Doppelt hält besser – der Porsche 962 C PDK!

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Schublade auf, Schublade zu
Neu war die Idee von einem halbautomatischen Getriebe eigentlich nicht. Mit schöner Regelmäßigkeit wurden derartige Konzepte aus der Schublade geholt und verschwanden unmittelbar danach wieder darin.

Schon 1964 hatte man in Zuffenhausen an einem lastschaltbaren Doppelkupplungsgetriebe gearbeitet, dessen mechanische Steuerung über Kurvenscheiben erfolgte. 1967 wagte man den Schritt in den Serienbetrieb. Der Aufschrei war groß, als man den 911 erstmals mit dem halbautomatischen Sportomatic-Getriebe anbot: Neukunden zeigten sich skeptisch, Porsche-Puristen lehnten das Getriebe vollends ab und auch die Fachpresse sparte nicht mit scharfer Kritik.

Porsche rechtfertigte seine Neuentwicklung mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen. So hieß es in der Werbebroschüre: „Bei immer dichterem Stadtverkehr, Kolonnen und Stauungen, auch auf der Autobahn und der Landstraße, erleichtert eine Getriebeautomatik dem Fahrer, die Konzentration auf das Verkehrsgeschehen zu behalten, schont seine Nerven und die Antriebselemente des sportlichen Fahrens.“ Die Skepsis gegenüber halb- und automatischen Getrieben bei den Porsche-Fahrern blieb aber tief verankert. Zehn Jahre später wurde im Rahmen der durchgeführten Studie 995 für einen Zukunftssportwagen ein neues Doppelkupplungsgetriebe entwickelt und wieder aufgegeben.

Der Porsche 962 C PDK und die Theorie des PDK-Getriebes

Als die FISA 1982 für die Langstrecken-Weltmeisterschaft das Gruppe C-Reglement festschrieb, legten die Zuffenhausener mit dem Porsche 956 die Messlatte für die Konkurrenten hoch, sehr hoch – so hoch, dass sich Werksteams von Ford und Lancia daran die Zähne ausbissen. Auf der Suche nach den wertvollen Zehntelsekunden kam wieder die Idee der Porsche-Doppelkupplung, kurz PDK, auf den Tisch. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen Verbund aus zwei Getrieben, die hintereinander platziert werden. Getriebe Nummer eins schaltet die Gänge eins, drei und fünf. Das zweite Getriebe schaltet dagegen die Gänge zwei und fünf. Jedes Getriebe besitzt seine eigene Kupplung. Die Antriebswelle von Getriebe Eins rotiert dabei in der Hohlwelle von Getriebe Zwei.

Die Zehntelsekunden, auf die die Ingenieure abzielten, ergaben sich erst durch das geschickte Zusammenspiel beider Getriebe. Erreicht der Motor in einem Gang seine Höchstdrehzahl, dann ist in Getriebe Nummer Zwei der nächsthöhere Gang bereits eingelegt. Innerhalb von Sekundenbruchteile wird die Drehzahl synchronisiert und die zweite Kupplung geht zu. Anschließend öffnet sich in Getriebe Nummer Eins die erste Kupplung, um den niedrigeren Gang auszukuppeln. Dadurch entsteht keine Zugkraftunterbrechung. Bei Turbo-Motoren ist das von besonderem Vorteil. Der Wirkungslungsgetriebe grad eines Turboladers lässt bei abfallender Drehzahl sehr schnell nach und braucht anschließend wieder eine gewisse Drehzahl, um seine Kraft voll zu entfalten. Das sogenannte Turboloch kann dadurch vermieden werden.
Hans-Joachim Stuck war einer der ersten Fahrer des Porsche 962 C PDK

1985 stieß Hans-Joachim Stuck zu dem Kreis der Porsche-Werksfahrer dazu. Stefan Bellof hatte ihn früh in das Geheimnis eingeweiht, dass er im kommenden Jahr in der Formel 1 starten werde. Stuck bot sich sofort als Fahrer an. Helmuth Bott war im Porsche-Vorstand zuständig für Forschung und Entwicklung. Bei dem ersten Gespräch stellte er klar, Stuck müsse drei Mal in der Woche in Weissach Testfahrten mit dem Porsche 962 durchführen und das PDK – Getriebe weiterentwickeln. Jacky Ickx wohnte zu dieser Zeit in St. Tropez, Derek Bell in Großbritannien und Jochen Mass ebenso in Frankreich. Hans-Joachim Stuck hatte von Ellmau aber nur zwei Stunden Anfahrt – ein Glücksfall für Porsche und ihn selbst. Und so kam es auch nicht von ungefähr, dass kein anderer Fahrer mit dem Porsche 962 so viele Kilometer gefahren ist wie Hans-Joachim Stuck. Wenn keine Rennen stattfanden, teste er drei Mal in der Woche stundenlang den Porsche 962 und fuhr zudem auch noch alle Kundenautos ein. „Das ist der Grund, warum ich auch mit dem 962 so eins war.“
Im Zentrum der Arbeit stand jedoch die Entwicklung des PDK-Getriebes und davon war Hans-Joachim Stuck von Beginn an begeistert. „Als ich angefangen habe, mich damit zu beschäftigen, und mich in die Materie eingearbeitet habe, war mir sofort klar, dass wir hiermit den Motorsport revolutionieren können. Wir haben damit echte Basisarbeit geleistet.“

