangriff auf Ferrari mit ein gleichgroßen Streitmacht. Die 24 Stunden forderten einen unglaublichen Tribut: nur der Ford-Cobra 4,7 GT von Sears/Thompson und zwei von sieben Porsche im Ziel. Doch die Stuttgarter feierten mit Herbert Linge und Peter Nöcker als Gesamtvierte immerhin einen grandiosen Klassensieg. Fünf Ferrari kamen durch, doch der Sieg ging nicht an die Scuderia selbst, sondern an das North American Racing Team. Masten Gregory hatte sich Jochen Rindt an Bord seine 250 LM geholt, und der in Mainz geborene Österreicher bewies, dass er nicht nur im Monoposto schnell sein konnte, sondern auch auf der Langstrecke Qualitäten besitzt. Jochens einziger Stress: „Wir führten, und so wollte Masten die letzte Stunde in dieser Position genießen. Da stehst du in der Box und kannst nichts machen als zu hoffen. Das nervt ganz schön.“ Mit Dumay/Gosselin kam eine französische Ferrari-Equipe um 75 Kilometer abgeschlagen auf den zwei-ten Platz. Der belgische Ferrari von Mairesse/ „Beurlys“ landete mehrere Runden dahinter.
Shelby-American lässt Ford triumphieren
Canossa-Gang für Ferrari-Rennleiter Eugenio Dragoni: Am Sonntagmorgen des 19. Juni 1966 musste der Ferrari-Intimus dem Comendattore beichten, dass nach allen Dinos auch der letzte der P3-Werks-wagen ausgefallen war. Die Ford GT40 Mk II von Shelby-American feierten mit McLaren/Amon, Miles/Hulme und Buck-num/Hutcherson einen grandiosen Dreifachsieg. Dahinter brillierten gleich vier Porsche Carrera 6 im Gesamtklassement und in der Klasse. Bester Ferrari und mit Klassensieg: der 275 GTB/C von Maranel-lo Concessionaires mit Piers Courage und Roy Pike. 1967 konnten sich zwischen den siegreichen Ford Mk IV von Dan Gurney und A. J. Foyt und dem viertplatzierten, von Kupplungsproblemen geplagten Mk IV von Bruce McLaren und Mark Donohue immerhin die Ferrari 330 P4 von Scarfiotti/Parkes und von Mairesse/ „Beurlys“ schieben. Dahinter je zwei Porsche 910 und Carrera 6. Im Beisein der Motorimperiums-Herrscher Henry Ford II und Giovan-ni Agnelli trafen die Streitkräfte – 13 Ford gegen zehn Ferrari – aufeinander. Dazu die Feldherren: Carroll Shelby und Franco Lini. Und auch Porsche war mit zehn Wagen vertreten. Fords anfängliche Dominanz wurde freilich vier Uhr morgens getrübt, als Mario Andrettis Mk IV im „S“ von Tertre Rouge in einen Wall einschlug und seine nachfolgenden Teamkollegen Jo Schlesser und Roger McCluskey nicht ausweichen konnten. 1968 und 69 triumphierten die GT40 Mk. I von John Wyer Automotive Engineering mit Pedro Rodriguez und Lucien Bianchi sowie im Folgejahr Jacky Ickx und Jackie Oliver.
Erster Porsche-Gesamtsieg in Le Mans 1970
Im Training waren sie nur auf Platz 16: Hans Herrmann und Richard „Dick“ Atwood auf dem 4,5-Liter-917er von Porsche Salzburg, während sich ihre 917er-Kollegen Elford/Ahrens und Siffert/Redman mit den Ferrari 512S von Vaccarella/Giunti und Re-gazzoni/Merzario um die vorderen Plätze gebalgt hatten. Doch nach Ausfall des füh-renden Wyer-Gulf-Porsche von Jo Siffert und Brian Redman in der Nacht lagen sie plötzlich vorn und gewannen vor Gérard Larrousse und Willi Kauhsen auf einem Martini-917er. Rudi Lins und Dr. Helmut Marko im Porsche 908/2 wurden Dritte und gewannen den Leistungsindex. Beim Verbrauchsindex sahnte Porsche komplett ab. Die Ferrari 512S mussten sich mit den Plätzen vier und fünf begnügen, die rest-lichen neun 512S fielen aus. Die Optik des Porsche Nr. 23 von Reinhold Jöst und Willi Kauhsen war 1971 der „Eyecatcher“ von le Mans doch die „wilde Sau“ vom Martini-Team, bis zur zehnten Stunde Fünfte, wurde nachts geschlachtet. Das Schwester-Auto des Teams, die Nr. 22 mit Dr. Hel-mut Marko und dem holländischen Junker Gijs van Lennep, gewann mit 5335,313 Kilometern Distanz vor „Dick“ Atwood und Herbert Müller in einem Wyer-917er und dem 512M des North American Racing Teams mit Sam Posey/Tony Adamowicz. Erneut raffte es viele Ferrari 512M weg – diesmal gleich 13. Einziger Trost: der Ferrari 365 GTB – und auch dieser unter US-Bewerbung – von Chinetti/Grossmann gewann den Verbrauchsindex.
