Der Lotus 76 JPS-9 – Ein innovativer Flop!

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„Zwei“ Bremspedale, eine nicht funktionierende elektrische Kupplung – lediglich für die Gangwechsel nach dem Anfahren – und aerodynamische Korrekturen, die nie richtig zur Geltung kamen: Der Lotus 76 JPS-9 konnte die Erfolgsserie des Typs 72 nicht fortsetzen.

Lotus wollte mit dem Lotus 76 JPS-9 eine kleine Revolution

Mit dem Lotus 72 hatte Colin Chapman in der Formel 1 eine lange Siegesserie. 1970 und 1972 holte man jeweils die Fahrer- und Konstrukteurs Titel sowie 1973 abermals den Konstrukteurs-Titel. Auch wenn der Lotus 72 noch immer ein Erfolgsgarant war, musste für 1974 der nächste Geniestreich her und so plante Chapman mit dem Lotus 76 die erfolgreiche Nachfolge des 72er. Chapman setzte Designer Ralph Bellamy an die Aufgabe etwas Innovatives zu bringen. Der Lotus 76 sollte aerodynamisch noch effizienter sein und bekam so ein schlankes Design, bei dem die Kühler im Monocoque integriert waren, anstatt wie beim 72er in extra breiten Seitenkästen Platz zu finden. Auch wenn die «Nase» noch an den 72 erinnerte, so war sie doch um einiges schlanker und noch keilförmiger. Auffallend war auch das Heck, das erstmalig mit einem Doppelflügel daher kam und für mehr Abtrieb sorgen sollte. Der neueste Clou sollte die erste elektrische Kupplung sein. Zwar konnte der Fahrer noch mit einem herkömmlichen Kupplungspedal losfahren und starten, alle folgenden Gangwechsel aber sollten per Knopfdruck auf dem Schalthebel elektrisch die Kupplung betätigen und zu schnelleren Gangwechsel führen. Dazu wunderten sich Beobachter über «vier» Pedale im Cockpit. Ein V-Förmiges Bremspedal, also je eine Betätigung Rechts und Linksseitig der Lenkstange, sollte dem Fahrer auch ein Linksbremsen ermöglichen.

Der Lotus 76 JPS-9 erlebte in Kyalami ein Debakel

Lotus rückte euphorisch zum ersten Grand Prix nach Kyalami aus und wurde schnell mit Startplätzen im Mittelfeld auf den Boden der Realität zurückgeholt. Die elektrische Kupplung versagte kläglich und so haderte Ronnie Peterson nicht nur mit dieser. Jacky Ickx, der Colin Chapman klar gemacht hatte, nur mit drei Pedalen im Lotus fahren zu wollen, schied mit versagenden Bremsen aus. Schlimmer noch: Mit klemmenden Gasschiebern schoss Ronnie in der ersten Kurve der zweiten Runde breitseits auf den Wagen von Ickx zu und demolierte die Vorderrad-Aufhängung. Unterbrochen von sechs Boxenstopps drehte Ickx mit dem, angeschlagenen Lotus noch einige Testrunden. Man verzichtete bald auf die elektrische Kupplung und kehrte zum normalem Kuppeln über das Pedal zurück. Im Laufe der Zeit ersetzte man auch den Doppeldecker Heckflügel gegen den des Lotus 72 und verpflanzte versuchsweise auch mal das gesamte Heck des Lotus 72. Doch selbst mit dem 72er-Heck fanden die Fahrer keinen „Bezug“ zum Auto und tendierten früh in der Sai-son wieder zum erprobten Lotus 72.

Zurück zum Lotus 72

Bereits beim vierten Grand Prix 1974 in Monte Carlo, wechselte Ronnie Peterson nach drei Nicht-Ankünften bei den Grands Prix von Süd-Afrika, Spanien und Belgien wieder auf den Lotus 72 und gewann prompt das Rennen in Monaco. Zwar führte Peterson vorher auch beim Spanien GP mit dem 76er und stand auch auf der Pole Position, dies aber im Regen, um anschließend bei abtrocknender Strecke mit Überhitzungsproblemen auszufallen. Als Ausfallgrund bei Jacky Ickx las man oft: Bremsdefekt! Wie auch beim Lotus 72 behielt man die innenliegenden Bremsscheiben bei, die man über Wellen vom Rad nach innen verband, was aber oft eine gefährliche Schwachstelle war. 1970 war dies schon die Todesursache bei Jochen Rindt`s Unfall. Jacky Ickx vermochte sich nicht länger diesem Risiko aussetzen und wechselte auch deshalb wie auch Peterson auf den Lotus 72 zurück, nachdem er vermehrt Bremsprobleme und haar-sträubende Unfälle hatte. Nun diente der Lotus 76 maximal als T-Car oder als Not-nagel nach Unfällen mit dem Lotus 72. Der von uns gefahrene Lotus 76 mit der Chassis-Nummer JPS-9 bekam noch eine letzten Gnadenfrist beim Grand Prix der USA mit Tim Schenken am Steuer. Doch Schenken konnte sich nicht einmal qualifizieren. Am Sonntag mogelte er sich trotz Nichtqualifikation ins Rennen, wurde aber logischerweise disqualifiziert. Dies war der letzte offizielle Einsatz von Chassis JPS-9, das fortan im Besitz der Familie Chapman und des Lotus Historic Teams blieb, ehe es 2002 an einen amerikanischen Sammler verkauft wurde und nun bei historischen Events seinen Platz fand und auch neue Besitzer. Jetzt ist JPS-9 im Besitz der Firma ChromeCars und ist ein fester Bestandteil der «Black & Gold Collection». Auch wenn es nun im historischen Bereich kein „Frontrunner“-Auto ist, wird ChromeCars dieses geschichtsträchtige Auto 2022 in Monaco fahren lassen.

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