Der Porsche 962 C PDK – Die Schaltoperette

Beim Schalten gab es grundsätzlich vier Stellungen. Zum Hochschalten wurde der Hebel nach hinten gezogen, zum Runterschalten mit einem leichten Stoß nach vorne. Hochgezogen und nach links gedrückt legte man den Rückwärtsgang ein, hochgezogen und nach rechts gedrückt schaltete das Getriebe in den Leerlauf.

Im Renneinsatz konnte Stuck beim Beschleunigen voll auf dem Gas stehen bleiben und nur auf die entsprechende Drehzahl für den nächsten Gangwechsel achten. Beim Bremsvorgang musste der niedrigere Gang vorgewählt werden. Fällt die Drehzahl beim Anbremsen so weit ab, dass der Motor schadlos den nächstkleineren Gang verträgt, dann schaltet das Getriebe selbständig herunter. Das ermöglichte ihm sogar, während der Kurve zu schalten, ohne vom Gas zu gehen. Im Cockpit des Porsche 962 C PDK halfen zusätzliche Instrumente, den Überblick zu behalten. In einer digitalen Anzeige informierte die linke Ziffer über den bereits eingelegten Gang, die rechte Anzeige über den vorgewählten Gang. Eine ausgeklügelte Elektronik von Bosch ermöglichte wahre Operetten an Schaltvorgängen.

Porsche erlaubte Journalisten nach der Saison 1987, den Porsche 962 C PDK zu testen. Einige hatten damals Hemmungen, kaltblütig auf dem Gaspedal stehen zu bleiben und einen Getriebe- oder Motorschaden zu riskieren, wenn die Drehzahl des Motors in die Höhe schießt. Es galt also, jahrelange Refl exe überwinden. Sorgen brauchten die Journalisten keine zu haben, denn das PDK-Getriebe übernahm alle Arbeit und schützte sich quasi selbst. Hans-Joachim Stuck stellt rückblickend klar: „Getriebe und Motorschäden durch Überdrehen gab es danach nicht mehr. Für mich war das eine riesige psychische Erleichterung, weil ich mich voll auf das Fahren und den nächsten Bremspunkt konzentrieren konnte.“

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Knöpfe
Während der Entwicklungsarbeit schlug Hans-Joachim Stuck seinen Ingenieuren vor, den Gangwechsel per Knopfdruck am Lenkrad zu steuern. Zwei kleine schwarze Knöpfe am Lenkrad reichten aus, dies zu tun. Über den oberen gelben Knopf wurde hochgeschaltet, über den unteren Knopf wurde runtergeschaltet. Während seine Konkurrenten versuchten, die Schalthand mit Klebeband und einem zusätzlichen Fahrrad-Rennhandschuh gegen Blasenbildung zu schützen, konnte er die Hand immer am Lenkrad lassen. Das ermöglichte es ihm, Kurven viel präziser zu fahren.

Heute findet das Schalten am Lenkrad nicht mehr nur in Rennwagen statt, sondern hat auch längst den Weg in die Straßensportwagen gefunden. Hans-Joachim Stuck leistete zwischen 1985 und 1988 also Pionierarbeit.

Bot die neue Schaltung des 962 C PDK nur Vorteile?