Matras Sieges-ABC in Le Mans
Überschattet vom Tod des Schweden Joakim Bonnier – hinter Reinhold Jöst im 908 Langheck zweitschnellster auf der Mulsanne-Geraden – gab es einen Doppelsieg der Matra-Simca MS670(A) mit Henri Pescarolo und Graham Hill sowie Francois Cevert und Howden Ganley. Bei einem missglückten Überholmanöver war der Lola T280 des schwedischen Gentlemans und GPDA-Präsidenten auf den Ferrari Daytona GT des Schweizers Florian Vetsch geprallt und über die Leitplanken in den Wald geflogen wo er mehr als ein Dut-zend Bäume abrasierte. Mit der B-Version des Matra MS670 siegte Henri Pescarolo 1973 erneut, jetzt zusammen mit Gérard Larrousse. Die Ferrari 312PB-Paarung Artu-ro Merzario und Carlos Pace musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. Die Indexwertung ging an das Porsche-Carrera- RSR-Trio Kremer/Keller/Schickentanz und bei den Tourenwagen lag der BMW 3,3 CSL von Dieter Quester und Toine Heze-mans vorn. Der Matra MS670C der Equipe Gitanes sorgte 1974 für viel blauen Dunst. Unter den Augen von René Thomas, In-dianapolis-Winner 1914, holten Pescarolo/Larrousse erneurt den Sieg. Diesmal vor dem Martini-RSR von Gijs van Lennep und „Stumpen-Herbie“ Herbert Müller sowie dem Matra von Jabouille /Migault. Franco Lini, jetzt als Journalist an der Sarthe, und Carroll Shelby als Besucher amüsierten sich köstlich darüber, wer am besten mit homologierten Fahrzeugen gemauschelt hatte, als der Schreiber dieser Zeilen ih-nen Thomas vorstellte. Und der Indy-Greis hatte auch einen amüsanten Beitrag: „ Als 1913 Monsieur Goux schon während des Indy-Rennens seinen siegreichen Peugeot begießen konnte und auf dem Siegerpodest eine weitere Flasche Champagner soff, hatte ich eigentlich gehofft, bei meinem Sieg 1914 auch dieses edle Getränk schlürfen zu können. Pech gehabt, seit Goux herrschte hier Alkoholverbot!“
Siegesserie von Jacky Ickx in Le Mans
1975 und mit Gijs van Lennep 1976 sowie Jürgen Barth 1977 im Martini-Porsche 936 feierte Jacky Ickx drei Siege in Folge. 1978, zusammen mit Bob Wollek und erneut Jürgen Barth, musste sich der Belgier im 936 des Jöst-Teams dem überlegenen Renault Alpine A442 des französischen Fahrer-Trios Pirioni/Jaussaud/Jabouille beugen. 1979 trat der Hollywood-Star Paul Newman zusammen mit Rolf Stommelen im Porsche 935 von Dick Barbour an. Newmans Hype um seine Person ließ seine Mitstreiter regelrecht verblassen. Barbour hatte ihm alle Interviews untersagt, damit sich Newman in Ruhe auf sein Le-Mans-Debüt vorbe-reiten konnte. Uwe Mahla von „rallye racing“ hatte freilich den Redaktionsauftrag: Newman-Interview, egal wie! Dazu der damals 33jährige Jurist: „ Ich drückte Rolf Stommelen, den ich gut kannte, einen Zettel mit fünf Fragen in die Hand und sagte ihm, dass sein Gespräch mit dem Promi im Team gebührend veröffentlicht werde.“ Rolf, der seine Präsenz in den Medien genoss, rapportierte umfänglich und lieferte Mahla viele brauchbare Zitate des berühmten LeMans-Teilnehmers mit ihm als ausgewiesenem Fragesteller. Dass dieses Team trotz eines klemmenden Radbolzens
