13.643 Kilometer über Geröll und durch den Wüstensand, alten Karawanen-Wegen bei sengender Hitze folgend: Die Rallye Paris-Dakar 1986 forderte der Fahrzeugtechnik alles ab – auch mit einem ungeheuren Verschleiß an Reifen und Stoßdämpfern. Für die drei Werks-Porsche 959, als „Offroader“ umfunktioniert, eine Materialprüfung, die mit Bravour gemeistert wurde: Doppelsieg, und der begleitende Techniker-959 platzierte sich auf dem sechsten Rang. Jetzt feierte Jacky Ickx ein Wiedersehen mit dem erfolgreichen Dakar-Porsche – in einer schneebedeckten Kiesgrube.
Werfen wir einen Blick zurück. „Nachdem 1985 unsere drei Wagen bei der Paris-Dakar ausgefallen waren“, so Porsche-Entwicklungs-Vorstand Prof. Helmuth Bott, „war das so niederschmetternd, dass wir uns sagten, dass wir noch einmal antreten müssen, obwohl wir die Schnauze voll hatten.“ Und so stürzte sich Porsche erneut in das Wüsten-Abenteuer. René Metge, bereits 1981 auf einem Range Rover und 1984 auf Porsche 953 Dakar-Sieger, und Jacky Ickx, hier 1983 auf einem Mercedes erfolgreich, bildeten einen erfahrenen Fahrer-Stamm, den Porsche-Entwicklungs-Ingenieur Roland Kußmaul komplettierte. Immerhin hatte Kußmaul als Co bei Björn Waldegard im Rallye-Monte-Carlo-Einsatz wertvolle Erfahrungen sammeln können. Natürlich stellte Nordafrika ganz andere Anforderungen.
Mitfahrer-Erlebnisse im Porsche 959
Rallyeracing-Mitarbeiter Bernhard Schmidt, damals über 834 Kilometer hinter Kußmaul und Co-Pilot Handrik Unger im 959 eingeklemmter Mitfahrer am 14. Tag der Rallye auf der Etappe von Bamako über Mali nach Labe in Guinea, erinnert sich: „ Das entsprach einer Distanz von Hamburg nach München, zurück gelegt nicht auf Autobahnen sondern auf Feldwegen.“ Und ergänzt. „Freilich sind deutsche Feldwege Gold gegen diese Sahel-Wüste, übersät mit Unterholz voller Dornen. Die Dinger sind fünf Zentimeter lang und hart wie Stahl. Als wir dem Lada Niva von Lartique/Giroux zu folgen versuchten, bohrte sich in der Dunkelheit einer dieser Dornen in die Dunlop-Kevlar-Reifen unseres Porsche.“ Richtig russisch waren damals an den Ladas, in denen Formel-2-Triebwerke ihre Arbeit verrichteten, nur die Äußerlichkeiten. So landete dieses sozialistische Mobil vor Kußmauls westlichem High-Tech-Gerät in der Automobilwertung. Auch bei den Lastwagen gehörte der russische Kamaz – einfach und deshalb unverwüstlich „gestrickt“ – sogar noch bis 2022 zu den dominanten Trucks: mit insgesamt 19 Siegen, sieben davon mit Wladimir Tschagia hinter dem Lenkrad. 1986 wurde das Lkw-Geschehen freilich von deutscher Technik beherrscht. So belegte Hans Heyer mit Co-Pilot Manfred Winkler und dem Sport-Auto-Journalisten Yörn Pugmeister – als auch fremdsprachlich versiertem Franzer – auf einem MAN 14240 SAEG hinter einem Mercedes-Unimog den zweiten Rang. Hans Heyer damals: „Irgendwann erreichten wir nach `Pugs´ Unterlagen ein trockenes Flussbett zur Weiterfahrt und wunderten uns, dass die gesamte Rallye-Karawane an uns vorbeizog – jedoch in entgegengesetzter Richtung. Auch das Porsche-Werksteam!“ Ein lächelnder Yörn:“ Wir fuhren nach dem Flussbett völlig querbeet weiter und erreichten das Etappenziel gerade noch in der Karenzzeit, während der Rest der Rallye mit großer Verspätung eintrudelte und zehn Strafstunden aufgebrummt bekam.“ Diese letzten Dakar-Tage erlebte der an einen Rollstuhl gefesselte Clay Regazzoni in seinem auf Handgas umgerüsteten Truck nicht mehr. Er war bereits in der Ténéré-Wüste gestrandet.
