Porträt eines Klassikers – Der Porsche 904/8

Als er erschien, sah er nicht unbedingt wie ein typischer Porsche aus. In einer Zeit, in der der 356 noch in C-Version vom Band lief und der 911 im September 1963 gerade auf der IAA in Frankfurt präsentiert worden war, fehlten dem Carrera GTS oder eben der Porsche 904 – so die werksinterne Namensgebung – allenthalben die seinerzeit für die Marke so charakteristischen Rundungen, mit Ausnahme des gewölbten Wagenhecks.
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Der Porsche 904/8 – Noch eins Drauf gesetz

Vor 50 Jahren erstmals auf der Rennstrecke: Das Porsche 904/8 Coupé. Fahrgestellnummer 904-009

Sowohl im Vergleich zu den damaligen Straßensportwagen des Hauses als auch zu den letzten Renn-Prototypen und Granturismo-Wettbewerbsversionen – wie etwa 718 GTR und 356 B Carrera Abarth GTL – kam der Porsche 904 eher kantiger und eckiger daher.

Dennoch charakterisierte bereits diese eigenwillige, durchaus schnittige und wohlproportionierte Außenhaut des Coupés 904, dessen Produktion im November 1963 anlief und das im Frühjahr 1964 auf den Markt kam, das Auto als etwas Besonderes. Richard von Frankenberg, Porsche-Werksfahrer der 50er Jahre und hernach namhafter Motorjournalist, mehrfacher Buchautor und Fernseh-Reporter bei Rennen, testete 1964 einen der ersten 904 mit Zweiliter-Vierzylinder-Motor auf einer Fahrt von Stuttgart nach Kitzbühel und attestierte ihm in seinem Buch „Der Sportwagen“: „Er war das letzte Auto, mit dem man einerseits bei großen Rennen wie zum Beispiel der Targa Florio sehr schnelle Rundenzeiten erreichte, das man – mit gewissen Einschränkungen – aber auch noch auf der Straße bewegen konnte.“

Ein Championat, das Porsche geradezu auf den Leib geschneidert war

Nach zwei insgesamt enttäuschenden Jahren in der Formel 1 mit nur einem einzigen Grand Prix-Sieg durch Dan Gurney im 1,5 Liter-Achtzylinder-Typ 804 im französischen Rouen 1962 und dem werksseitigen Rückzug dort zum Saisonende 1962 konzentrierte sich Porsche mit der Entwicklung des 904 in der Rekordzeit von etwa einem Dreivierteljahr auf ein anderes Championat, in dem Weltmeister-Ehren möglich waren und das dem traditionellen Hersteller von Straßensportwagen geradezu auf den Leib geschneidert war.

Denn nach neun Jahren Sportwagen-Weltmeisterschaft 1953 bis 1961, in der eine Marke mit Rennsportwagen Punkte in den Gesamtklassements bedeutender Langstreckenrennen einfahren konnte, hatte die FIA ab 1962 stattdessen eine Granturismo-Weltmeisterschaft für die Wettbewerbs-Versionen von Straßensportwagen in drei Hubraum-Divisionen bis 1.300 ccm, 2.000 ccm und über 2.000 ccm eingeführt (sie lief dann in dieser Form bis Ende 1965) mit dann drei Titelträgern am jeweiligen Saisonende. Insbesondere auch die werksseitigen Rückzüge der Rennsportwagen von Jaguar 1956, Maserati 1957 und Aston Martin 1959 hatten die Spitze des Feldes in der Sportwagen-WM qualitativ doch stark ausgedünnt, wesentlich waren hier nur Ferrari und Porsche geblieben, zunehmend drohte Monotonie.

Eine nicht unwesentliche Bedingung für die Homologation zum Granturismo in diesem Sinne und damit zur Teilnahmeberechtigung an der GT-WM war allerdings, dass das jeweilige Auto – im Gegensatz zu den vorher eingesetzten Rennsportwagen und Sportwagen in deren WM – in nachgewiesen mindestens 100 Exemplaren hergestellt wurde. Und so baute Porsche mit dem Typ 904 als Kompromisslösung auf hohem Niveau eigentlich einen speziell für den Wettbewerb konstruierten Rennwagen, der aber auch eine Freigabe nach der StVZO für den öffentlichen Straßenverkehr erhielt – letztlich auf Grund hoher, weltweiter Nachfrage privater Rennfahrer sogar in einer Serie von 116 Stück. Restliche Teile für vier weitere Wagen dienten als Ersatzteillager.

Ein Novum in der Unternehmesgeschichte

Wie den Porsche 911 entwarf Ferdinand Alexander „Butzi“ Porsche auch den 904. Er war der erste Porsche in Stahl-/Kunststoff-Bauweise, ein Novum in der Geschichte des Unternehmens. Für die Außenhaut verwendete Porsche erstmals ein glasfaserverstärktes Polyesterharz von BASF. Die von Heinkel in Speyer gefertigte Karosserie des nur 1,04 Meter hohen Wagens überzeugte auch mit einem für die Zeit extrem guten Luftwiderstandsbeiwert von 0,355 (im Vergleich zu 0,363 beim Porsche 911 beziehungsweise 0,398 beim 356 C beispielsweise). Karosserieträger wurde statt eines Gitterrohrrahmens ein leichter und kostengünstig zu produzierender Kastenrohrrahmen aus Stahl, der aus zwei stabilen Längsträgern bestand, zwischen denen mehrere Querstreben eingeschweißt wurden. Die Porsche-Konstrukteure wählten nicht die nahe liegende Lösung eines Fahrzeugs mit Rohrrahmen, weil ihnen der Aufwand zum Schweißen des Rahmens in Handarbeit bei der zu erfüllenden Mindeststückzahl von 100 zu aufwändig erschien. Zudem legten die Stuttgarter bereits bei der Entwicklung ein großes Augenmerk darauf, den Wagen kostengünstig zu produzieren. Die Karosserie wurde mit dem Kastenrahmen verklebt und zusätzlich verschraubt. Obwohl ein Kastenrahmen gemeinhin als weniger verwindungssteif als ein Gitterrohrrahmen galt, erwies sich die nur 145 Kilogramm wiegende Karosserie-/Rahmeneinheit als deutlich verwindungssteifer beispielsweise als die eines Porsche 550 Spyder oder Porsche Carrera Abarth.

Pedale und Lenkrad Verstellbar für die optimale Position

In punkto Fahrwerk wies der Porsche 904 rundum Einzelradaufhängung an schrägliegenden Doppelquerlenkern auf, die in Gummibuchsen gelagert waren. Die Federung übernahmen Schraubenfedern mit innenliegenden Stoßdämpfern. Querliegende Stabilisatoren vorn und hinten verringerten die Seitenneigung in Kurven. Die hydraulisch betätigte Zweikreisbremsanlage mit Scheibenbremsen war vom Porsche 911 übernommen und für den Renneinsatz verstärkt worden. Der Wagen wurde wahlweise mit zwei Bereifungen ausgeliefert. Der Käufer konnte sich für 185/70-HR-15-Gürtelreifen oder Rennreifen der Größen 5.50-15 vorn und 6.00-15 hinten entscheiden. Aufgezogen wurden die Reifen jeweils auf 15-Zoll-Lochscheibenrädern aus Stahl mit unterschiedlichen Breiten von fünf bis sieben Zoll.

Zur besseren Gewichtsverteilung befanden sich der 110 Liter-Benzintank, der Ölkühler und das vorgeschriebene fertig montierte Reserverad unter der Fronthaube. In den abnehmbaren Heckdeckel war der vom FIA-Reglement für GT-Fahrzeuge vorgeschriebene Kofferraum mit den Mindestmaßen von 65 × 40 × 20 Zentimeter integriert. Der Innenraum präsentierte nur die für den sportlichen Einsatz notwendigen Instrumente und Ausrüstungsgegenstände. Die Schalensitze waren fest mit der Karosserie verbunden. Dagegen ließen sich die Pedale und das Lenkrad des Porsche 904 in Längsrichtung verstellen, um unterschiedlichen Fahrern eine optimale Sitzposition zu ermöglichen. Die Plexiglas-Fenster in den Türen konnten bei den ersten Fahrzeugen nur durch horizontales Schieben geöffnet werden. Später wurden auch versenkbare Scheiben (Kurbelfenster) mit kleinen Dreiecksfenstern davor hergestellt.

Letztes Modell mit dem Fuhrmann-Motor

Der erste Porsche 904 war das letzte Modell der Marke, das den von Ernst Fuhrmann konstruierten rennerprobten Zweiliter-Vierzylinder-Boxermotor vom Typ 587/3 mit Luftkühlung und Trockensumpfschmierung erhielt, als Mittelmotor hinter dem Cockpit mit dahinter liegendem, neu entwickeltem Fünfgang-Schaltgetriebe. Die Wahl dieses Motors wurde damit begründet, dass für einen international verkauften Rennwagen genügend Ersatzteile und Wartungskenntnisse bei den Mechanikern vorhanden sein müssten.

Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe und Zylinder waren aus Leichtmetall. Die Zylinderinnenseiten hatten Ferral-Laufflächen, die günstig für die Ölhaftung und Schmierwirkung waren. Die Ventile wurden über je zwei obenliegende Nockenwellen mit Königswellenantrieb gesteuert. Für die Gemischaufbereitung setzten die Motoringenieure zwei Fallstrom-Vergaser von Weber oder auch Solex ein. Der Motor hatte Doppelzündung mit zwei Zündverteilern und zwei Zündkerzen je Zylinder. Die 12-Volt-Zündanlage wurde von einer 450-Watt-Lichtmaschine gespeist. Im Straßen-Sportwagen leistete das Triebwerk mit einer Verdichtung von 9,8 : 1 bei einer Drehzahl von 6.900/min maximal 114 kW (155 PS). Für den Renneinsatz wurde die Leistung auf 132 kW (180 PS) bei 7.200/min gesteigert, die auf maximal bis zu 136 kW (185 PS) angehoben werden konnte.

Fünf Wochen im Renneinsatz-Targa-Florio-Gesamtsieg

Im Rahmen jener Granturismo-Weltmeisterschaft hatte die FIA seinerzeit parallel auch eine „Internationale Prototypen-Trophäe“ ausgeschrieben für so genannte GT-Prototypen, um den Herstellern hier die Möglichkeit zu geben, zukünftige GTs im Sinne des Sportgesetzes schon einmal unabhängig von der Erfüllung der Mindeststückzahl ausprobieren zu können. Wesentlich wurden hierfür die Ergebnisse im Gesamtklassement der großen Langstrecken-Klassiker 12h Sebring, Targa Florio, 1000 km Nürburgring und 24h Le Mans gewertet. Tatsächlich erwies sich diese Kategorie hernach eher als ein Sammelbecken für reinrassige Rennsportwagen vorhergehender Prägung, selbst wenn das eine oder andere Auto – wie etwa der Lola GT von 1963 oder der Ford GT von 1964 – das „GT“ immerhin in der Typenbezeichnung trugen – ganz abgesehen einmal auch von allen Ferrari-Prototypen jener Tage, die mit den Straßensportwagen des Hauses kaum mehr als den Markennamen gemein hatten. In dieser Kategorie musste auch der Vierzylinder-Porsche 904 bei den 12h Sebring am 21. März 1964 noch sein Renn-Debüt feiern, weil zu diesem Zeitpunkt die Homologation zum Granturismo noch nicht erfolgt war. Aber die beiden Amerikaner Briggs Cunningham und Lake Underwood inszenierten auch unter diesen Bedingungen im Cunningham-904 eine sehr eindrucksvolle Motorsport-Premiere der Konstruktion. Sie platzierten das Auto als viertbesten „Prototyp“ hinter drei Ferrari auf Rang neun im Gesamtklassement und gewannen dabei noch die Prototypen-Klasse bis drei Liter Hubraum.

Nur fünf Wochen später – und nur fünf Monate nach Vorstellung des Porsche 904 – konnten zwei als Granturismo-Versionen homologierte Werkswagen mit den Fahrern Antonio Pucci/Colin Davis und Gianni Balzarini/Herbert Linge am 26. April 1964 dann sogar einen triumphalen Doppelsieg im Gesamtklassement bei der Targa Florio feiern – das Auto offenbarte erneut bereits mit dem Vierzylinder-Motor große Potenziale und trat von da an auch in den Händen zahlloser Privatfahrer einen weltweiten Siegeszug Mitte der 60er Jahre in der Zweiliter-GT-Klasse auf Rundstrecken und am Berg an. Sogar bei der durch einen orkanartigen Schneesturm erschwerten Rallye Monte Carlo 1965, bei der von 237 gestarteten Fahrzeugen nur 22 das Ziel erreichten, fuhren Eugen Böhringer/Rolf Wütherich einen Werks-904 noch auf den zweiten Platz im Gesamtklassement. Sowohl 1964 als auch 1965 sicherte der GT-Porsche 904 den Weltmeistertitel in der Division bis 2.000 ccm.