in der 22. Stunde den zweiten Platz des Gesamtklassements holte, wertete die Sto-ry zusätzlich auf. Neben dem Filmstar hatten auch Mitglieder der Popgruppe „Pink Floyd“ das Rennen beendet: Schlagzeuger Nick Mason, Lola-Ford T297, als 18. und Manager Steve O`Rourke, Ferrari 512 BB, als Zwölfter. Für die Sensation sorgte allerdings das Kölner Kremer-Porsche-Team: Sieg für Klaus Ludwig zusammen mit Bill und Don Whittington. Pech dagegen für das Porsche Werksteam: Als Jacky Ickx mit einem gerissenen Keilriemen auf der Strecke stehen blieb, hatte ein herbeigeeilter Mechaniker ihm nicht nur gute Einbau-Ratschläge gegeben, sondern den Ersatzriemen dezent neben dem Fahrer ins Gras fallen lassen. Wegen der nicht erlaubten, da mit Bordmitteln vorgeschriebenen, Reparatur wurde das Team Ickx/Redman disqualifiziert. Einen erstaunlichen sechsten Platz gesamt holte Manfred Winkelhock in dem von Andy Warhol in nur 28 Minuten farbig gestalteten Popart-BMW M1, der in der IMSA-Kategorie hinter dem Barbour-Porsche Zweiter wurde. Mit einem von ihm konstruierten und gemeldeten Rondeau M379 holte sich Jean Rondeau zusammen mit Jean Pierre Jaussaud den Sieg 1980. Ein
Le-Mans-Unikat: Bewerber, Konstrukteur und Fahrer in Personal-Union! Jacky Ickx, der hier mit Reinhold Jöst nur Zweiter vor einem weite-ren Rondeau geworden war, wollte sich eigentlich aus Le Mans zurückziehen. Denks-te! Im Werks-Porsche 936/81 gewann er zwölf Monate später und setzte 1982 mit dem Porsche 956 noch einen sechsten Sieg drauf. Derek Bell, mit ihm unterwegs, er-höhte sein Sieges-Konto auf drei Erfolge.
Sieben fette Porsche-Jahre in Le Mans
Nach 1981 und 82 gewann Porsche mit dem Rothmans-956 auch 1983, Fahrer: der Australier Vern Schuppan, ein guter Freund des Schreibers dieser Zeilen, sowie die US-Boys Hurley Haywood und Al Holbert. Die Porsche 956B von New-Man-Joest Racing siegten 1984 und 85. Klaus Ludwig teilte sich dabei das Cockpit jeweils mit Henri Pescarolo sowie mit Paolo Barilla und Louis Krages alias „John Winter“. Danach folgten zwei Siege der Rothmans- Werks-Porsche. In beiden Fäl-len mit der Fahrer-Kombination Derek Bell, Hans-Joachim Stuck und Al Holbert. Das von Porsche verlassene Terrain übernahm 1988 und 1990 Silk-Cut-Jaguar. Die Siegerpaarungen: Jan Lammers, John Colum Crichton-Stuart 7th Marquess of Bute, einfachheitshalber Johnny Dumfries genannt, und Andy Wallace sowie John Nielsen, Price Cobb und Martin Brundle. Dazwischen brillierte das Sauber-Mercedes-Team mit Jochen Mass, Manuel Reuter und dem Schweden Stanley Dickens. Völlig unerwartet feierten Johnny Herbert, Volker Weidler und Bertrand Gachot im Mazda 787B 19091 ein Triumph. Erster und bis 2018 einziger Sieg eines japanischen Fabrikates an der Sarthe – und der mit einem Wankel-Rotationsmotor, dessen 700 PS ohne Tur-bo auskamen. 1991 und 92 folgten zwei Erfolgsjahre von „Peugeot Talbot Sport“. Die Peugeot 905 Evo 1B lenkten Yannik Dalmas/Derek Warwick/Mark Blundell und Éric Hélary/Christophe Bouchut/Geoff Brabham. Unter „Le Mans Porsche Team“ des Nürnbergers Jochen Dauer trug sich der Dauer 962 LM, eine GT1-Variante mit Straßenzulassung, basierend auf dem Porsche 962C vergangener Jahre, in die Siegerliste 1994 ein. Das edle Gefährt, auf der IAA des Vorjahres präsentiert, siegte mit den Piloten Yannik Dalmas, Hurley Haywood und Mauro Baldi. Dalmas war es auch, der den McLaren F1 GTR von „Kokusai Kaihatsu Racing“ zusammen mit Masanori Sakiya und JJ Letho 1995 zum Sieg fuhr, weil der führende Courage-Porsche wegen eines Leitplanken-Kusses von Mario Andretti sechs Runden an den Boxen verloren hatte. Dann lag der McLaren von Derek Bell und seinem Sohn Justin sowie Andy Wallace vorn, hatte aber Mühe beim Anspringen und wurde nur Dritter. Weitere McLaren mit BMW-S70 6,1-Liter-V12-Triebwerken folgten.
