Faszination Dragrace – Laut, schnell, zeitgenössisch

Autor: am Curbs Magazine » Racing » Faszination Dragrace – Laut, schnell, zeitgenössisch

Dragrace – diese Form des Motorsports hat seinen Ursprung in den 30er Jahren des letzten Jahrtausends. Aus dem „Hot Rodding“ halbstarker amerikanischer Jugendlicher wurde über die Jahrzehnte ein Million Dollar Business. Ein Einblick in den schnellsten Motorsport der Welt, in dem Geschwindigkeiten von über 500 Km/h an der Tagesordnung sind.

Dragracing, ein einzigartiges Beschleunigungsrennen

Wenn man schon einmal von Dragracing gehört hat, dann hat man eventuell Bilder von fl ammenspuckenden Top Fuel Dragstern im Kopf, die die Viertelmeile in knapp über 4 Sekunden zurücklegen. Lange „Zigarren“, mit riesigem Heckflügel. Für den Fan von gepflegtem Rundstreckensport erst einmal befremdlich. Wie fing das alles an?

curbs-klassischer-motorsport-magazin-dragrace-vor-dem-start

Ursprung des Sports war in den 1930er Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika. Genauer gesagt in Kalifornien. Heranwachsende schnappten sich die ausgedienten Ford Model T’s und andere zeitgenössische Fahrzeuge, die von ihrer Elterngeneration abgelegt wurden. Diese wurden dann aufgemotzt. Das waren die Ursprünge des Tunings. Hot Rodding wurde geboren. Motoren wurden bearbeitet, um mehr Leistung herauszuholen. Alles was man an Gewicht einsparen konnte wurde demontiert. Kotflügel, Sitze, alles was nicht der Leistungssteigerung diente wurde als unnötiger Ballast angesehen und entfernt.

Es gab noch keine Aftermarket Teile, keine Speed Shops / Tuning Werkstätten, in denen man sich sein Fahrzeug Aufmotzen lassen konnte. Alles wurde in Eigenleistung gemacht. Einen Austausch über Tuningmaßnahmen gab es in Car Clubs, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Die Teststrecke für die Umbauten waren der Öffentliche Verkehr, und ab 1937 auch die Dry Lakes von El Mirage und Bonneville im Bundesstaat Utah. Der Zweite Weltkrieg setzte dem Treiben erst einmal ein Ende.

curbs-klassischer-motorsport-magazin-dragrace-vor-dem-start-lkw

Danach entwickelte sich eine regelrechte Plage auf den kalifornischen Straßen. Halbstarke Raser mit ihren fliegenden Kisten duellierten sich bevorzugt am Abend auf den Hauptstraßen ihrer Städte. „American Graffiti“ und „Denn sie wissen nicht was sie tun“ greifen diese Zeit Cineastisch auf. Das geschehen wurde nun von Polizei und diversen Organisationen auf „Renn-strecken“ verlagert. Gestartet wurde zu-erst mit einer Flagge, ohne Zeitmessung, wer zuerst im Ziel war hat gewonnen. Das erste offizielle Rennen fand 1949 auf dem Goleta Airfield in Kalifornien statt.

curbs-klassischer-motorsport-magazin-dragrace-start

Warum es die ¼ Meile geworden ist, die klassische Distanz für ein Dragrace, das ist heute nicht mehr genau nachzuvollziehen. Ein US Häuserblock hatte die Maße einer ¼ Meile, man versuchte auch andere Streckenlängen, vielleicht war es aber auch nur die Distanz, die auf den Lande-bahnen zur Verfügung stand, wenn man eine passable Bremszone als Auslauf noch berücksichtigte. Auf jeden Fall war es dann letztendlich die ¼ Meile, 402 Meter und 34 Zentimeter, auf der die Dragraces ausgetragen werden.

Der Aufstieg des Dragrace

Organisationen wie die National Hot Rod Association (NHRA) und andere trieben den aufblühenden Sport in den 50ern und 60ern zu immer größerer Popularität. Es gab immer mehr Rennen, Meisterschaften in immer unterschiedlicheren Klassen, um den Spagat zwischen Straßenfahrzeugen und den hochentwickelten Spezialkonstruktionen mit Nitromethan, Lach-gas und Kompressoren ein Feld für fairen Wettkampf zu bieten.


In den 60ern entwickelten sich die Funnycars und Dragster mit ihren Nitro befeuerten Kompressor geladenen V8 Triebwerken zu den Königen des Sports. Corporate Amerika stieg in das Spiel mit ein. Modellautohersteller, Zigaretten, Bier, Fastfood Ketten, „you name it“, jeder investierte in top Teams und versuchte die Popularität des Sportes für seine Company zu nutzen. Preisgelder schossen in Millionenhöhe.

