Der Jägermeister-March-BMW 772p soll das vierte Auto sein, welches ich an diesem unglaublichen Tag bewegen darf. Freut man sich sonst schon einmal darüber, überhaupt einmal einen Formel 1 fahren zu dürfen, setzen Ecki und Oliver Schimpf an diesem Tag für mich immer wieder einen drauf. Nach dem March-Formel-1 durfte ich den BMW 320 Gruppe 5 und einem 3,0 CSL die Sporen geben. Nun lasse ich mich in den March-Formel 2 von 1977 gleiten. Ich nehme die Beingurte und rutsche tief ins Cockpit. Doch Anschnallen kann ich mich allein nicht in dem engen Cockpit. Timo Rumpf-keil, der gerade aus dem Jägermeister-Gruppe C-Porsche 962 geklettert ist, kommt mir zur Hilfe und schnallt mich an. Vor mir macht es sich „Strietzel“ Stuck in seinem Formel-1-March noch einmal bequem, den ich vorhin schon einmal fahren durfte.
Ich folge dem „Langen“ aus der Boxengasse heraus. Es ist fast ein bisschen wie im Kino-Film „Rush“. Nur dass die Emotionen doch um ein Vielfaches höher sind als im Kino. Auch der Sound liegt mir mehr im Ohr als jeder Cinema-Dolby-Surround-Klang. Trotzdem hat es manchmal eher das Flair eines „Rush“-Filmes als eines der Realität – vor mir im Formel 1 einer meiner alten He-ros, und ich folge ihm im March-Formel-2, mit solchen Autos wurde er ja „König von Hockenheim“. Jochen Mass bewegte einen solchen 772p-BMW und siegte 1977 damit beim „Jim Clark Gedächtsnisrennen“ in Hockenheim und beim Eifelrennen Nürburgring – genug Geschichte also, die mir dieses Auto erzählen könnte. Jetzt höre ich aber erst einmal in seine Technik hinein. Optisch kommt er dem vor mir fahrenden March Formel 1 sehr nahe. Die Front ist fast identisch, und auch der Heckflügel weist ähnliche Dimensionen auf. Schon auf den ersten Metern bin ich überrascht, wie harmonisch dieses Auto ausgelegt ist – ruhig beim Anbremsen, das Getriebe lässt sich sauber schalten, der Motor hat einen guten Dremomentverlauf, der March lässt sich gut in die Kurven bringen und hat auch eine gute Traktion. Auf den ersten Blick oder für das erste Gefühl ist das ein Traumauto.
Da hat der Formel-1-March vorhin schon andere Eigenheiten an den Tag gelegt. Während ich Strietzel folge, wird mir das durch seine Linie bestätigt. Ich bekomme den na-türlich auch leichteren Formel 2 einfacher in die Kurven gewuchtet, bin im Scheitelpunkt viel besser, früher und teils stärker am Gas, während ich das Auto noch am Kurvenscheitelpunkt „drehe“. Aber wehe, wir sind am Kurvenausgang! Dann wird Hans vor mir schnell ziemlich klein und zieht mit seinen 480 Cosworth-PS davon. Aber beim nächsten Bremsen kann ich den Anschluss wieder herstellen. In der zweiten Runde geht er sogar nach der ersten Kurve zur Seite und lässt mich ziehen. Früher gab es das eine oder andere Rennen, in denen die Formel 2 bei einem Grand Prix mitfuhren, so zum Beispiel auch auf der Nordschleife, wo Jacky Ickx 1967 im F2-Matra sensationell Drittschnellster im Training war! So lang-sam weiß ich, warum das so auch schon einmal sein konnte. Der F2-March ist unheimlich agil in den Kurven, seine Leistung von 330 PS lässt sich super einsetzen, und man ist damit früh in der Kurve am Gas. Ich bin schnell „drin“ in dem Auto, und meine Gangart wird von Runde zu Runde zügiger. Mich begeistert vor allem auch die Fahrbarkeit des BMW-Motors – kein „Frotzeln oder Spucken“ in niedrigen Drehzahlen. Er geht gut von unten heraus, hat einen kernigen Klang und schiebt auch oben herum noch gut an. Ich kann mich mehr und mehr in die Kurven bremsen, wobei das Auto neutral bleibt und zum zügigen Gasgeben regelrecht einlädt. Auch auf Last folgt er noch gut dem Kurvenverlauf und verliert so nicht meine angepeilte Linie. Ein Untersteuern taucht nur leicht auf, aber ein kurzer Lastwechsel, die Richtung ist wiederhergestellt, und es geht munter weiter mit dem Gasgeben.
Ich genieße meine Runden hier in Oschersleben, aber der Wunsch nach einer Runde Nordschleife wird immer größer. Als Kind habe ich viele Rennen am Ring ver-folgt, jetzt würde ich gern dieses Erlebnis meiner Heros nachempfinden. Trotzdem ist mir klar, dass es auch damals kein „easy go-ing“ war, mit dem Auto vorn zu fahren. Die Leistungsdichte damals war hoch! Viele seinerzeitige Formel-1-Piloten frischten ihr Ge-halt in der Formel 2 auf und fuhren gegen die F2-Youngster. Viele spätere Formel-1-Pi-loten stießen sich in der Formel 2 ihre Hör-ner ab und empfahlen sich für höhere Auf-gaben in der Formel 1. Gern wäre ich zu dieser Zeit gefahren. Es sind nach wie vor toll zu fahrende Autos, für mich persönlich anspruchsvoller als das Moderne mit Schalt-wippe am Lenkrad, Traktionskontrolle, ABS und all dem Schnick-Schnack, der das Fah-ren doch einfach gestaltet. Viele sind heute schnell, die damals nicht den Anschluss hätten halten können. Eben doch echte Herausforderungen waren die Strecken und auch die Autos von damals, so leicht mir das Auto heute hier auch vorkommt. Aber auf Strecken, die mehr Bäume als Leitplanken aufwiesen, musste man auch das Auto erst einmal an seine Grenzen bringen und richtig schnell und fehlerfrei bewegen…
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Fotos: Christian Wilkens