Eckensteher zum zweimaligen Le Mans Erfolg geführt
Zwei Chassis von Tom Walkinshaw Ra-cing (TWR), basierend auf dem von Ross Brawn entwickelten Jaguar XJR-14, sollten ursprünglich von Porsche bei der IMSA-Serie eingesetzt werden, doch bei ersten Daytona-Tests mit Mario Andretti lagen die Zeiten weit hinter den Ferrari 333 SP und dem Kremer K8 Spyder zurück. Lange standen die TWR-Porsche WSC-95 In einer Werkstatt-Ecke von Weissach, bis sie Rein-hold Jöst enddeckte. Porsche selbst war zu sehr mit seinem GT1-Projekt beschäftigt, so dass man Jöst dankbar war, sich um einen Le-Mans-Einsatz mit den TWR-Por-sche zu kümmern. Reinhold, auch „Mister Le Mans“ genannt, machte seinem Beinamen einmal mehr alle Ehre. Die TWR-Porsche WSC-95 gewannen 1996 mit Alexan-der Wurz, Manuel Reuter und Davy Jones und 1997, Fahrer: Tom Kristensen, Michele Alboreto und Stefan Johansson. Inzwischen war der GT1 der Porsche AG so ge-reift, dass ihn 1998, Laurent Aiellio, Allan McNish und Stéphane Ortelli zum Sieg fuhren. Le-Mans-Routinier Yannik Dalmas bescherte dann zusammen mit Joachim Winkelhock und Perluigi Martini dem Team BMW Motorsport 1999 den Sieg mit dem LMR, bestückt mit dem bewährten V12-Triebwerk.
Audi Sport Team Joest – eine weitere Erfolgsstory
Zwischen 2000 und 2002 führte in le Mans kein Weg an den Audi R8, von Reinhold Jöst eingesetzt, vorbei, und dreimal hintereinander siegte das dänisch-deutsch-italienische Trio Tom Kristensen, Frank Biela und Emanuele Pirro. Seinen vierten Le-Mans-Sieg errang Tom freilich auf einem Bentley Speed 8, gut für die zum VW-Konzern gehörende britische Marke. Audi heißt ja aus dem Lateinischen übersetzt „höre“, und damit auch der ja-panische Markt Audi-hörig wird, siegte Tom zusammen mit Nippons Seiji Ara und Rinaldo Capello auf einem R8 vom Audi Sport Team Japan. Über die nächsten Au-di-Erfolge, zwei für US-Teams und einer für Jöst, berichtet Marco Werner – er gewann sie alle drei. 2008 sahnte noch einmal das Team „ Audi Sport North America“ ab. Auf einem R10 TDI holte Tom Kristensen seinen achten Le-Mans-Sieg. Jetzt wollte es Peu-geot noch einmal wissen. Geoff Brabhams Bruder David dieselte zusammen mit Alexander Wurz und Marc Gené einen Peugeot 908 HDI FAP zum Sieg. 2010 folgte der Distanz-Rekord von 5.410,713 Kilometern, aufgestellt mit einem Audi R15 TDI Plus von Audi Sport North America, Fahrer: Mike Rockenfeller, Romain Dumas und Timo Bernhard. Übrigens: Die Luftlinie London-New York beträgt gerade `mal 170 Kilometer mehr. Die Le-Mans-Klassiker la-gen zwischen 2011 und 2014 wieder fest in der Hand vom Audi Sport Team Joest. Damit war die Truppe des Odenwälders Reinhold Jöst mit Abstand am erfolgreichsten und feierte bis 2020 mehr Siege als das Porsche-Werksteam: je drei Siege von André Lotterer, Benoit Tréluyer und Marcel Fässler sowie der Erfolg von Allan McNish, Loic Duval und Tom Kristensen. Damit ist Tom Kristensen Le Mans` „Fahrer-König“.
