Vic Elford – Wer als Rallye Monte Carlo-Sieger anschließend die 24 Sunden von Daytona und wenig später auch noch die Targa Florio sowie das 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring gewinnt, ist ein „universal victor“. Nomen est omen: Victor Henry Elford, so sein voller Name, feierte im gleichen Jahr auch sein Grand Prix-Debüt – mit einem vierten Platz!
Beginnen wir `mal bei seinem Formel-2-Einstand 1968 mit einem Harris Costin Protos auf der Nürburgring-Südschleife 1968, wo der neue Rallye- und Langstrecken-Star etwas unglücklich wirkte durch den Sehschlitz der Plexiglashaube über dem Cockpit seines Gefährtes, dessen Monocoque aus Holz gefertigt war. Vic zu dem Schreiber dieser Zeilen vor dem Start: „Ron Harris möge es mir verzeihen, aber mit dem Ding bin ich offensichtlich gegen die vielen Brabham und die zwei Ferrari vor mir chancenlos“. Dennoch ging sein Traum, auch in die Formel 1 vorzudringen, in Erfüllung. Dank des ehemaligen Garde-Offiziers ihrer Majestät, Colin Crab-be, Sponsor des „ Antique Automobiles Ltd. Racing Team“ bekam Vic, Mitglied des „Seven Oaks Motor Club“, für den er schon 1961 erste Rennen in benachbarten Brands Hatch mit einem 850er-Mini bestritten hatte, seine F1-Chance. Für den GP von Frankreich, also nur Monate nach seinem F2-Einstand, hatte ihn freilich John Cooper neben Johnny Servoz-Gavin als Werks-Fahrer genannt. Die Cooper-BRM V12 waren leider schon auf dem „absteigende Ast“ angelangt: Vic qualifizierte sich als Letzter, Johnny stand in der Reihe davor. In einem völlig verregneten Rennen auf der Piste von Rouen-Les-Essarts, auf der Jo Schlesser in seinem Honda V8 verbrannte, erwies sich Vic selbst mit Slicks als Regenspezialist. Sein vierter Platz hinter Jackie Stewart und vor Denny Hulme war eine Sensation. 1969 pilotierte er einen Antiques-Automobiles-McLaren-Ford M7A. Mit diesem hatte er sich beim GP von Deutschland auf dem Nürburgring als Sechstschnellster in die dritte Startreihe gestellt, hinter ihm Stars wie Graham Hill, John Surtees und Mario Andretti.
Wippermann-Crash in der ersten Runde
Herrliches Wetter und eine gigantische Zuschauer-Kulisse – es sollen 380.000 gewesen sein – wirkten motivierend. Jedenfalls für Mario Andretti, der auf dem noch nicht ausgereiften Vierradantriebs-Lotus 63 auf einer Strecke nach vorn stürmte, die „ich bislang nur durch einige Runden mit einem Opel-Leihwagen kannte“, so Mario. Der Italoamerikaner, kam am Wippermann von der Ideallinie ab und riss sich in an einem Drahtzaun zwei Räder ab. Elfords McLaren donnerte kurz darauf über ein Lotus-Vorderrad, stieg in die Luft und verschwand im Wald, wo er kopfüber landete. Dass Vic aus dem völlig zertrümmerten Wagen nur mit einer dreifachen Armfraktur, einem gebrochen Handgelenk und Schulterprellungen geborgen werden konnte, grenzt an ein Wunder. Das hätte Gerhard Mitter, als er im Training am Schwedenkreuz von der Strecke abgekommen war, auch gebraucht. Der Böblinger BMW-F2-Pilot hatte einen Genickbruch erlitten.
Ungewöhnlicher Werdegang von Vic Elford
Vic, am 10. Juni 1935 in Peckham bei London als Sohn einer deutschstämmigen Mutter geboren, hatte den Rennbazillus als Dreizehnjähriger bei einem Besuch mit seinem Vater in Silverstone inhaliert und wollte natürlich selbst einmal auf den Pisten glänzen. Während des deutschen Bombardements auf London hatten die Elfords ihren Wohnsitz in die Grafschaft Kent, also südöstlich von London verlegt. Ehe er seinen Führerschein in Mamas Wagen machte, hatte er bereits mit einem 125cc-Motorrad erste Trials absolviert. Freilich forderte ihn erst einmal der berufliche Werdegang. Die Schule hatte er mit 16 verlassen und trauerte ihr auch nicht nach. „Nur im Sportunterricht war ich voll dabei“. Mit dem Lappen in der Tasche verdingte er sich in der Freizeit als Rallye-Copilot und reüssierte derart, dass er als Franzer von David Seigle-Morris auf einem Austin Healey bei der Coupe des Alpes 1961 in die internationale Rallye-Atmosphäre stieß. Nun nahm er das Steuer selbst in die Hand: in einem DKW Junior, derart gekonnt, dass er 1963 für die Rallye Monte Carlo eine Verpflichtung durch das Triumph-Team bekam. Mit dem Triumph Vitesse war man natürlich nicht schnell genug, um einen Monte-Triumph feiern zu können, aber der 24. Platz von Vic El-ford und Michael Butler von insgesamt 341 Startern, davon 96, die Monte Carlo auch erreichten, konnte sich sehen lassen. Als Ford-Werksfahrer führte er 1965 in einem Lotus Cortina souverän die Coupe des Alpes an, musste aber kurz vor dem Ziel mit einem technischen Defekt die Waffen strecken. Privat hatte sich inzwischen auch e-was getan: Vic und seine junge Frau Mary hatten nicht nur Nachwuchs bekommen, sondern sich mit einem kleinen Supermarkt in ihrem Wohnort Clophill, Graf-schaft Bedfordshire, eine Existenzgrundlage geschaffen. Kleiner Wermutstropfen: Dieses Familienidyll hielt nicht sehr lang, und Sohn Martyn, der später eine Dekade lang auch als Fotograf in derFormel-1-Szene auftauchte, machte aus der Abneigung gegen seinen Vater keinen Hehl.
Vic Elford war mit Porsche erfolgreicher Rallye-Pilot
„Mein erster Rallye-Einsatz war 1966 bei der Tour de Corse, wo ich mit einem 911er Dritter wurde und auf Anhieb das Gefühl hatte, das der Wagen zu mir passt. Dass mich dann Huschke von Hanstein für das Folgejahr in seine Truppe aufnahm, ehrte mich sehr. Dumm nur, dass sich mein Deutsch nur auf einfache Wortkombinationen wie `wo gibt`s Zigaretten´ beschränte“, so Vic. Die Kettenraucherei war wohl sein größtes Laster, attraktive Frauen und französische Lebensart die größte Lust. 1967 gewann er zusammen mit David Stone die Asphalt-Rallye Lyon- Charbonnières-Stuttgart Solitude in einem roten 911S und holte wertvolle Rallye-EM-Punkte. „Quick-Vic“ – so bald sein Spitzname – gewann die Meisterschaft und brillierte auch beim allerersten Rallyecross in Lydden Hill auf ei-nem 911R des UK-Importeurs. Mit Porsche war auch der Weg vom erfolgreichen Rallye-Treter, „Monte“-Sieger 1968 in einem harten Duell mit dem Renault Alpine von Gérard Larrousse, zum Langstrecken-Piloten der Extraklasse geebnet.
Quintett-Sieg für Vic Elfort in Daytona und Top bei der Targa
Für Daytona 1968, dem ersten Marken-WM-Lauf nach einem neuen Reglement zugunsten der Dreiliter-Prototypen und Fünfliter-Sportwagen, war Porsche bestens aufgestellt. Der führende Porsche von Vic Elford und Jochen Neeerpasch erhielt Zuwachs von Rolf Stommelen, Jo Siffert und Hans Herrmann, die ebenfalls vorn gelegen hatten aber mit technischen Problemen eliminiert worden waren. Als Quintett vereint, durfte der Gesamtsieg unter der Sonne Floridas gefeiert werden. Schon im Training zur Targa Florio hatte Vic Elford seine Überlegenheit demonstriert und den von ihm und Umberto Maglioli pilotierten Porsche 907 vor dem Wagen von Jo Siffert und Rolf Stommelen und dem schnellsten Alfa Romeo 33 der Kombination Dr. Nino Vaccarella/Udo Schütz platziert. Reifendefekte, gelöste Radmuttern: eine unendlich lange erste Runde für Vic Elford. Mit 17 Minuten Rück-stand nahm der Brite das Rennen wieder auf und markierte laufend schnellste Runden, ehe er Umberto Maglioli für rund anderthalb Stunden das Volant überlies. Inzwischen herrschte unter dem Jubel der Zuschauer Alfa-Time, wenn auch ihr Liebling Nino nicht mehr fahren konnte, weil Udo Schütz von der Piste gerutscht war. Doch dann kamen die Stunden des Vic Elford, der über sich hinauswuchs und in der vorletzten Runde die Führung übernahm. „ Nach der Zieldurchfahrt wurde mir fast schwarz vor Augen, so fertig war ich“, gestand Vic später. Dass er nur zwei Wochen später mit Jo Siffert auch das 1000-Km-Rennen auf dem Nürburgring gewann, vor dem 907 von Herrmann/Stommelen und dem Klassensieger der Sportwagen, dem GulfFord GT40 von Ickx/Hawkins, hat ihn weniger in Anspruch genommen. „Hat mich tierisch gefreut, auch für die vielen Porsche-Mitarbeiter, die zum Ring gepilgert waren.“ Diesen Ringkampf-Triumph wiederholte Vic 1970 und 1972.