Die Erleichterungen im Renneinsatz lagen auf der Hand. Die Verkürzung der Schaltzeiten spiegelte sich in den besseren Rundenzeiten wider. Diese waren von Strecke zu Strecke unterschiedlich. Berechnet man einen gewissen Zeitvorteil auf die Gesamtfahrzeit von Hans-Joachim Stuck, Derek Bell und Al Holbert bei ihrem Sieg 1987 in Le Mans um, so hätten sie in der Theorie vier Runden mehr Vorsprung herausfahren können als mit einem herkömmlichen Schaltgetriebe.
Das PDK-Getriebe brachte aber auch Nachteile mit sich. Zu Beginn des Projekts wog das Getriebe 35 Kilogramm mehr als ein herkömmliches Getriebe. Hinzu kamen ein üppiges Hydrauliksystem und eine komplizierte Elektronik. Als tragendes Bauteil war es aber erst noch zu labil. Vor- und Nachteile egalisierten sich am Anfang der Entwicklung.
Sukzessive wurden die technischen Gebrechen und Nachteile ausgeräumt. Das Gehäuse wurde überarbeitet und war als tragendes Bauteil bald sogar steifer als beim herkömmlichen Schaltgetriebe. Der Ölpumpenantrieb wurde deutlich verbessert und das Gewicht auf 15 Kilogramm reduziert.

Sprint oder Langstrecke mit dem Porsche 962 C PDK?

Das PDK-Getriebe war nur für 1000-Kilometer-Rennen ausgelegt. 1986 gewannen Hans-Joachim Stuck und Derek Bell mit dem Getriebe das 1000 Kilometer-Rennen in Monza, was aber eigentlich nach 360-Kilometer abgewunken wurde. 1986 gewannen Hans-Joachim Stuck und Derek Bell mit dem Getriebe das 1000 Kilometer-Rennen in Monza. Viel mehr sind jedoch die erfolgreichen Einsätze im ADAC Würth Supercup bekannt. 1987 gewann Stuck die Rennen am Nürburgring und am Hockenheimring. Bei allen weiteren Rennen stand er ebenfalls auf dem Podium und sicherte sich so die Meisterschaft. Die Sprintrennen waren wertvolle Tests, aber gleichzeitig auch eine wertvolle Werbung für das PDK-Getriebe.
Einen Dauereinsatz beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans wagte man damals nicht. Nach 1987 wurde das Projekt PDK beendet, weil der Porsche Vorstand sich von einem Engagement in der Indycar-Serie und in Indianapolis mehr versprach. Die Serienentwicklung wurde damals auch nicht weiterverfolgt, da die Elektronik und Speicherkapazitäten noch nicht so weit ausgereift waren, um einen reibungslosen Betrieb in Straßenwagen zu gewährleisten. Und wieder einmal lag das Konzept in einer Schublade der Entwicklungsabteilung.
Dann, 20 Jahre später, löste das Porsche Doppelkupplungsgetriebe die konventionelle Automatik Tiptronic S ab. 2008 bot Porsche erstmals ein Siebengang-PDK als Option für den 911 Carrera an. Das Kundenecho war enorm. 2009 kam der Porsche Panamera auf den Markt, ebenfalls mit einem PDK-Getriebe. Mehr als 75% aller Porsche-Modelle haben heute ein PDK-Getriebe, der Panamera und der Macan sogar ausschließlich. Die Kunden wissen längst die Effizienz und Sportlichkeit zu schätzen.

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Die Wiederauferstehung des 962 C PDK

Im Oktober 2021 wurde Hans-Joachim Stuck gebeten, in Weissach auf der Porsche-Teststrecke einen Shake-Down mit einem Porsche 962 C zu fahren. Die Überraschung war gewaltig, als Achim Stendal, Leiter des Porsche-Heritage-Centers und des Museums, den vollkommen in den Ursprungszustand zurückversetzten Porsche 962 C PDK präsentierte. Zwei Jahre zuvor war die Entscheidung getroffen worden, den Wagen wieder zurückzubauen. Zuvor diente dieser 962 jahrelang als Testträger für verschiedene Komponenten und schlummerte anschließend lange Zeit im Lager. Für den Aufbau waren Armin Burger und Traugott Brecht aus der Abteilung ‚Historischer Motorsport‘ zuständig. Viele Teile mussten neu angefertigt werden, andere gab das große Ersatzteillager her. Rob Powell hatte 1987 das Design entworfen. Er ließ es sich nicht nehmen, wie damals mit derselben Akribie das Design wieder herzustellen.

Eine weitere Überraschung steckte in einem Plastiksack. Mitarbeiter des Porsche Museums hatten zufällig Hans-Joachim Stucks alten Rennoverall gefunden und er passte ihm immer noch perfekt. „Das hat sich angefühlt, wie nach Hause zu kommen“, schwärmt Stuck im Gespräch heute.
2022 wird der Porsche 956, respektive der 962 C, 40 Jahre alt. Die Abteilung ‚Historischer Motorsport‘ und das Porsche Museum werden den Geburtstag gebührend feiern und dabei wird auch wieder der Porsche 962 C PDK zu sehen sein.

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