Trackday Marco Werner – Chevron B 36

Autor: am Curbs Magazine » Trackday » Trackday Marco Werner – Chevron B 36

Exklusiv für CURBS berichtet Marco Werner von seinen Fahreindrücken hinter dem Lenkrad eines Chevron B 36 beim „Daytona Classic 24 hour“ Ende 2019

Chevron B 36 – Der Hecht im Karfpenteich

Auf diesen Trackday habe ich mich lange gefreut, denn so eine Kombination von Auto und Rennstrecke gibt es nicht alle Tage. ChromeCars verfrachtete einen Chevron B36 in die USA und brachte ihn in Daytona beim „Classic 24 hour“ auf die Rennstrecke. Welch ein Ort für einen Trackday! Würdevoller kann man kaum Sportwagen auf die Rennstrecken bringen – an den Ort, wo viele Stories geschrieben wurden bei den 24 Stunden von Daytona, einem der größten und wichtigsten Sportwagen-Klassiker der Motorsport-Geschichte. Der Chevron B36-76-04 hatte seine Glanzstunde aber 1980 in Le Mans. Da fuhren die Franzosen Philippe Hesnault, Bruno Sotty und Daniel Laurent vom Team ROC auf den ersten Platz der 2-Liter-Klasse. Aber ich habe eine besondere Beziehung zu Daytona, habe Daytona vorher nur einmal besucht, das war 1995. Ich kam als Zuschauer und ging als Gesamtsieger wieder nach Hause – was für ein Erlebnis, was für eine Story, unglaublich. Es war schön wieder hier zu sein.

Ich fieberte dem ersten Nachtstint in Daytona entgegen und ging mit dem Helm in der Hand zum Vorstart. In „Great America“ ist ja alles bekanntlich etwas größer. Der Vorstart ist im Fahrerlager auf einer Fußballplatz-großen Fläche. Von dort geht es durch das „Rolex Tor“ in die Pitlane. Die Pitlane ist gefühlte 50 Meter breit, doch die Tribüne gegenüber ist noch gewaltiger. Alles ist be-leuchtet wie in einem Fußballstadion, eine unglaubliche Atmosphäre. Die Boxenampel springt auf Grün, Pulz und Drehzahl gehen nach oben, erster Gang, Kupplung kommen lassen, und ich fuhr aus der breiten Boxengasse, die in einen schmalen Links-bogen überging, der jetzt zum Nadelöhr wurde. Die Boxenausfahrt mündete gleich in eine Rechts-Links-Passage, und der eine oder andere hatte mit kalten Reifen hier so seine erste Challenge. Bremslichter leuchteten auf, und ich sah den Ersten rechts durch das Gras kreiseln. Ich schaltete bei niedrigen Drehzahlen hoch und gab nicht zu früh zu viel Last auf die kalten Hinterräder, bevor sie noch nicht so auf Temperatur waren. Ich bremste die Rechts-Haarnadelkurve im Infield an und schaltete herunter in den ersten Gang. Das Getriebe war sehr lang übersetzt für die hohen Geschwindigkeiten. Mit Zwischengas nahm das Hewland-Getriebe sauber die Gangwechsel an. Beim Herausbeschleunigen kam mit den noch kalten Reifen leicht das Heck, doch spürte direkt, dass sich dieses Auto gut im Grenzbereich kontrollieren ließ. Aus dem Infield heraus ging es erstmals auf die Steilwandkurve, und jetzt hatte ich erstmals großen Respekt vor Auto und Strecke. Kalte Reifen, ein „Banking“ mit 42 Grad, da bleiben keine Rennfahrerhände trocken. Denn ich spürte direkt, wie die Rechtsbögen beim Reifen warm fahren einmal besser ganz vorsichtig zu fahren waren. Ansonsten ging gleich das Heck weg und es „haute“ mich nach oben in die Mauer…