Alle Register gezogen – Achtzylinder-Rennprototyp

Das bald erkennbare grundsätzliche Potenzial des Autos reizte in Stuttgart sehr früh aber zu noch mehr. Um auch auf Dauer um Publicityträchtige Gesamtsiege mitfahren zu können – unabhängig von Ausfällen der Konkurrenz und aus eigener Kraft – zog Porsche mit einer absoluten Kleinst-Serie von Renn-Prototypen des 904 auf Motorenseite alle seinerzeit zur Verfügung stehenden Register. Und so war schon auf der Targa Florio 1964 parallel in den Händen von Edgar Barth und Umberto Maglioli ein Werks-904/8 zum Einsatz gekommen. In dieses Auto war jener 2,2 Liter-Achtzylinder-Boxer vom Typ 771 eingebaut, der als Weiterentwicklung aus dem 1,5 Liter-Triebwerk des 62er Formel 1-Typs 804 entstanden war. Hier steuerten zwei obenliegende Nockenwellen je Zylinderreihe, die über Königswellen angetrieben wurden, die Ventile, die Gemischaufbereitung besorgten 42mm-Weber-Fallstrom-Vergaser. Bei einer Verdichtung von 10,2 :1 bewegten sich die Leistungsangaben für den Motor bei rund 270 PS bei 8.600 Umdrehungen pro Minute.

Beim Renn-Debüt der Achtzylinder-Version auf der Targa Florio 1964 belegten Barth/Maglioli mit Fahrgestellnummer 904-008 den sechsten Platz im Gesamtklassement und gewannen die Prototypen-Kategorie. Bei den 1000 km Nürburgring im selben Jahr gingen dann schon zwei Exemplare an den Start, hier brachten Joakim Bonnier/Richie Ginther Fahrgestellnummer 904-009 auf den fünften Platz im Gesamtklassement und zweiten Platz bei den Prototypen. Das Schwesterauto von Barth/Davis (904-008) konnte wegen eines Trainingsunfalls nicht am Rennen teilnehmen. Allerdings war in der Eifel ein GT-904 mit dem Niederländer Ben Pon und dem Deutschen Gerhard Koch sogar auf dem dritten Platz im Gesamtklassement gelandet…

Fahrgestellnummer 904-009

Vom Tempo her durchaus konkurrenzfähig waren die Achtzylinder-Coupés auf sehr kurvenreichen Strecken. So hatten Bonnier/Ginther im Training zu den 1000 km Nürburgring 1964 beispielsweise mit einer Runde in 9.08,8 Minuten den vierten Startplatz hinter Surtees/Bandini (Ferrari 275 P, 8.57,9), Phil Hill/McLaren (Ford GT 40, 9.04,7), Scarfiotti/Vacarella (Ferrari 275 P, 9.05,9) und vor Graham Hill/Ireland (Ferrari 275 P, 9.09,9) heraus gefahren. Aber sie wurden gelegentlich auch von kleineren oder größeren technischen Problemen geplagt, so dass die Erfolgsbilanz in den Jahren 1964 und 1965 durchwachsen blieb und das eigentliche Konstruktionsziel – Publicityträchtige Gesamtsiege – letztlich stets verfehlt wurde (siehe auch Tabelle sportliche Resultate Porsche 904-009). Dennoch kann der Porsche 904/8 rückblickend als der Start einer ganzen Serie teils sehr erfolgreicher Renn-Prototypen und Rennsportwagen aus Stuttgart angesehen werden.

Das auf diesen Seiten präsentierte Porsche 904/8-Coupé mit Fahrgestellnummer 904-009 ist eines von zwei Exemplaren (ein 904/8 lief in der Saison 1965 auch als Berg-Spyder), wurde 1964/65 in sechs großen Langstreckenrennen eingesetzt und ist in der Historie das erfolgreichere der beiden Coupés. Der Wagen war auch in der gerade abgelaufenen Saison 2014 in den Händen eines privaten Sammlers noch recht erfolgreich im Historischen Motorsport unterwegs.

In der Saison 2014 war der Porsche 904-009 noch recht erfolgreich im historischen Motorsport unterwegs

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