Walter Röhrl – Die Rallye-Legende!

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Rallye-Europa- und zweifacher -Weltmeister, Rundstrecken-Pilot der Extraklasse: Die Karriere des Walter Röhrl vom bischöflichen Fahrer zur Lichtgestalt im internationalen Motorsport ist einmalig. Im März 2022 feiert der stets bescheidene Walter seinen 75. Geburtstag. Anlass genug, um ihm diese Retrospektive zu widmen.

Mensch Walter!

„Der junge Mann aus Regensburg ist nicht das, was man einen Optimisten nennen würde. Oje, sagte er, als ihn Opel (bzw. Irmscher) zur RAC-Rallye schickte, oje, ohne Gebetbuch mag ich eigentlich nicht fahren. Ich werde ganz langsam fahren, sagte er dann, weil ich diese Rallye nicht kenne und schrecklich Angst habe. So raufte er sich mit einem britischen Nachwuchsfahrer namens Roger Clark, wie man das eben zu tun pflegt, wenn man als Bayer zum ersten Mal zu einer RAC-Rallye kommt. Stellenweise lag er vor Clark – vor allen Saab, vor Fiat, Lancia, Datsun und allen Kapazundern“. So berichtete der berühmte österreichische Motorjournalist und Rallye-Experte Herbert Völker über den ersten Einsatz von Walter Röhrl bei diesem 12. Lauf zur Rallye-Weltmeisterschaft 1973.