Die Wüste forderte ihren Tribut
Hier in der Ténéré, der berühmt-berüchtigten südlichen Sahara-Region im Niger, war in einem Sandsturm auch der Begrün-der der Rallye Paris-Dakar, Thierry Sabine, am 14. Januar1986 mit seinem Hubschrauber abgestürzt. Er, sein Pilot Francois Xavier-Bagnoud, der Funker Jean-Paulle Fur, der Chansonnier Daniel Balavoine und die Journalistin Nathalie Odent hatten keine Überlebenschance. Sabine hatte noch den Anstoß zum Fußball-Spitzenspiel Malis, nämlich Gao gegen Mopti, gegeben, und war deswegen erst bei einbrechen der Dunkelheit gestartet. Der vierfache Le Mans-Sieger Henri Pescarolo, Inhaber einer Pilotenlizenz und bei der Rallye für das französische Fernsehen im Heli dabei, erklärte: „Das war unverantwortlich!“ Auch ohne Sandsturm ist diese „Wüste aller Wüsten“ – größer als die Bundesrepublik Deutschland – eine Herausforderung der besonderen Art. Jacky Ickx: „ Theoretisch kann man hier teilweise mit Tempo 200 fahren, aber das wäre in der Praxis viel zu gefährlich, denn plötzlich taucht vor einem ein Dünen-Loch auf.“ Nur zwischen Agadez und Dirkou ist „full speed“ angesagt. Der Ritt über die Wellenkämme aus Sand ist wohl nur eine Spezialität von Stéphane Peterhansel, der die Dakar 14 Mal – sechs Zweirad-Erfolge und acht auf vier Rädern – gewonnen hat. Ein Rekord für die Ewigkeit! Und der absolute Wüstenfuchs Stéphane ist noch immer unterwegs – 2022 mit einem Audi RS Qetron. Trauriges Fazit: Von vielen Dakar-Toten hat die Ténéré hat so manchen Teilnehmer – meistens auf zwei Rädern unterwegs – verschlungen.
Zwangspause für den Porsche 959
Als Roland Kußmaul nachts beim Etappenziel Labé ankam, gab es am nächsten Morgen ein unerfreuliches Erwachen: Pässe und Geld waren geklaut worden, und von den Service-Trucks waren weit und breit noch nichts zu sehen. Aus dem für acht Uhr geplanten Start nach Kayes wurde ohnehin nichts, da viele Teilnehmer noch nicht einmal eingetroffen waren. Patrick Verdois, Sabines Nachfolger als Fahrtdirigent, musste eine eintägige Pause einlegen, bis auch die Service-Fahr-zeuge angekommen waren. Auf der letzten großen Schleife nach Dakar demonstrierte der Allrad-Porsche 959 erneut seine Überlegenheit. Da hatten sogar die dem Rallye-Tross folgenden Helikopter ihre Mühe mithalten zu können. Die Duos René Metge/Dominique Lemoyne und Jacky Ickx/Claude Brasseur ließen nichts mehr anbrennen und verwiesen den Mitsubishi Pajero und den Lada von Lartique/Giroux deutlich auf die Plätze. Ebenso souverän beherrschte bei den Zweirädern Honda mit der XLV 750 die Szenerie.