Rallye-Konkurrenten werden gemein-same Sieger
Die Kombination Vic Elford/Gérard Larrousse hat eine kleine Vorgeschichte. Vic: „Als mich 1969 Peter Falk von Porsche fragte, welchen französischen Rallye-Crack ich für die Tour de Corse empfehlen könnte, hatte ich ihm Gérard genannt“, bemerkte Vic Elford,“und wie richtig ich lag, denn der gewann und holte mit der 911R noch weitere Siege.“ Ausfälle kennzeichneten die Langstreckensaison 1970 bis zum 1000 Km-Rennen auf dem Nürburgring, wo Vic Elford und Kurt Ahrens den Porsche 908/3 von Porsche Salzburg vor dem Schwester-Auto von Hans Herrmann und Richard Attwood siegten und dem Surtees/Vaccarella-Ferrari 512S zwei Runden abnahmen. Pech in Le Mans, wo aus der hoffnungsvollen Pole-Position, zusammen mit Kurt Ahrens im Porsche 917, morgens um 8.35 Uhr durch ein gebrochenes Einlassventil ein frustrierter Abschied wurde. Inzwischen hatte Vic seinen Blick auch auf die CanAm-Serie gerichtet und wurde am 13. September in Road Atlanta auf einem Chaparral 2J Sechster in einem eher dürftig besetzten Rennen. Hier siegte übrigens Tony Dean in einem betagten Porsche 908. Elford pilotierte auch einen abenteuerlich anmutendem Shadow Mk I, freilich erfolglos. 1971 brachte er einen McLaren M8E auf den achten Platz in Watkins Glen und steigerte sich auf den dritten in Elkhard Lake. Punkte gab es auch in Donnybroke, so dass im Endklassement ein neunter Rang heraussprang. Peter Revson und Denny Hulme waren die großen Dollar-Scheffl er, aber auch Jackie Stewart und Jo Siffert durften sich mit halbem Salär, gemessen an der McLaren-Übermacht, noch zufrieden geben. Vics CanAm- und auch NASCAR-Bilanz: „ Hatte mir da wesentlich mehr erhofft.“
deten sie mit einem Hinterachs-Defekt. Auf dem Nürburgring waren sie bereits im Training schnellster Porsche und lagen im Rennen auch nach elf, 22 und 33 Runden vor dem gesamten Starterfeld in Führung. Im Ziel betrug ihr Vorsprung 1.44 Minuten auf das Fotofinish der 908/3 von Rodriguez/Siffert und Marko/van Lennep.
Vic Elford – Ritterliches und Abwege
In einem Lola-Chevrolet T222 belegte Vic Elford hinter Derek Bell und Leo Kinnunen den dritten Platz beim Interserie-Rennen 1972. Für den 5. Lauf der Interserie 1973 hatte sich Vic einen 917/30 bei Porsche ausgeliehen. Unerfahren mit der Turbo-Technik, spulte er erst einmal ein Testprogramm in Weissach ab und drehte mit dem Kraftpaket gleich eine Super-Runde. Auch wenn ihm im ersten Lauf des Rennens Willy Kauhsen noch die Show stehlen konnte, gewann Vic den zweiten und das Gesamtklassement. Der 1972 vom französischen Präsidenten Georges Pom-pidou als „Chevalier de l`Ordre National du Mérite“ geehrte Vic Elford – er hatte in Le Mans während des Rennens angehalten, um einen Piloten aus dessen abgeflogenen Wagen zu bergen – fuhr nur noch gelegentlich Rennen bis Ende 1973. Wenig Fortune brachte später sein Inaltera-Projekt. Auf einem Inaltera LM wurden Jean-Pierre Beltoise und Henri Pescarolo 1976 Achte in Le Mans, und der Paarung Jean Rondeau/Jean Ragnotti gelang 1977 ein vierter Platz. Auch als Formel-Team-Manager hatte sich Vic verdingen lassen, ausgerechnet durch Günter Schmid von ATS. Dort folgte er Fred Opert und Alastair Caldwell, 1979 auf den ATS-Teammanager-Schleudersitz, den dann Jo Ramirez bestieg. Vic stöhnte nach dem Intermezzo: „ Der Schmid glaubte, alles besser zu wissen, da hat man die Schnauze voll.“
Vic in Florida: zweiter Lebensabschnitt
1984 siedelte Vic in das sonnige Flo-rida um und blieb Porsche treu mit einer Owners Driving School für Porsche-Fahrer. Wie Brian Redman bestritt er jenseits des achtzigsten Lebensjahrs noch diverse historische Einsätze und fuhr wie auch Gérard Larrousse 2017 mit einem 911er noch einmal die Tour de Corse Historique. 2018 waren noch einmal die ehemaligen Sonderprüfungen der Rallye Monte Carlo dran – natürlich mit einem Porsche. Besiegt von einem Krebsleiden, schlief Vic Elford am 13. März nach einem erfüllten Leben
– nicht nur als Motorsport-Allrounder –ein. Mit seiner letzten Frau, der Französin Anita, trauert Porsche und eine große Fangemeinde. Brian Redman fand besondere Worte des Abschieds von einem Freund, der auf der Piste gleichzeitig sein Gegner war: „Ruhe in Frieden Vic, in nicht allzu langer Zeit bin ich bei Dir dort oben, und da können wir ja da himmlische Rennen austragen“.
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Fotos: Archiv Nils Ruwisch, Jochen von Osterroth, Historisches Archiv Porsche