Trackday Marco Werner – Porsche RS Spyder LMP2

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Ich sitze in Hockenheim zusammen mit Walter Brun beim Frühstück und wir reden über den gestrigen Tag. «Walti» hat etliche Stunden im Gruppe C-Porsche 962 von Fredy Lienhard verbracht, und heute darf ich mal den 962er fahren. Dazu wird Fredy Lienhard mir auch seinen Porsche RS Spyder LMP2 zum Curbs-Trackday überlassen. Also zwei Generationen Porsche Motorsport Geschichte an einem Tag, das hat man auch nicht alle Tage. Das Inter-essante daran ist auch, dass ich in den Jahren 2007 und 2008 gegen diese Porsche LMP2 gefahren bin. Ich fühle also heute mal meiner damaligen Konkurrenz auf den Zahn.


Wie in der Saison 2008 bereitet Ho-rag Racing aus der Schweiz auch heute noch den LMP2 für Fredy Lienhard vor. Benny Hotz hilft mir beim Anschnallen im LMP2 mit der Chassis-Nummer 707. So ein wenig fühle ich mich fast wie zu Hause im Porsche. So ähneld das Cockpit und die Sitzposition dem Audi, den ich damals gefahren habe. Die ganze Cockpit-Atmosphäre, bestehend aus vielen Schaltern und Drehknöpfen, die im Cockpit oder direkt am Lenkrad untergebracht sind, um eine schnelle Bedienung zu garantieren, oft nur mit einer kleinen Fingerbewegung am Lenkrad, wie zum Beispiel die Schaltwippen, die hinter dem Lenkrad angebracht sind zum Rauf- oder Runterschalten. Schnelle Gangwechsel sind Programm bei dieser Generation Renn-wagen. Hier fand man etliche Sekunden, schließlich bleibt man einfach auf Vollgas stehen und hat kaum eine Zugunterbrechung und verliert damit fast keine Zeit beim Gangwechsel. Gas wegnehmen und kuppeln ist out.

Déjà-vus im Porsche RS Spyder LMP2

Jetzt geht es los: Motor starten, an der Schaltwippe rechts hinter dem Lenkrad ziehen, erster Gang ist drin und Kupplung kommenlassen. Ich fahre aus der Box, der «Pitspeed-limiter» ist gedrückt, bei 60 km/h fängt der Begrenzer an zu arbeiten und der Motor fängt an, sein gequältes Geräusch zu machen. Am Ende der Boxengasse den «Pitspeed-limiter»- Knopf drücken und das Beast will loslegen. Ich beschleunige und schalte die Gänge hoch, während ich mit dem linken Fuß auf der Bremse stehe, um die Kohlefaserbremse auf Temperatur zu bringen. Auch in der «Parabolika» fahre ich das Auto «gegen die Bremse», denn eine kalte Kohlefaserbremse zeigt dir sonst nur die kalte Schulter, anstatt ihre ganze Performance. Irgendwie kommt mir das alles bekannt vor. Der ganze Ablauf ist so, wie ich ihn aus meinen Audi-Jahren mit den LMP1 Autos, dem R8, R10 und R15 kenne. Der Grip der Michelin-Reifen kommt relativ schnell, und nach einer halben Runde habe ich das Gefühl, ich sei schon im Renn-Modus, und alles ist auf Betriebstemperatur. Ich fliege förmlich die Start/Ziel-Gerade entlang, fünfter Gang am Ende fast ausgedreht, kommt der Bremspunkt für Turn 1. Ich bremse bei knapp sagenhaften 60 Meter an, Schalte einen Gang runter in den Vierten und bin sofort wieder am Gas, leicht komme ich links aussen auf die Curbs, das ganze schon wieder mit Vollgas. Kurz hinter dem Curb schalte ich schon wieder in den Fünften Gang. So geht es mit Vollgas Richtung Turn 2. 170 Meter vor Turn 2 schalte ich noch in den sechsten Gang. Hier bremsen Andere schon längst, doch ich bremse erst bei zirka 100 Meter. Dort gehe ich voll auf die Bremse, die Kohlefaser-Bremse packt mächtig zu und es zieht mich stark in die Gurte, der Kopf will nach vorn. Der Reifengrip setzt ein starkes Bremsen um, und trotz der Bodenwellen funktioniert das hier alles sehr gut. Während der Bremsphase schalte ich in kürzester Zeit die Gänge vom sechsten bis hinunter in den zweiten Gang und bremse in die Kurve hinein, bis fast zum inneren Curb. Dann gibt es auch keine Pause, sofort kann ich wieder das Gas «anlegen» und fange in der engen Rechts zu beschleunigen an. Eine Traktionskontrolle kann dem V8 Motor hier helfen, sein Potential nicht zu sehr zu zeigen und der Grip bleibt beim Beschleunigen vorhanden, um regelrecht aus der engen Kurve herauszuschiessen.