Als Vize-Europameister hinter dem Lancia-Piloten Sandro Munari war der „Lange“ natürlich kein unbeschriebenes Blatt mehr. Doch zitieren wir noch ein wenig den „Völkerschen Be-obachter“, denn der Irmscher-Ascona verlor ein Rad. „Oje, ich hab`s ja gewusst, das kann nicht gut gehen. Da war er Vierter. Dann machte die Kupplung `Manderln´ (hochdeutsch: Schwierigkeiten). Da sagte er wieder oje. Nach Magenbeschwerden in der ersten Nacht kam er mit Zahnweh zur Halbzeit zur Übernachtung in York – als Vierter vor allen favorisierten Saab etc.“ Den Vorschlag, ein Schmerzmittel-Pulver zu nehmen, wimmelte Walters Co-Pilot Jochen Berger ab: „ Entweder er bekommt einen Wadenkrampf oder eine Augenentzündung, weil er allergisch reagiert.“ Opel-Teamgefährte Rauno Aaltonen, wegen eines Motorschadens bereits ausgefallen, nahm die Sache samt Walter in die Hand, schleppte ihn nachts zu einer Dentistin, die ihm nach dem Entfernen eines kapitalen Unterkieferzahns Penizillin geben wollte. Jetzt lehnte Rauno ab: „ Da kriegt er Na-belsausen.“ Mit dicker Backe düste Walter zur zweiten Etappe los, als sich ein Ölpumpen-Ritzel verabschiedete. Walter hätte das technische Problem im Handumdre-hen lösen können, leider war das Reserve-Ritzel nicht da, wo es sein sollte. Walter daraufhin: „Schade, jetzt habe ich mich akklimatisiert und wollte jetzt erst einmal richtig schnell fahren.“ Dieser Schock blieb der Konkurrenz erspart.
Vom bischöflichen Chauffeur zum Rallye-Champion
Eigentlich wollte er gar kein Rallye-Fahrer werden. Walter, kaufmännischer Angestellter im Bischöflichen Ordinat seiner Heimatstadt Regensburg, hatte auf Drän-gen seines Freundes Herbert Marecek bei der Rallye Bavaria 1968 mit einem Fiat 850 genannt. Als Fahrer des bischöfl ichen Ju-risten Heinrich Zenglein, der immerhin sieben Diözesen betreute, waren Drifts natürlich nicht gefragt, und als der kleine Fiat bald den Geist aufgab, schien für Walter das Thema Rallye abgeschlossen. Doch irgendwie steckte mit dem „Lappen“ in der Tasche der Motorsport-Bazillus in seinem Kopf. Daran änderte auch der Verkehrs-unfall-Tod seines älteren Bruders Michael in einem Porsche 356 just in dem Jahr, in dem Walter seine Fahrerlaubnis erhalten hatte, nichts. Marecek ließ nicht locker, als Walters Beifahrer hatte er erkannt, dass hier ein enormes Potenzial schlummert. Freilich kam es bis 1970 nur zu fünf Einsätzen auf unterschiedlichen Wagen, doch ließ ein Podestplatz bei der Rudolf-Diesel-Rallye 1970, die immerhin zur deutschen Rallye-Meisterschaft zählte, aufhorchen. Vermittelt durch Ford-Motorsport-Chef Mike Kranefuss, fuhr das Gespann Röhrl/Marecek für das Team des Hamburgers Ernie Kleint einen Ford Capri zu einem dritten Platz in der Meisterschafts-Endabrechnung 1971. Dafür gab es sogar eine Fahrergage: 250 Mark – gerechnet auf das gesamte Jahr! Bei Kleint lernte Walter auch seinen späteren „Franzer“ Jochen Berger kennen, sollte aber auf Betreiben seiner Angehörigen eigentlich mit diesem Sport aufhören, zumal er als ausgebildeter Skilehrer weniger gefährlich Geld verdienen hätte können. Aber immerhin stand Walter noch bei Ford unter Vertrag und belegte zusammen mit Berger den ersten Platz bei der Rallye Baltic. Walter: „Mein nachhaltigstes Erlebnis war jedoch die Olympia-Rallye, bei der ich bis zu unserem Motorschaden vor solchen Größen wie Mikkola, Kulläng, Fall, Aaltonen und dem späteren Sieger Jean-Pierre Nicolas geführt habe.“ Damals glaubte Alpine-Chef Jacques Cheinisse an einen Fehler der Zeitnahme, als er elf Bestzeiten des Capris mit einem Fahrer, dessen Namen er nicht richtig artikulieren konnte, registrieren musste. Bei dieser Rallye zwischen München und Kiel war Walter überall schnell, sogar auf der 40 Kilometer langen Schotterpiste im Fichtelgebirge knallte er eine Bestzeit in die Botanik.
Europameister mit einem Opel Ascona
Als frisch gekürter Werksfahrer für Opel mit einem monatlichen Salär von 800 Mark ging Walter 1973 mit einem Irmscher-Commodore GS/E und einem Ascona des Tuners aus Winnenden an den Start. Im Jahr darauf setzte Opel-Sportchef Helle Bein ein „Euro Händler Team“, dirigiert direkt von Rüsselsheim, ein. Beispiel Deutschland-Rallye, gleichzeitig Rallye Hessen: Walter Röhrl und Co Jochen Berger enteilten der Konkurrenz und distanzierten diese allein bei den zwei Sonderprüfungen auf dem Truppenübungsplatz Schwarzenborn um drei Minuten. Walter damals: „Komisch, dass die Anderen so langsam sind!“ „Und“, so Herbert Völker im August 1974, „für die Läufe der Fahrer-Europameisterschaft ist er fast schon eine Schuhnummer zu groß, das Verprügeln wehrloser Kinder befriedigt ihn auch nicht sonderlich. Wenn unversehens ein Herr Munari oder Lampinen auftaucht, und er denen eine aufs Dach geben kann, ist für ihn die Veranstaltung gerettet.“

Harald Ertl auf Walter Röhlrs heißem Beifahrer-Sitz

Walters Umgang mit dem Ascona hatte auch mein WG-Freund Harald Ertl erlebt. Er, der auf der Rundstrecke kräftig den Gasfuß zu senken pflegte, war perplex: „ 20 Meter vor einer scharfen Rechtskurve, vor der ich gedanklich schon auf der Bremse gestanden hätte, gibt der Walter immer noch Gas. Ich hielt mich irgendwo fest, um beim Abflug in die Botanik Halt zu haben, als der Kerl endlich bremst. Da war, denn die Hinterräder überbremsten, der nächste Schock fällig. Der Ascona drehte sich nämlich nach links – und das in einer Rechtskurve. Sekundenbruchteile später haut es das Heck anders herum. In einem 45-Grad-Winkel zur Fahrtrichtung verlassen wir den Ort des Schreckens ohne ins Gelände zu geraten. Kaum war dieser erste Eindruck verdaut und eine Kuppe übersprungen, folgten die nächsten engen Kurven, die Walter auf der Ideallinie – freilich völlig quer – nahm. Da war mir klar, dass ich lieber der Rundstrecke treu bleibe und mich niemals auf Schotterpistenwagen werde.“

Walter Röhrl: schnell auch auf der Rundstrecke

Da Schnitzer-Pilot Albrecht Krebs wegen eine Autounfalles nicht beim 200-Meilen Rennen in Nürnberg antreten konnte, hatte das Schnitzer-Team Walter Röhrl auf den BMW 2002 turbo gesetzt, obwohl Walter für die Rallye Vorderpfalz am gleichen Wochenende genannt war. Nach langem telefonischen Hickhack, durfte der Bajuware für die Freilassinger Tuningschmiede star-ten – und wie: Dritter im Training hinter Hans Heyer und Eddie Cheever! Walter fi el aus, aber auch im Gelände gelang nicht viel, weil bei Opel häufig der „Defektteufel“ mitfuhr, und so war die Fachwelt nicht überrascht, dass er im Herbst 1977 zu Fiat ging. Der damalige Fiat-Teamchef Daniele Audetto verriet mir: „ Den wollten wir schon 1976 haben und boten 60.000 D-Mark zuzüglich Spesen, doch der hatte Opel wohl die ewige Treue geschworen. Wir wussten zu schätzen, dass der überall sehr schnell sein kann, ganz gleich, ob auf Asphalt oder Schotter.“

Erster WM-Sieg für das Erfolgs-Duo Walter Röhrl / Christian Geistdörfer

Hatte es bei der schneereichen „Monte“ 1978 nur zu einem vierten Platz gereicht, obwohl Walter und Christian Geistdörfer zu Beginn noch geführt hatten, dann aber durch eine falsche Teamentscheidung bezüglich der Reifenwahl und aufgehalten durch ihren Teamgefährten Maurizio Verini, der vor ihnen in einer Schneewehe steckte, viel Zeit verloren, so kam die Erlösung bei der Akropolis-Rallye. Diese stand ganz im Zeichen eines defensiven Fahrstils von Walter: „Hier war angesichts der harten Geländeanforderungen mit vielen Löchern ein Streicheln meines Fiat angesagt.“ Walter und Christian hatten sich einen Fortbewegungs-Modus ausgedacht, der Risiken vermied. Und so landeten sie zehn Mi-nuten vor ihren finnischen Teamkollegen Alén/Kivimäki. Bester Opel damals: der Kadett GT/E von Warmbold/Sylvan auf dem fünften Platz. Ohne Stallorder, da Fiat den Titel in der Tasche hatte, durften Röhrl/Geistdörfer beim „Criterium de Quebec“ in Kanada aufgeigen. „Und da hat der mich regelrecht verbla-sen“, wie mir Markku Alén später nach ein paar Wodka im “Gregory´s after dark“ von Monte Carlo als Keke Rosbergs Gast vor einem GP von Monaco gestand. Illka Kivimäki lachte nur: „Da halfen auch meine Ansagen nicht mehr.“

Walter Röhrl kollidierte mit Kleinbus in Kenya

1979 stand die East African Safari auf dem Programm. Christian Geistdörfer in seinem Buch „Walter und ich“ bemerkte dazu: „Walter hasste diese Rallye. Er hatte eine ausgeprägte Phobie gegenüber al-lem Getier. Marokko war schon ein Graus gewesen, aber Kenia war für ihn wie ein anderer Planet. Alles schien ihm unsauber, er konnte nur bedingt essen und trinken, ekelte sich vor jedweden Viechern, die beißen konnten oder nur bedrohlich aus-sahen. Seine größte Panik war aber, an Malaria zu erkranken.“ Ein Zusammenstoß mit einem Matuta-Kleinbus in Taita-Bergen hatte die Fahrertür derart eingedrückt, dass Walter herausgezogen werden muss-te. Ohne Tür und ohne Frontscheibe, die hatte bei Tempo190 ein großer Vogel ein-gedrückt, ging es durch den Busch. Man-gels Tür stand natürlich bei den Flussdurchquerungen die Brühe bis zum Bauchnabel von Fahrer und Copilot. Trotz eines abgebrochen Tragegelenks des rechten Vorderrades in einem Schlammloch landete man noch auf dem achten Platz, da die Zuschauermenge gegen Gebühr den Fiat mit einem Seil heraus ziehen konnte. Da musste Christian natürlich einige Kenia-Schillinge berappen.
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Walter Röhrls Weltmeisterjahr 1980

Mit einem Sieg bei der Rallye Monte Carlo nebst der Ehrung durch Fürstin Gracia Patricia und Fürst Rainier III., die Christian zu einem verschämten, angedeutete Handkuss veranlassten, erlebte Walter seinen bisher größten Erfolg. Freilich ist ihm dieser Siegerehrungsrummel generell etwas lästig. Zu der Abneigung gesellte sich der Kauf von zum Anzug passenden Schuhen, die er nicht im Gepäck hatte. In Regensburg hätte er diese vornehmen Treter wesentlich billiger bekommen. Da sind die blauen mit den drei weißen Streifen doch eher die, die für ihn die Welt bedeuten. Mit vier Siegen und zwei zweiten Plätzen in sieben Rallye-WM-Läufen 1980 wurde Walter Fahrer-Weltmeister und erzielte fast doppelt so viele Punkte wie der zweitplatzierte Hannu Mikkola.
Silbernes Lorbeerblatt, Zehnkampf und Mercedes-Debüt
Vom damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens mit dem silbernen Lorbeerblatt geehrt und hinter Zehnkämpfer Guido Kratschmer aber vor Karl-Heinz Rummenige Zweiter bei der Wahl „Sportler des Jahres“, musste Walter diverse Pflichttermine wahrnehmen: schöne, lästige aber auch anstrengende. So musste er beim Münchener Sportpressefest an einem Gaudi-Zehnkampf – er wurde hinter Langläufer Jochen Behle Zweiter – teilnehmen, obwohl er tags zuvor noch eine komplizierte Kiefer-Operation überstehen musste. Au, backe! Umso relaxter schwang er sich in einen Mercedes 500 SL zum Vortraining für eine „Monte“, an der aber Mercedes nicht teilnahm. Sein neues Sportgerät, das gegenüber dem Fiat 131 400 Kilo mehr auf die Waage bringt, verlangte natürlich nach einem adaptiven Fahrstil. Arbeitgeber Mercedes hatte Walter freilich für Porsche-Einsätze in Deutschen Rallye-Meisterschaft freigegeben, da ein eigenes Programm noch in der Planungsphase steckte. Und so präsentierte Walter an seinem 34. Geburtstag im ZDF-Sportstudio sein neu-es „Gerät“, einen 924 Carrera GTS, mit dem bei der Metz-Rallye debütiert wurde. Der goldene „Cognac-Schwenker“ (Sponsor Monnet) führte dann auch, als plötzlich die Ölpumpe streikte. Walter hatte sich schon ein nettes Zuschauerplätzchen ausgesucht, als durch Zeitnahme-Ausfall eine Verzögerung eintrat, in der repariert werden konnte. So kamen Röhrl/Geistdörfer noch auf den zweiten Platz.

Marken-WM-Sieg in Silverstone
Mit einem Paukenschlag gelang Walters Debüt bei der Marken-Weltmeisterschaft: In Silverstone hatte er Dieter Schornstein und Harald Grohs auf dem Schornstein-Porsche 936 ergänzt, und dieses Trio wurde nach 205 Runden als Sieger abgewinkt. Zusammen mit Jürgen Barth im Porsche 924 GTP Siebenter bei den 24h von Le Mans, meinte Walter trocken zu seinem Debüt: „24 Stunden lang auf derselben Strecke immer nur im Kreis zu fahren ist alles andere als langweilig.“ Bei seinem zweiten Einsatz in der Deutschen Rallye-Meisterschaft lenkte er den 924er von Schmidt-Motorsport zum Sieg. Er, der anfänglich von Mercedes Bezahlte, distanzierte auf dem Monnet-Porsche Jo-chi Kleint im Opel Ascona 400 und Holger Bohne im 500 SL. Bei der „Serengeti-Safari“ – nicht in Kenia sondern in Niedersachsen – siegte Röhrl auch in dem nächsten DM-Lauf, dieses Mal vor Bohne. Vor der Hunsrück-Rallye, bei der die Technik des Porsche streikte, stand das „German Race of Champions“ in Diepholz auf Walters Dienstplan.
Im Ford Escort von Lili geschlagen
Formel-1-Champion Alan Jones gegen Rallye-Weltmeister Walter Röhrl: Dieses Duell, ausgetragen auf serienmäßigen Ford Escort XR3, war das Aushängeschild eines Rennens, bei dem die F1-Gilde auch mit John Watson vertreten war. Alle drei Herren per Flug-Taxi von Regensburg, beziehungsweise London pünktlich in Niedersachsen einzufliegen, fiel in den Kompetenzbereich des Schreibers dieser Zeilen. „Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne“, nach diesem Motto wurde mehr als beherzt zur Sache gegangen. Während sich Alan Jones nur von „Strietzel“ Stuck geschlagen geben musste und Tourenwagen-Cracks wie Manfred Winkelhock, Hans Heyer oder Harald Grohs hinter sich ließ, ging die Rallye-Gilde mit Walter und Björn Waldegaard etwas vorsichtiger zu Werke. Ausnahme Michèle Mouton: Die Französin rammt im ersten Lauf frontal die Schikanen-Begrenzung und demolierte bei einem Ausritt mit dem Reserve-Escort im zweiten ein Radlager. Dass im Gesamtergebnis Lili Reisenbichler als Achte vor Walter Röhrl lag, hatte einen Grund: Ihr Escort war der einzige Wagen des Feldes, der ohne Blessuren wieder abgegeben wurde. Walter: „Wenn zwei Fahrer nebeneinander auf eine Schikane zu fahren, wo nur einer hindurch passt, gibt der Rallye-Fahrer nach, denn im Gelände kann er sich allein auf die Ideallinie konzentrieren. Da bei Rundstrecken-Rennen auch taktisches Verhalten gefragt ist – ein in diesem Zusammenhang eher förmlicher Begriff – muss man vielleicht eher von Brutalität sprechen. Und die kennen wir Rallye-Fahrer nicht.“ Bei der Jagd auf berühmte Namen und Rangeleien Tür-an-Tür oder Escort-Frontin-Tür hatte sich Lili Reisenbichler völlig rausgehalten und ließ neun Rallye- und Rennprofi s hinter sich.

Walter Röhrl wurde erneut Weltmeister – mit Opel Ascona 400

Auftakt nach Maß: Mit seinem ehemaligen Beifahrer Jochen Berger als Teamchef des Rothmans Opel Rallye Teams holten sich Walter und Christian den „Monte“-Sieg und distanzierten den Audi quattro von Hannu Mikkola/Arne Hertz um fast vier Minuten. Auch bei den Bestzeiten stand es 13 zu 10 für Walter, denn es lag wenig Schnee, was dem Ascona passte. Nach einem dritten Platz in Schweden und einem Ausfall in Portugal, ging es zu der von Walter nicht gerade geliebten Safari. Mit fast einem Dutzend Supportfahrzeugen nebst einem Tankfässer-Lkw und einem zweimotorigen Flugzeug hatte sich Opel bestens gerüstet, doch der Safari-Erfahrungsschatz und die Beziehungen eines Shekar Metha, zusammen mit Mike Doughty auf einem Datsun, konnte damit nicht kompensiert werden. Und dagegen hatte auch Methas Hauptrivale Rauno Aaltonen, Walters Teamgefährte, das Nachsehen. Walter wurde Zweiter und distanzierte die beiden folgenden Datsun Violet GTS immerhin um eine, beziehungsweise zwei Stunden. Vierter bei der Tour de Corse, einer Renault 5 Turbo-Domäne, Zweiter hinter Michèle Mou-tons Audi quattro bei der Akropolis-Rallye und Dritter hinter den Toyota Celica von Björn Waldegaard und Per Eklund in Neuseeland: Die WM verteilte sich auf mehrere Sieger. In Brasilien hieß es wieder Mouton vor Röhrl. Wenn auch die Audi quattro in Finnland (Sieger Hannu Mikkola) und bei der San Remo (Sieger Stig Blomqvist) dominierten, konnte Walter bei der Bandama-Rallye vor Eklund und Waldegaard zuschlagen. Ging die Marken-Weltmeisterschaft mit zwölf Punkten Vorsprung vor Opel an Audi, so lag in der Fahrerwertung Walter Röhrl mit ebenso vielen Punkten vor Michéle Mouton. Unter den WM-Punktesammlern nicht weniger als 13 Finnen und acht Schweden, Einer bekannter als der Andere!

Röhrls Rückkehr zum Fiat-Konzern

Bereits bei der Rallye San Remo 1982 hatten Walter und Christian eine Rück-kehr zum Fiat-Konzern auf dem Umweg über Daniele Audetto in die Wege geleitet – als künftige Lancia-Piloten. Mit Lancia-Sport-Chef Cesare Fiorio direkt zu verhandeln, erschien damals problematisch. Mit dem Lancia Rally 037 kam Fahrspaß auf, denn dieses Leichtbau-Coupé mit einem Fiat-Motor, der die Vorzüge eines Kompressors und eines Turbos vereinte, bescherte einen erneuten „Monte“-Sieg. Beim obligatorischen Champagner-Verspritzen stand das Siegerpaar ausnahmsweise ´mal nicht auf dem Fahrzeugdach. Es wäre ein-gebrochen. Siege bei der Rallye Akropolis und in Neuseeland aber keine Fiorio-Unterstützung bei der San Remo verstärkten das reichlich unterkühlte Verhältnis. Fiorio ging es um den Marken-Titel, und dessen Unmut, eventuell einen erneuten Welt-meister Röhrl zur Audi-Konkurrenz zu ver-lieren, war nicht ganz unberechtigt. Walter war völlig klar, dass ein weiterer „Monte“-Sieg nur mit einem Allradler wie dem Audi quattro zu bewerkstelligen war. Außer-dem gab es ja schon reichlich Kontakte zu den Ingolstädtern, zumal Konzernchef Ferdinand Piëch Walter auf jeden Fall im Audi-Team, zu dem ja bereits Han-nu Mikkola, Stig Blomqvist und Michèle Mouton gehörten, sehen wollte.
Die quattro-Quadriga
Sehr zum Leidwesen von Mademoiselle Mouton waren Röhrl/Geistdörfer von Audi für die „Monte“ gesetzt, obwohl Walter mit dem sogenannten „Linksbremsen“ bei der Generalprobe auf der Rallye Köln-Ahr-weiler kräftig daneben und dann im Unter-holz lag. „Nachtschichten im Bayerischen Wald“, so Christian Geistdörfer, „zeigten Wirkung, wir spulten unser Trainingspro-gramm locker runter und hatten das Ge-fühl, dass es gehen könnte.“ Und wie es ging! Walter nahm dem bis zur WP 17 füh-renden Stig 35 Sekunden und damit den Sieg ab. In fünf Jahren vier Mal die Rallye Monte Carlo zu gewinnen, ist schon etwas Besonderes. Hannu Mikkola komplettierte den Audi-Triumph. Freilich musste man Stig Blomqvist zugestehen, dass er den quattro A2 am besten beherrschte. Differenzen mit einem nicht gerade einsichtigen Teamchef Roland Gumpert wegen eines banalen Bremleitungs-Problems kosteten acht Mi-nuten Reparaturzeit und damit den Sieg bei der Rallye Portugal. Ein fürchterlicher Crash bei der Rallye San Remo, die man wegen Straßenüberfl utung eigentlich unterbre-chen hätte müssen, beendete die Saison nicht zufriedenstellend. Der 1985 folgende Einsatz mit dem Audi Sport quattro S1 führte zu einem zweiten Platz bei der „Monte“. Hier dominierte plötzlich der Peugeot 205, in den Händen von Ari Vatanen eine Grana-te! Bleiben wir bei dieser bedeutenden Ral-lye: Im Audi Sport quattro E2 wurde Walter 1986 Vierter und im Audi 200 quattro 1987 Dritter. Mit dieser dicken „HB-Männchen-Limousine“ war Audi gegen die wendigen Lancia HF 4WD, die an die Grenzen des technischen Reglements gingen, chancenlos.
On Top! Pikes Peak
Mit einem unheimlich beflügelten Audi Sport quattro S1 nahm Walter das berühmteste Bergrennen Amerikas in Angriff. Diese irre Schotterpiste von Crystal Creek auf 2866 Meter Höhe bis zum Gipfel, dem Pikes Peak, immerhin 4302 Meter hoch, zu bewältigen, ist eine Mammutaufgabe. Hier hatte im Vorjahr der von Audi verpfl ichtete US-Indy-Star Bobby Unser mit 11.09,22 Minuten eine neue Bestmarke gesetzt. Eine tolle Zeit für die rund 200 Kurven, davon 150 Spitzkehren! Auf diesem Terrain hatten Jean Todts Peugeot-Mannen mit drei 205 T16 schon einige Monate lang trai-niert, doch machte sie die Rechnung ohne Walter. Der stieg in das gleich 600PS-Ge-fährt, das schon Unser pilotiert hatte, prügelte es die staubige, fast 20 Kilome-ter lange Strecke in den Rocky Mountains in 10.47,85 hoch und distanzierte die drei Peugeots. Ari Vatanen, der Rallye-Weltmeister von 1981, im Camel-Peugeot sieben Sekunden dahinter, konnte es nicht fassen und haderte mit einem defekten Verbindungsstück zum Ladeluftkühler. Immerhin konnte sich Peugeot 1985 und 86 mit dem Titel ei-nes Rallye-Markenweltmeisters schmücken, der 1987 wieder an Lancia ging.