Wiederinbetriebnahme 2023
Während das Dakar-Siegerfahrzeug unangetastet bleibt – „das halten wir sozusagen in einer Zeitkapsel“, so Kuno Werner, Leiter der Porsch-Museums-Werkstatt – wurde der Ickx 959 zerlegt und neu aufgebaut. Werner weiter: „Wir möchten den gebrauchten Zustand beibehalten und das Fahrzeug nur sanft überarbeiten, dennoch soll es technisch einwandfrei bleiben.“ Dieses Rallye-Fahrzeug, mangels genügender Benzin-Qualität bei der Dakar mit einem auf 400 PS reduzierten Boxer-Turbomotor, wurde von Porsche Classic demontiert, revidiert und wieder zusammengebaut. Alle Bauteile waren kaum lädiert, und auch waren weder größere Deformierungen noch Korrosionsschäden feststellbar. Um bei der Restaurierung möglichst viel Originales zu erhalten, musste äußerst sorgsam agiert werden, um den Wagen wieder genau auf sein damaliges Leergewicht von 1260 Kilo zu bringen. Dieses wurde durch Türen und Hauben aus Kevlar und nicht zuletzt durch gelochte Bremsscheiben erzielt. Bei der Demontage des 959 wurden vorsichtig Wüstensand, Dreck und schlammähnliche Rückstände von Fluss-Durchquerungen, bei denen das Wasser im Innenraum stand, entfernt. Kleine Korrosionsstellen, an den Punkten, wo Karosserie-Teile am Metallrahmen gescheuert hatten, wurden nicht repariert, sondern nur konserviert. Uwe Makrutzki, Leiter der Porsche-Classic-Abteilung, konstatierte: „Der 959 Paris-Dakar ist ein Technologieträger, und schon allein deshalb ist seine Wiederinbetriebnahme emotional aufgeladen. Im Jahr 1986 wurde das Auto gefordert, jetzt sind wir dran!“ Sein Getriebe-Spezialist Klaus Kariegus fügte angesichts der Sahara-Sand-Relikte an und im 959 hinzu: „ Das Fahrzeug hat seine Qualität und Robustheit unter Beweis gestellt, selbst Sand und Staub aus dem harten Rallye-Einsatz konnten der Technik nichts anhaben.“
Jacky Ickx: Porsche 959- Rollout im Schnee
Porsche hatte Jacky Ickx eingeladen, den sanft überarbeiteten zweitplatzierten 959 der Rallye Paris-Dakar als Erster wieder einmal zu pilotieren. „Tatort“: ein schnee-bedeckter Steinbruch, der zugleich auch als Schrottplatz für alte Baumaschinen verschiedenster Provenienz dient. Mit an Bord: Porsche-Werks-Pilot Timo Bernhard. Der FIA-Langstrecken-Weltmeister von 2015 und 2017 schwärmte von dem Ritt mit seinem noch berühmteren RennfahrerKollegen. Jacky Ickx fasste diese erste Fahrt nach fast vier Dekaden in drei Worten zusammen: „Erinnerungen, Emotionen, Leidenschaft! Dass damals der gesamte Porsche-Einsatz vor Ort von lediglich 18 Mann bestritten wurde, ist angesichts des heutigen personellen Aufwandes kaum nachvollziehbar. Eine tolle Truppe!“ Ickx ergänzend zu diesem 959: „ Jeder wollte das Auto damals auf der Straße fahren, doch dann entschied sich Porsche, den 959 für eine Rallye in die Wüste zu schicken. Es ist fantastisch, dass ich Teil dieser Geschichte sein durfte und noch heute darf. Es war eine unglaubliche Herausforderung und zugleich eine perfekte Teststrecke für das Allrad-Getriebe.“ „Die Wüste ist wie das Meer, keine Düne und keine Welle gleicht der anderen“, so umreißt Ickx die damaligen Streckenverhältnisse, sprach`s und ließ den Schnee aufwirbeln.
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Fotos: Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG