Brabham: Auch die Kunden waren Könige

Sir Jack Brabham, der 2014 im hohen Alter von 88 Jahren verstarb, war im Motorsport der Alleskönner an sich, um nicht zu sagen ein Universalgenie. In punkto Rennwagen-Technik brachte sich der Autodidakt und Tüftler Brabham alles selbst bei, Erkenntnisse und Kenntnisse wuchsen durch permanentes learning by doing.
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BRABHAM BT 30 FORMEL 2, HIER CHASSIS- NUMMER 11, EX-JOHN WATSON 1970/71

Während des Zweiten Weltkriegs hatte der Australier Jack Brabham sein Berufsleben als Flugzeugmechaniker der Royal Australian Air Force begonnen, nach dem Krieg mit Hilfe eines Onkels in Sydney eine kleine Werkstatt eröffnet, in der er unter anderem für einen Rennen fahrenden Freund an Midget Cars für Dirt Track Ovale baute und schraubte.

Als sich der Freund aus dem Motorsport zurückzog und Jack Brabham auch das Cockpit überließ, wurde dieser viermal hintereinander australischer Midget-Champion und zudem noch 1953 australischer Bergmeister in einem Cooper-Bristol-Sportwagen.

Cooper war Mitte der 50er Jahre auch seine Anlaufstation, als er mit wachsenden Motorsport-Ambitionen nach England übersiedelte. Vater Charles und Sohn John Cooper, die in den Jahren zuvor bereits in der Formel 3 mit Mittelmotor-Konstruktionen mächtig für Furore gesorgt hatten, fanden schnell Gefallen am stillen Australier mit dem ausgeprägten Fahrkönnen und ausgefeilten technischen Verständnis. Auch mit etlichen seiner Ideen avancierten die Cooper-Rennwagen dann in der zweiten Hälfte der 50er Jahre ebenfalls mit Mittelmotoren in den Formeln 2 und 1 zum Maß der Dinge bis hin zum Gewinn zweier Formel-1-Weltmeisterschaften in Folge durch Jack Brabham 1959/60. In diesen Jahren baute er auch sein erstes Rennwagen-Chassis. Noch während seines letzten Cooper-Jahres gründete er schließlich 1961 noch streng geheim mit einem australischen Freund, dem begnadeten Ingenieur Ron Tauranac, Motor Racing Developments (MRD) in Milton Keynes zur Herstellung eigener Rennwagen unter dem Namen Brabham.

AUCH STABILITÄT UND ZUVERLÄSSIGKEIT WAREN BRABHAM-THEMEN

Bis zum Ausscheiden Brabhams aus dem Unternehmen Ende 1970 – er hatte schon Ende 1969 seine Anteile an Tauranac verkauft – inszenierten die beiden innerhalb weniger Jahre eine Erfolgsstory sondergleichen. Sie bauten Rennwagen für nahezu alle Formeln, gelegentlich auch Rennsportwagen und kaum einen Flop.
Was sie in die Hand nahmen, wurde zu Gold. Sie stellten zwar nicht die revolutionären Geniestreiche wie ein Colin Chapman bei Lotus auf die Räder, Brabham-Rennwagen waren aber fortschrittliche und bewusst solide Handwerkskunst, eher Produkte einer fruchtbaren Evolution. Haltbarkeit, Stabilität, Zuverlässigkeit waren auch Brabham-Themen; länger als andere hielt Brabham beispielsweise am Gitterrohrrahmen fest. Und so fand MRD für die Formelwagen zahlreiche Kunden in der halben Welt zwischen Amerika, Südafrika und Down Under. Kaum ein anderer Hersteller von Formelwagen dürfte in jenen Tagen so gut vom Rennwagen-Verkauf und dem Service für die Kunden gelebt haben wie Brabham.

Beste Werbung waren natürlich auch die herausragenden Erfolge, die Jack Brabham mit seinen Wagen erzielte. Er ist immer noch der einzige Renfahrer in der Motorsportgeschichte, der mit einem selbst gebauten Formel 1 Weltmeister wurde, 1966. Gleich im Jahr darauf konnte Brabham hier sogar den Doppelerfolg feiern, Teamkollege Denis Hulme wurde Champion vor Jack Brabham.


Bis ins relativ hohe Alter von 44 Jahren hinein blieb der Australier auch fahrerisch in der Formel 1 voll konkurrenzfähig, gewann 1970 noch den Grand Prix von Südafrika in Kyalami und hatte bis Saisonmitte wieder eine Titelchance. Auch in jenem letzten Jahr als Aktiver startete er noch wiederholt ebenso in der Formel 2 und demonstrierte hier, wie in den Vorjahren auch, selbst wieder das Potenzial seiner Produkte, wie sie die Kunden fuhren – Drittschnellster im Qualifying in Pau, Zweiter im Rennen in Tulln-Langenlebarn.


Seit Wiedereinführung der Formel 2 1964, zunächst mit Einliter-Motoren bis 1966, ab 1967 dann mit 1,6-Liter-Aggregaten, dominierten die Brabham-Konstruktionen diese Formel lange Zeit von der Anzahl der jährlichen Rennsiege her bis Ende 1968, später dann im Hinblick auf die Verbreitung im Starterfeld. Und auch das mag Verkaufserfolge noch gefördert haben – es waren die Brabham-Kunden, die hier zuerst siegten, Jochen Rindt in Crystal Palace und Alan Rees in Reims 1964 auf dem Brabham BT 10-Cosworth SCA. In der Saison 1966, als Jack Brabham und Denis Hulme mit ihren Werks- BT 18-Honda alles in Grund und Boden fuhren, siegten nur in zwei der 16 Formel-2-Rennen andere Fabrikate. Ein Jahr vor Einführung der Formel-2-Europameisterschaft 1967 gewann Jack Brabham nebenher die französische Formel-2-Meisterschaft mit vier Siegen in sechs Rennen.

Erfolgreichster Brabham-Privatfahrer in den Jahren 1964 bis 1968 an Rennsiegen gemessen war der unvergessene Jochen Rindt für seine Teams Ford Motor Company Österreich und Roy Winkelmann Racing, der in dieser Zeit nicht weniger als 19 Formel-2-Rennen gewann und als in der Formel-2-Europameisterschaft ab 1967 nicht punkteberechtigter A-Fahrer dennoch von den Journalisten wiederholt den Titel „König der Formel 2“ verliehen bekam.

Und nur noch am Rande ergänzt: Zwischen 1965 und 1970 fuhren nicht weniger als zehn nationale Formel-3-Meister in Dänemark, Großbritannien, Italien und Schweden einen Brabham. Auch Mike Eyerly, 1969 der Meister der nordamerikanischen SCCA Continental Championship Formula B, vom Reglement her artverwandt der Formel 2, fuhr da einen Brabham, den BT 18.

DIE NEUE LINIE

Der Brabham BT 30, der 1969 erschien, war nach den Typen BT 10, BT 16, BT 18, BT 23 und BT 23 C die sechste Formel-2-Konstruktion des Hauses. Und schon rein äußerlich war er von den Vorgänger-Modellen bereits auf den ersten Blick sehr gut zu unterscheiden, da auch er – wie der Formel-3-BT 28 und der Formel-B-BT 29 als parallele Entwicklungen – die neue Brabham-Design-Linie verkörperte. Insbesondere zeigte sich nun die Wagenschnauze nach hinten abgeschrägt und hoch gewölbt. Im Vergleich zur gerade aktuellen Formel-3-Konstruktion wies das Fahrgestell des BT 30 aber einen komplizierteren, geradezu komplexen Gitterrohrrahmen auf.

Die Vorderradaufhängung war mit ungleich langen Querlenkern und einstellbarem Stabilisator, die Hinterradaufhängung mit umgekehrt untenliegenden Querlenkern, einzelnen Linkleisten, doppelten Längslenkern sowie ebenfalls einstellbarem Stabilisator ausgeführt. Vorn und hinten kamen einstellbare Armstrong-Stoßdämpfer zum Einsatz. Der Wagen rollte auf Brabham-Magnesium-Felgen, vorn in der Größe 10×13, hinten 12×13. Verzögert wurde der BT 30 über Girling-Scheibenbremsen rundum mit doppeltem Hauptbremszylinder und Aluminium-Bremssätteln.

Kraftquelle im Heck war der bewährte Ford Cosworth FVA-Reihenvierzylinder mit vier Ventilen pro Zylinder, der in jenen Tagen etwa 235 PS leistete. Die Kraft wurde über ein Hewland FT 200-Fünfgang-Getriebe auf die Hinterräder übertragen. In der Ausführung 1969 verfügte das Auto über zwei Kraftstofftanks aus Aluminium, die 1970 durch die vom Reglement neu geforderten Gummi-Sicherheitstanks ersetzt wurden, die in beide Seiten des Monocoques integriert wurden und dem BT 30 eine bauchigere Optik verliehen. Da seine Auslieferung 1969 nur schleppend in Gang kam – Brabham kam der Flut der Bestellungen für alle Formeln kaum noch nach -, war der BT 30 die erste Formel-2-Konstruktion des Hauses, die auch noch im Folgejahr den hier modernsten Stand der Technik repräsentierte.

Im Gegensatz zu den 1969/70 in der Formel 2 auch vertretenen Herstellern wie BMW, Ferrari, Matra oder Tecno beispielsweise wurde der Brabham BT 30 ausschließlich von privaten Teams eingesetzt, wobei aber zumindest das 1970 von John Coombs wechselweise für Jackie Stewart, Jack Brabham und Joakim Bonnier eingesetzte Auto sowie der von Tom Wheatcroft für Derek Bell präparierte Wagen sicher noch eine besondere Aufmerksamkeit seitens Brabham genossen.

DEREK BELL MIT GROSSER TITELCHANCE IM BT 30 1970

Und schon in der ersten Saisonhälfte 1969 waren die ersten Kunden des Autos mit Podiumsplatzierungen Könige, Piers Courage im Frank Williams-BT 30 als Dritter in Zolder und Reims, Peter Westbury im eigenen Auto als Dritter des Rheinpokalrennens in Hockenheim und Zweiter des „Gran Premio della Lotteria“ in Monza sowie Richard Attwood ebenfalls im Frank Williams-BT 30 und Kurt Ahrens im eigenen Wagen als Zweiter und Dritter der Formel-2-Wertung im Rahmen des Großen Preises von Deutschland auf der Nürburgring-Nordschleife. Courage und Westbury fuhren dann in der zweiten Saisonhälfte beim Mittelmeer-Grand Prix in Enna und beim Flugplatzrennen München-Neubiberg auch die ersten Siege für die Konstruktion ein.

In der Formel-2-Europameisterschaft 1970 sah der Brite Derek Bell im BT 30 lange Zeit mit sehr starker erster Saisonhälfte wie der kommende Titelträger aus. Hinter Jochen Rindt im Lotus 69 und Jackie Stewart im Coombs-BT 30 war er als Dritter bereits Bester der punkteberechtigten B-Fahrer beim Saisonauftakt in Thruxton. Nach einem dritten Rang im „Jim Clark Gedächtnisrennen“ in Hockenheim siegte er dann beim Grand Prix Barcelona, punktete in Enna und Imola sowie als Vierter und zweitbester B-Fahrer noch einmal höher auf dem Flugplatz in Tulln-Langenlebarn. Seine bestechende Form unterstrich er dazwischen zusätzlich noch mit zweiten Plätzen in den Nicht-EM-Läufen Eifelrennen Nürburgring und Zolder, jeweils hinter Rindt im Lotus 69. Aber es reichte ihm letztlich dennoch nicht, denn Clay Regazzoni im Tecno schaffte mit drei Siegen im „Jim Clark Gedächtnisrennen“, Enna und Imola sowie als Zweiter und bestplatzierter B-Fahrer in Crystal Palace viermal neun Punkte und fing den in der Tabelle lange führenden Bell mit seinem zweiten Platz im Finale, beim „Preis von Baden-Württemberg“ in Hockenheim, noch ab – als neuer Europameister.

1970 war der Brabham BT 30 das am häufigsten eingesetzte Fahrzeug in der Formel-2- Europameisterschaft. Von den 40 Fahrern, die in dieser Saison Punkte in der Formel-2-EM erzielten, waren 22 mit einem BT 30 am Start. Insgesamt wurden von diesem Fahrzeugtyp 26 Exemplare hergestellt.

DER WAGEN, DER JOHN WATSON IN DIE FORMEL 1 BRACHTE

Bei dem auf diesen Seiten präsentierten BT 30 handelt es sich um die Fahrgestellnummer 11, jenes Auto, mit dem sich der Nordire John Watson in den Jahren 1970/71 in den Fokus Formel-1-Anwärter fuhr. Watson kaufte BT 30-11 mit Unterstützung seines Vaters Marshal für die Europameisterschaft 1970 und machte mit der einen oder anderen Glanztat sofort auf sich aufmerksam. Gleich beim Saisonauftakt in Thruxton Ende März belegte er im zweiten Vorlauf hinter Jochen Rindt im Lotus 69 und Jacky Ickx im BMW F 270 den dritten Platz. Und im Qualifying zum Grand Prix Barcelona fuhr er neben den Marken- und Typgefährten Henri Pescarolo und Derek Bell als Drittschnellster in die erste Startreihe.