Wie das Dragrace nach Europa kam

Nach Europa schwappte die Welle 1964, als eine Delegation von Top Teams aus den Staaten zu einer kleinen Tour durch England aufbrachen.
Einige Zuschauer in England kannten die NHRA Drag Stars aus ihrer Heimat, denn viele US Soldaten waren zu Zeiten des „kalten Kriegs“ auf südenglischen Flugplätzen stationiert. Nicht wenige US Boys waren auch schon „back home“ auf der Viertelmeile aktiv, nun hatten sie oft Langeweile und riesige Landebahnen auf ihren Stützpunkten in England und anderen NATO Ländern. Da dauerte es nicht lange, bis die ersten Soldaten ihre klassischen US Cars etwas heiß machten und sich Duelle auf den Betonpisten lieferten. Das ganze wurde auch von US Militär-und Kultur-Organisationen unterstützt, denn so wurde die Moral hoch gehalten und der „American Way of Life“ zelebriert.

curbs-klassischer-motorsport-magazin-dragrace-klassiches-auto

Allein in Süddeutschland waren über 250.000 Gis stationiert, und die Garnisons Städte in der Provinz hatten oft den Beinamen „Klein-Amerika“, mit speziellen Angeboten, Autohändlern, Werkstätten, Musik-Clubs etc. für die zahlungskräftige US Kundschaft. Die deutsch-amerikanische Freundschaft gehörte dort zum Alltag und es war auch für Zivilisten leicht möglich, auf den US Bases den PX-Supermarkt zu besuchen, um dort „Hot Rod“ Magazine (und Getränke in Halb-Gallonen Flaschen) zu kaufen.

Manchmal wurde es am nun Wochen-ende laut auf den US Flugpisten, der Lärm kam nicht von Jets oder Propeller-Flug-zeugen, sondern V8 Motoren-Sound aus kurzen Auspuffrohren, wenn die Soldaten ihre Club-Rennen auf der Viertelmeile aus-fuhren. Das gefiel auch einigen deutschen Motorsport-Fans, und es dauerte nicht lange, da wurden die ersten deutschen Fahrer mit „frisierten“ Familien-Kutschen oder speziell für die Viertelmeile gebastelten Leichtbau-Rennwagen aktiv.

Das erste Dragrace Rennen in Deutschland

Das erste deutsche dokumentierte Dragrace gab es 1965 an der US Base von Ramstein, bald wurde auch auf anderen Flugplätzen in der Pfalz wie Sembach und Pirmasens Drag Racing gefahren, im Rhein-Main Gebiet auf Mainz-Finthen und auf dem Fliegerhorst Erlensee bei Hanau. Die Autos waren sehr unterschiedlich gebaut und motorisiert, aber das Regelwerk war einfach und gerecht. Es gab verschiedene Klassen, je nach Hubraum und Gewicht des Autos, und innerhalb dieser Klassen wurden dann die Zeit-Unterschiede an der Start-Ampel egalisiert. Wenn ein 12 Sekunden Auto gegen ein 14 Sekunden Auto fuhr, bekam der langsamere genau 2 Sekunden Vorsprung an der Ampel, und dann mußte der schnellere versuchen, ihn vor der Ziellinine zu schnappen. Wenn der schnellere dabei aber seine 12 Sekunden „Index“ Zeitvorgabe unterbot, war er raus, so war jeder Rennlauf spannend und gerecht, die Entscheidung fiel oft erst Zentimeter vor der Ziel-Lichtschranke.

curbs-klassischer-motorsport-magazin-dragrace-header
Für echte Serien-Wagen gab es die Klasse „Stock“, leicht getunt mit Serien-teilen war „Super Stock“, und die „echten“ Dragster wurden in „Competition Eliminator“ zusammengefaßt. An jedem Renn-Sonntag wurde bis zum Klassensieger gefahren, und dann gab es die Rennen um den „Overall Eliminator of the Day“, Klassen-übergreifend mit Zeitversatz. Da konnte es schonmal vorkommen, daß ein 200er Diesel Mercedes mit 22 Sekunden gegen einen 1.000 PS „Hot Rod“ mit 12er Zeiten gewonnen hat und das dicke Preisgeld von über 1.000$ nach Hause mitnehmen konnte !
Das Starterfeld war bunt und vielfältig, vom Käfer mit Judson Kompressor über Opels mit Rundstrecken- oder Slalom Hintergrund bis zu klassischen V8 US Cars, die man in den 70ern für „Kleingeld“ kaufen konnte, wenn die US Soldaten wieder nach Hause abkommandiert wurden.Aber auch kurze Dragster Chassis mit 4Zylinder von VW, Opel, Ford, Renault oder Volvo waren erfolgreich.Einige der Pioniere des deutschen Drag Racing sind bis in die 2000er Jahre aktiv gewesen und haben viele nationals und europäische Dragster Rennen gewonnen.
Von den ersten Vereinen hat nur die Hanau Auto Racing Association überlebt, mit ihren Rennen in Erlensee und später Giebelstadt bei Würzburg, der HARA e.V. feierte in 2019 50jähriges Jubiläum und stellt noch heute regelmäßig deutsche DMV und DMSB Meister sowie FIA Europa Champions.
Eine eigene Rennstrecke hat die HARA aktuell nicht, die aktiven sind in Deutschland bei den NitrOlympX in Hockenheim am Start und bei kleineren DMSB „Sports-man“ Rennen auf deutschen Flugplätzen, außerdem geht’s „auf Tour“ ins europäische Ausland zu den lokalen Viertelmeilen.


Holen Sie sich Curbs #52 mit dem Dragrace-Bericht bequem nach Hause – direkt über unseren Online-Shop