Die Vorfreude war diesmal besonders groß auf den «Curbs Trackday», denn es ging nach «Bella Italia», genaugenommen in den königlichen Park von Monza, Italiens Traditionsrennstrecke. Fredy Lienhard hat mich eingeladen, seinen Ferrari 333 SP auf «Kuno Schaer`s Trackday» zu fahren. Was gibt es Passenderes, als einen Ferrari auf der traditionsreichen Strecke von Monza bewegen zu dürfen. Schon die Anreise ist speziell, sie führt durch Wohngebiete, als das Navigationssystem nur noch wenige hundert Meter ansagt. Jede andere Stre-cke liegt meist weit ausserhalb der Städte. Es geht durch enge Gassen und dann führt die Straße uns in den königlichen Park. Hohe Jahrhunderte alte Bäume weisen uns den Weg Richtung Fah-
rerlager, hier und da ein altes Gemäuer mit italienischen Flair. Sofort fährt einem viel Geschichte von Monza durch den Kopf, hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Eigentlich erwartet man eher einen ruhigen Weiher oder ähnliches anstatt einer Rennstrecke in dieser traumhaften Umgebung. Ich betrete die Box und da steht er, der Ferrari 333 SP. Die Spannung ist ähnlich wie 1997, als ich das Fahrerlager von Anderstorp zum International Sports Race Series (ISRS) Rennen betrat und erstmals jenen Ferrari 333SP sah, den ich mir mit Giovanni Lavaggi teilen sollte. Damals kam unverhofft der Anruf zum Einsatz in der ISRS Serie, und wir schrappten knapp am Podium vorbei. Aber wie üblich mal wieder ohne jegliche Testfahrten zuvor, konnte ich damit zufrieden sein, Vierter zu werden und mit dem zeit-weise dritten Platz meine Visitenkarte ab-gegeben zu haben. Mein allererster Kon-takt geht jedoch auf das Jahr 1995 zurück, als ich beim 24 Stunden Rennen in Day-tona die favorisierten Ferraris sah. Jeder hat sicher irgendein Bild seines Lebens im Kopf, ich habe heute noch das Bild vor Au-gen, wie ich in Daytona in der Nacht einen Ferrari 333SP ausgebremst habe und im Ferrari den blau-gelben Helm sehe: Michele Alboreto! Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis.
Der Ferrari 333 SP – Eine Symphonie für das Ohr
Doch ich muss jetzt noch bis zum mor-gigen Tag warten, bis ich den Ferrari entern darf. Erst mal ab ins Hotel. Hier im Hotel «Fossati» weiß der Hotel Chef unzählige Storys der Formel 1 Stars zu erzählen, die hier übernachtet haben. Von Siffert, Ickx, Lauda bis Schumacher haben hier schon etliche Stars die Grand Prix-Wochen-enden verbracht. Am nächsten Morgen regnet es leider, und die Ausfahrt wird auf den Mittag verschoben, da soll es trocken sein. Verständlich, liegt doch der Wert eines Original Ferrari 333 SP bei mehreren Millionen Euro. Am Mittag drängt dann endlich auch die Sonne durch die malerischen Bäume des königlichen Parks, und es kann los gehen. Wie gewohnt passt mir Fredys Sitz und Benny Hotz von Horag Racing schnallt mich an. Dann heißt es «start your engine» und der Zwölfzylinder-Ferrari bellt hinter mir gedämpft los, da er leider mit Schalldämpfern ausgestattet ist. Damals habe ich dem Zwölfzylinder-Sound pur gelauscht. Trotz der gedämpften Stimme nimmt er schnell Gas an und ist immer noch eine Symphonie für das Ohr. Anfahren, null Problem, und ich fahre aus der Box. Am Boxenausgang beschleunige ich, der Ferrari Motor brüllt auf und die Slicks fangen an wild durchzudrehen, da sie noch kalt sind. Leicht schlingernd geht’s Richtung Schikane. In der ersten Runde heißt es nun, Reifen aufwärmen und erst einmal wieder schauen, wo es hier lang geht in Monza. Meine letzten Runden habe ich hier 2002 bei meinem Sieg im Porsche Super Cup gefahren. Alles in allem eine große Zeitreise diesmal und hier und da ein Flashback.