Seinen Auftritten fehlte aber noch die Konstanz, es war mehr ein Auf und Ab. Beim „Jim Clark Gedächtnisrennen“ in Hockenheim und in Crystal Place konnte er sich nicht für die Rennen qualifizieren, bei seinem neunten Platz im Eifelrennen auf dem Nürburgring lagen unter anderem auch vier andere BT 30-Fahrer noch vor ihm im Ziel. Dann erlebte er Ende Juni den Tiefpunkt in Rouen, als er sich bei einem schwereren Unfall im Qualifying Arm und Bein brach. Seine Saison 1970 war damit vorzeitig zu Ende.

Watson ließ den Wagen bei Brabham aber für die Saison 1971 wieder aufbauen, wobei er gleich einige technische Details des neuesten BT 36 erhielt; dazu gehörten auch die eckigere Karosserie mit größerer Cockpit-Öffnung, ein größerer Heckflügel aus Aluminium, das Armaturenbrett und hinten innenliegende Bremsen mit kleinen Änderungen am Rahmen. Die kleine Motorabdeckung ist einzigartig für Watsons BT 30. Er kam nun etwas besser und vor allem in der zweiten Saisonhälfte auch deutlich konstanter in Fahrt. Zwölfter im Eifelrennen Nürburgring, Elfter in Jarama, Achter in Vallelunga zeigten schon einen Aufwärtstrend. Dann gewann er am 11. Juli 1971 die “Leinster Trophy” im Mondello Park in Irland – und der Knoten war geplatzt. In den nächsten sechs Rennen bis zu seinem Saisonende 1971 platzierte er sich immer unter den ersten Acht und sammelte währenddessen in den EM-Läufen Mantorp Park, Tulln-Langenlebarn und beim „Gran Premio di Roma“ in Vallelunga auch noch fünf EM-Punkte durch zwei fünfte Plätze und einen sechsten Rang. Ein Jahr später dann debütierte „Wattie“ beim „World Championship Victory Race“ in Brands Hatch mit dem Eifelland-March 721 in der Formel 1 und wurde auf Anhieb Sechster.


Sein Formel-2-Brabham BT 30-11 ging in der Folge noch durch einige Hände und wurde zwischen 1972 und Ende 1976 zumeist in so genannten „Formula Libre“-Rennen in Großbritannien eingesetzt. So stehen für das Fahrgestell allein in der Historie mehr als 60 Renneinsätze zu Buche, später auch mit anderen Motoren gefahren wie beispielsweise 1,8-Liter-Ford Cosworth FVC, 1,6-Liter-Ford Cosworth BDA oder 2,0-Liter-Ford Cosworth BDG. Die Fahrer in der Zeit 1972 bis 1976 waren die Briten Bob Howlings, Tony Dean und Philipp Guerola.


Nach einigen weiteren Besitzerwechseln ohne weitere dokimentierte Renneinsätze übernahm der Ire Ian Gray, ein ausgesprochener John Watson-Fan, den Wagen 2004 und setzte ihn gemeinsam mit seinem Sohn Colin regelmäßig im Historischen Motorsport überwiegend in der Derek Bell Trophy und Historischen Formel-2-Rennen des Historic Sports Car Club (HSCC) ein. „Ich genoss jede Stunde in diesem Auto“, bekundet Gray. Mit einem 65er Ex-John Watson-Formel-2-Brabham BT 16, den Watson 1967 und 1968 vor dem BT 30 fuhr, wurde Ian Gray parallel 2008, 2010 und 2011 auch HSCC Classic Racing Champion. 2014 verkaufte er BT 30-11 an den Deutschen Max Blees, seit Jahren ein schneller Mann in diversen historischen Formelwagen, der auch mit BT 30-11 in seiner Epochenklasse der HSCC Historic Formula 2 Championship 2014 und 2015 bereits mehrfach vordere, punktrelevante Platzierungen herausfuhr.

Er fährt „Watties“ Formel-2-Brabham aktuell mit dem etwas schwächeren 1,6-Liter-Ford Cosworth BDA-BDD-Vergaser-Motor in der Spezifikation für die seinerzeitige Formel Atlantic. Dieses Triebwerk produziert zirka 215 PS. Und wie fährt er sich? „Der macht keine Probleme“, attestiert Max Blees begeistert. „Das ist ein regelrechter ‚Volkswagen‘.“