Wir kamen mit gutem Speed auf Start-und-Ziel und hechelten nach der Grünen Flagge beziehungsweise der grünen Lampe entgegen, denn es war Nacht! In Formation rollten wir zum fliegenden Start. Bei Grün schoss der Porsche 935 rechts neben mir wie eine Kanonenkugel aus Reihe zwei nach vorn. Die erste Schwierigkeit für Kurve eins war erst einmal den Bremspunkt zu fin-den. Ich war rechts oben und bremste mich rechts außen an einem 3-Liter-Lola-Sport-wagen auf der Bremse vorbei. Ich traute mich gar nicht den Blick von der Strecke zu lösen und fand kaum einen Anhaltspunkt zum Bremsen. Die Distanzschilder standen viel zu weit im breiten Grünstreifen zwischen Strecke und Boxengasse. „America is great“, zu groß, um hier einen Anhaltspunkt auf die Schnelle zu finden. Dazu kam die Schwierigkeit, dass man beim Bremsen schon in einen langen Linksbogen hinunter zum Infield bremsen musste, alles ziemlich holprig – bei Geschwindigkeiten, die um die 200 km/h lagen, nicht gerade ein Zucker-schlecken, schon gar nicht im Startgetümmel. Ich musste bis zum richtigen Einlenkpunkt noch einmal leicht ans Gas gehen, da ich trotzdem zu früh gebremst hatte, aber besser zu früh anstatt schon irgendwo ab-zufliegen. Ich ging herunter bis in den ersten langen Gang und zog in die Rechtskurve zum Scheitelpunkt der Kurve. Am Scheitelpunkt gab ich wieder Gas, beschleunigte aus der Rechts und folgte meinen zwei Vordermännern. Ich wollte dran bleiben. Ich durfte mich nicht zu viel nach rechts außen treiben lassen, da direkt nach der Kurve die nächste Links-Rechts-Passage folgte, die ich ja auch sauber anfahren musste – dann zweiter Gang, dritter Gang und wieder An-bremsen für die Rechts-Haarnadelkurve, zu-rück bis in den ersten Gang. Ausgangs der Kehre kam die TransAm-Corvette etwas zu weit nach außen, ich nutzte meinen Vorteil, ein kleines, wendiges und leichtes 2-Liter-Auto zu haben, und ging am Ausgang in der Beschleunigung innen vorbei – P2! Es folgte der schnelle Linksbogen, der nicht ganz voll gefahren werden kann – in Run-de eins schon einmal gar nicht! Der 935er ging genauso schnell dadurch, da holte ich nichts auf. Erst bei der nächsten Linkskehre, die auch wieder im ersten Gang gefahren wird, kam ich auf der Bremse und beim Ein-lenken etwas näher. Zum Ausgang blieb der Abstand gleich, aber wenn der Porsche gerade stand und der Fahrer Gas gab, wurde er kleiner… Beim Anbremsen und Einfahren in die nächste Rechts – sie führte uns dann in die Steilwand von Daytona – kam ich sehr nahe heran, ging sogar nach dem Scheitelpunkt außen neben ihn, und wir beschleunigten gemeinsam in die Steilwand. Jetzt ging‘s in die volle Beschleunigung. Der Chevron geht schon mächtig ab. Dank seines niedrigen Gewichts geht da schon richtig etwas vorwärts. Aber der Porsche vor mir – ich war soeben noch neben ihm – wurde immer kleiner und zu einem kleinen roten Lichtpunkt.

Ich war mit Vollgas unterwegs, und der Speed im Daytona-Trioval war so hoch wie kaum woanders. Dass man sich da wohl fühlt, wird gerade bezweifelt. Viele Dinge gingen einem durch den Kopf wie sonst nicht. Hält da alles? Bloß kein Reifenplatzer jetzt und so weiter. Zu allem Überdruss kam jetzt auch noch die TransAm-Corvette links an mir vorbei, als würde ein schnelles Auto auf einer deutschen Autobahn einen LKW überholen. Ich hatte jetzt kurzzeitig das Ge-fühl, ich stünde oder wäre im falschen Film. Wir flogen mit Topspeed auf den Bremspunkt der Schikane zu. Beim Anbremsen kam ich nicht gerade näher. Komisch, dach-te ich, eigentlich sollte ich doch einen Vor-teil auf der Bremse haben… Doch schon stieg der Rauch von stehenden Rädern der TransAm-Corvette auf, und sie ging fast geradeaus anstatt nach links in die Schikane hinein. Sie ging ins Gras, und ich blieb auf Linie und zog daneben. Der Fahrer kam mit Speed wieder aus dem Gras herausgerutscht, und wir fuhren im dichten Abstand, Seite an Seite durch die zweite Schikane. Am Ausgang gingen wir beide wieder voll ans Gas, aber er zog mit seiner Leistung da-von, und rechts kam auch noch die 3-Liter-Lola wieder an mir vorbeigeflogen. Da war ich halt mit einem 2-Liter-Ford-Motörchen machtlos…

Jetzt kamen wir das erste Mal über Start-und-Ziel geflogen. Anders kann man es nicht beschreiben. Der Motor drehte aus, und ich musste leicht lupfen. Den Topspeed hatten wir unterschätzt, und das Getriebe war etwas zu kurz. Es ging hier einen Tick schneller als auf den langen Le Mans-Geraden! Die Zwei vor mir waren wieder nur zu kleinen Lichtpunkten geworden, und es wurden erst beim Anbremsen wieder zwei deutlich zu erkennende Autos, da ich näher kam. Mein Vorteile lagen im Infield und auf der Bremse. Da war der Chevron leicht und wendig. Dann holte ich mir wieder die Corvette, wurde aber auf dem Tri-oval wieder „aufgeschnupft“, als würde ich gar nicht zum Rennen dazu gehören. Irgendwann schafft die Corvette es nicht mehr mich auf Start-und-Ziel zu überholen, und ich konnte mich im Infield sauber ab-setzen und genug Vorsprung herausfahren – David gegen Goliath, der Kleine hatte ge-wonnen. Ab dann war ich mit mir und den Vibrationen allein. Bei Highspeed vibrierte das Auto, dass ich manchmal kaum die Straße erkennen konnte. Dann auf einmal Aussetzer, er ruckte und spuckte nur noch, und ich rollte langsam am unteren Rand des Ovals entlang, während wieder einer nach dem anderen an mir vorbeizog, dass es mir bei dem Speed-Unterschied Angst und Bange wurde. Ich rollte in die Box, und wir mussten mit einem defekten Verteiler auf-geben. Schade, wir hatten eine gute Chance mit diesem Auto gewinnen zu können bei den „Daytona Classic 24 hour“. Meine Erfolgsstory in Daytona fand diesmal keine Fortsetzung. Aber wir kommen wieder, das steht fest.

Jetzt keinen spannenden Artikel über den historischen Motorsport mehr verpassen! Holen Sie sich das Curbs Abo ALLEN Bildern bequem nach Hause – direkt über unseren Online-Shop