Mit Vollgas durch die «Parabolika»

Noch bevor ich in die Linkskurve einlenke, habe ich den zweiten Gang schon ausgedreht und schalte in den dritten Gang. Vollgas durch die Links, der Hals versucht den Kopf zu halten und noch bevor ich aussen am Curb bin, schalte ich schon in den vierten Gang. Am Ende des Curbs schon fünfter Gang und mit Vollgas in die «Parabolika». Jetzt wirkt er vom Motor her ein wenig zäh. Da war ich, gerade vom V12 -Audi Diesel, anderes gewöhnt. Der Motor dreht weiter hoch und dann geht’s im sechsten Gang durch die «Parabolika». Die Lenkung fi nde ich extem direkt. Man muss das Lenkrad bei dem hohen Speed sehr feinfühlig halten, das Auto reagiert auf die kleinste Bewegung am Lenkrad und das finde ich etwas unangenehm, wenn das Auto unnötig reagiert, speziell bei hohen Geschwindigkeiten. Und diese Bewegungen am Lenkrad können schon aus den Bodenwellen heraus resultieren. Nach dem langen Vollgasstück dann wieder bei zirka 150 Meter voll in die Bremse um auf knappe 60 km/h runterzukommen für die Spitzkehre, Hockenheims langsamsten Streckenabschnitt. Dabei reißt es mir den Kopf nach vorn, die Nackenmuskeln möglich, die Zeit wäre zu kurz. bekommen seit langem mal wieder richtig was zu tun, man spürt den Druck in den Gurten, so verzögert das Auto. Während des Bremsens schalte ich zurück bis in den ersten Gang. Auf diesen kurzen Bremsweg wäre ein herkömmliches Schalten, ohne diese moderne Technik hier, gar nicht möglich, die Zeit wäre zu kurz.

Der Nacken lässt grüßen

Ich bremse noch tief in die Kehre hinein, bin aber schon wieder vor dem Curb innen leicht am Gas. Das Auto lässt sich hervor-ragend «drehen» am Scheitelpunkt. Auf dem Weg zum äusseren Curb gebe ich, mit sich öffnender Lenkung, mehr und mehr Gas. In der Kehre zeigt das Auto einen erstaunlich guten «Biss» an der Vorderachse. Normal hat man hier immer sehr starkes Untersteuern. Der Porsche RS Spyder zeigt bisher in mittelschnellen sowie langsamen Kurven ein hohes Grip Niveau. Dann geht es Vollgas Richtung Mercedes Tribüne. Jetzt geht’s Richtung «Kink» einer schnellen Rechtskurve, die fahre ich im fünften Gang an, durchfahre sie mit Vollgas und schalte zum Ausgang auf den sechsten Gang. Dann spätes und hartes Anbremsen für die enge Linkskurve, herunterschalten bis in den zweiten Gang. Einlenken und wieder noch etwas in die Kurve hinein-bremsen. Kurz vor dem Scheitelpunkt kann ich wieder auf Teillast gehen mit der Pow-er. Am Ausgang dann mehr ans Gas, dritter Gang, voll beschleunigen und das Auto nach Links zum Curb bringen. Sofort am Curb Einlenken in die nächste Rechts und dabei schon in den Vierten schalten. Die Rechts geht nicht ganz voll, aber durchaus mit viel Speed, der Nacken lässt grüßen… Dann ausgangs fünfter Gang und in voller Beschleunigung Richtung Eingang Motodrom. Anbremsen, vierter Gang, Einlenken und wieder früh ans Gas, direkt nach dem Einlenken. Das ist ganz schön schnell, vierter Gang, fast voll. Atemberaubend dieser Anpressdruck. Kurz danach fünfter Gang und dann Anbremsen der Sachs-Kurve, zurückschalten, Vierter, Dritter, zweiter Gang. Einlenken und wieder ans Gas. Es ist unglaublich, wie schnell man wieder Gas geben kann und den Speed ab dem frühen Kurveneingang wieder aufbaut. Aus der Sachs-Kurve rausbeschleunigen und dritter Gang, einlenken in die Links- Rechtspassa-ge, die ich voll durchbeschleunige und in den Vierten schalte. Dann anbremsen für die Doppelrechts, zurück dritter Gang und anfangs Teillast. Das kurze Zwischenstück Vollgas, dann einlenken in die letzte Kurve und früh beschleunigen. Schon ehe ich die Kurve beendet habe, drehe ich den Drit-ten aus und schalte in den vierten Gang, dann Fünfter auf Start/Ziel. Wahnsinn, wie schnell dieser Film abläuft. Alles fl iegt an einem vorbei. Ich falle zurück in meine alte Sportprototypen-Zeit. Hammer, dass man da über Stunden am Limit gefahren hat. Der Kopf kommt anfangs fast gar nicht mit, mit dem was da abläuft. Man reagiert nur aus den Refl exen. Vieles kommt mir bekannt vor aus meiner Audi-Zeit. Der Porsche ist extrem gut auf der Bremse. Ein LMP2 ist eben doch um einiges leichter als ein LMP1, das spürt man. Und die Aerodynamik ist auch auf höchstem Niveau und erlaubt enorm hohe Kurvengeschwindigkeiten. Ein tolles Paket, was Porsche da geschnürt hat. Der Porsche RS Spyder hat uns damals öfter das Heck gezeigt. Heute weiß ich warum.

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Fotos: Peter Heil