Hybrid-Finale in Le Mans: jeweils dreimal Porsche und Toyota
Audi R18 etron quattro mit höchster Topspeed versus Zuverlässigkeit eines Porsche 919 Hybrid und die Toyota TS40 als vorläufige Statisten: So bot sich Le Mans 2015 dar. Audi verlor wegen technischer Probleme, die zusätzliche Stopps erforderten, andererseits machte Porsche schon pro Tankstopp fünf Sekunden gut. Schließlich musste alle 13 Runden getankt wer-den. Vom Nissan GT-R LM schweigen wir lieber, denn deren bester LMP1 verbrachte insgesamt acht Stunden an den Boxen. Nach siebzehn Jahren Abstinenz siegte wieder ein Werks-Porsche – unerwartet mit der Besatzung Nico Hülkenberg, Nick Tandy und Earl Bamber im dritten Wa-gen des Teams. Wegen Vertauschens von einem elektronischen Motoren-Kontrollsiegel musste Audi kräftig blechen. Eigentlich waren sie gleichschnell die LMP1 von Porsche, Audi und Toyota 2016 in Le Mans, doch in einem dramatischen Duell zwischen Porsche und Toyota – Audi scheiterte an seiner Technik – kämpfte am Schluss nur noch der Porsche von Romain Dumas, Marc Lieb und Neel Jani gegen zwei Toyo-ta. Doch ein Dreher quer durchs Kiesbett maltraitierte den Wagen von Kamui Ko-bayashi so, dass er nicht mehr für den Sieg infrage kam. Den hatte aber sein Lands-mann Kazuki Nakajima vor Augen, als drei Minuten vor Schluss sein führender Toyota mit einem Getriebeschaden stehen blieb. Auch 2017 stand Fortuna Porsche zur Seite: Zusammen mit den „Aussies“ Bren-don Hartley und Earl Bamber siegte Timo Bernhard. 2018 durfte das Land der auf-gehenden Sonne erstmals lächeln: Nach dem LMP1-Porsche-Rückzug dominierte Gazoo Toyota Racing mit Sébastien Buemi, Kazuki Nakajima und Formel-1-Exweltmeister Fernando Alonso vor dem Toyota TS050 Hybrid von Mike Conway, Kamui Kobayashi und dem Argentinier José Maria López. Genau so lautete auch der Zieleinlauf 2019, aber nur, weil Reifenschäden den zweiten, schnelleren Toyota zurück geworfen hatten. Im Ziel fehlten knapp 17 Sekunden. Sébastien Buemi, Kazuki Nakajima und Brendon Hartley feierten 2020 den Toyota Hattrick, während sich das Schwesterauto mit gleicher Crew wie im Vorjahr dem Schweizer Rebellion R13 mit Bruno Senna, Norman Nato und Gustavo Mendez geschlagen geben musste.
Porsche und Kristensen über alles
Fazit der Geschichte der 24 Stunden von Le Mans nach 90 Rennen: Porsche mit 18 Siegen vor Audi (13), Ferrari (8), Jaguar (7), Bentley (6), Alfa Romeo und Ford (je4) sowie Peugeot, Matra-Simca und Toyota (je 3). Die meisten Fahrer-Meriten holte Tom Kristensen (9 Siege) vor Jacky Ickx (6), Derek Bell, Frank Biela und Emanuele Pirro (je 5), Olivier Gendebien, Henri Pescarolo und Yannick Dalmas (je 4) sowie Woolf Barnato, Jean-Pierre Jaussaud, Al Holbert, Klaus Ludwig, Marco Werner, André Lotterer, Benoit Tréluyer, Sébastien Buemi und Kazuki Nakajima (je 3).
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