Mit «Wheelspin» in den unteren Gängen des Ferrari 333 SP
Jetzt komme ich hier wieder in den Rhythmus, die Linie passt und ich werde auch wieder eins mit dem 333er. Ich hab den fünften Gang eingelegt, und es geht an Start/Ziel vorbei. Der Zwölfzylinder dreht höher und höher, und irgendwie scheint es, als hätte man ein «DRS- System» geschaltet, als er bei hoher Drehzahl noch mal richtig zulegt. Typisch Zwölfzylinder: Erzeugt er seine Leistung doch erst bei hoher Drehzahl so richtig. Vom Speed her geht es jetzt sicher irgendwas um 300 km/h. Beim Anbremsen ist der Ferrari etwas leicht am Heck, die Bremsbalance steht wohl etwas weit Hinten. Das erste Einlenken geht recht gut, der Grip ist vorhanden, um präzise in die erste enge Schikane und zum inneren Curb zu kommen. Auch das schnelle Umsetzen in die Linkskurve der Schikane macht er mit gutem Grip, während ich noch einen kurzen Gas-Stoss zwischen den Kurven gebe. Erst beim Antritt auf das Gaspedal verlässt uns der Grip erst etwas an der Vorderach-se, resultierend in einem leichten Unter-steuern Richtung Kurven-Ausgang. Dort der richtige Tritt aufs Gaspedal, und dann gibt’s «Wheelspin» an der Hinterachse. Ein Pferdchen auf dem Ferrari-Emblem, aber 650 Pferdchen unter der Haube, lässt die Hinterräder wieder munter durchdrehen, wenn man nicht aufpasst. Und das auch noch locker im zweiten und dritten Gang, wenn man nicht Gefühlvoll am Gas hängt. Dann heißt es volle Beschleunigung Rich-tung «Curva Grande». Ich schalte vom zweiten Gang bis in den vierten Gang, durchfahre die lange «Curva Grande» mit Vollgas und schalte in den Fünften. Dann Anbremsen der zweite Schikane. Ich flie-ge noch an zwei Autos vorbei, man meint, die stehen. Erneut zeigt der Ferrari einen guten mechanischen Grip für Bremsen, Einlenken und Umsetzen und ich gehe schon in der Links-Kurve wieder etwas ans Gas. Dann lasse ich die 650 PS wieder voll arbeiten und es geht Richtung erster Lesmo-Kurve. Sound, belissima, auch mit Schalldämpfern!
«Bäume-Spalier» für den Ferrari 333 SP
Anbremsen einlenken, alles stabil am Heck. Im Scheitelpunkt geht es knapp an der inneren Leitplanke entlang. Ich suche den späten Scheitelpunkt der Kurve um dann wieder richtig raus zu beschleunigen und visiere die zweite Lesmo an. Kurzes Anbremsen, einlenken und direkt wieder ans Gas. Obwohl jetzt Vollgas an-liegt und der Speed irgendwo Richtung 270 Km/h geht, nehme ich erstmal diese fantastische Rennstrecke wahr. Was hier besonders ist? Auf fast jeder Rennstrecke fährst du im öden Niemandsland. Auslaufzonen, weite Abstände zum Streckenrand, Mauer und Zäune nimmt man sonst nur wahr. Hier in Monza geht es gerade mit gefühlten zwei Metern Abstand an den Leitplanken entlang Richtung Ascari-Schikane. Man hat das Gefühl, die Bäume stehen Spalier, wenn der rote Ferrari kommt, und ich fahre rein optisch in einer grünen Oase. Dann kommt der leichte Linksknick und vor mir scheint sich eine Wand auf-zubauen. Doch dann geht es bergab und die Wand entpuppt sich als Brücke der alten traditionellen Steilkurve unter der ich jetzt hindurchfahre. Dann geht es bergauf zur Ascari-Schikane. Anbremsen, runter schalten bis in den dritten Gang, einlenken in die Linkskurve. Im Scheitelpunkt wie-der ans Gas, umsetzen in die Rechts und schon wieder vierter Gang, einlenken in die nächste Links und am Ausgang Voll-gas Richtung Parabolica-Kurve. In dieser schnelleren Passage überwältigt einen der hohe Grip, den die Aerodynamik aufbaut, genauso wie in der folgenden Parabolica-Kurve. Also ein Rennfahrzeug, das begeistert.
Mit Begeisterung kraftvoll agieren
Aber welcher Ferrari begeistert ein Fahrer-Herz nicht? Der Zwölfzylinder-Sound ist Musik im Ohr, auch mit Schalldämpfern, die Lenkung ist von der Lenkkraft noch ok, denn Servo ist genauso Fehlanzeige wie eine Traktionskontrolle. Und hier ist der wunde Punkt vom 333SP. Der mechanische Grip zum Einlenken ist gut, aber etwas mehr Traktion beim Beschleunigen wäre gut. Die Kraft lässt den Zwölfzylinder manchmal noch im dritten Gang «Wheel-spin» erzeugen. Das Getriebe lässt sich allerdings hart schalten, und im Rennen wird es für die eine oder andere Blase an den Händen gesorgt haben. Hier muss man kraftvoll agieren, um die Gänge sequentiell zu schalten. Somit war der Ferrari 333SP einer der letzten Sportwagen seiner Generation, der keine Schaltwippe am Lenkrad hatte und so noch oft mit einer Hand gelenkt wurde. Jetzt lasse ich die Bremsen abkühlen und fahre Richtung Boxengasse. Ich genieße noch den Moment meiner Zeitreise in die 90er Jahre, meinen eigenen Erfahrungen mit einem Rennen in Anderstorp, den Anblick der tollen Kulisse dieser Rennstrecke im königlichen Park und die Vorfreude auf das nächste Auto, was in der Boxengasse für mich parat steht. Und die Sonne scheint auch wieder. Was will man also mehr in Bella Italia? Forza Ferrari!
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Fotos: Peter Heil