Reiz Rundstrecke
Spätestens nach drei Podestplätzen mit einem Lancia Beta Montecarlo bei der Mar-ken-WM 1980 – Sieg zusammen mit Riccar-do Patrese in Brands Hatch – hatte Walter sein Talent auch Rundstrecken unter Beweis gestellt. Unter der Bewerbung von Tuner Konrad Schmidt trat er 1990 zusammen mit „Strietzel“ Stuck und Frank Jelinski in der DTM an. Im Jahr zuvor hatte er zusammen mit dem Langen aus Grainau den 12. Lauf der IMSA-GTO-Serie in Watkins Glen auf einem Audi 90 quattro gewonnen. 1988 hatte sich Walter bereits in den Siegerlisten der TransAm-Serie wiedergefunden: Erster beim „Niagara Falls-Grand Prix“ und beim „St. Petersburg Grand Prix“ am Saisonen-de auf einem Audi 200 quattro. Hier hatte „Strietzel“, der insgesamt vier Läufe gewon-nen hatte, auf der Pole-Position gestanden, die schnellste Rennrunde ging aber an Wal-ter. Zusammen hatten die beiden befreun-deten Bayern Audi den Marken-Sieg vor Chevrolet beschert. Walter, erst auf dem Norisring in die DTM 1990 eingestiegen, ließ im Training sofort aufhorchen: Zweiter hinter Roberto Ravaglia, BMW M3 Sport Evolution, und vor Stuck. Stuck-Röhrl hieß dann die Reihenfolge im ersten Lauf. Stuck, Jelinski, Röhrl, so lautete das Siegertrio in beiden Final-Läufen von Hockenheim. Als Audi-Helfer – um nach Hans-Joachim Stuck 1990 jetzt Fran Biela für Audi auf den DTM-Thron zu Platz nehmen zu lassen – war Walter erneut beim Hockenheim-Finale zur Stelle. Mit seinen, Stucks und Jelinskis Plat-zierungen hielte er den bis dato in der DTM führenden Mercedes-Pilot Klaus Ludwig auf Distanz, während Frank zwei Mal gewann und so den Titel holte.

Walter Röhrl der Ring-Spezialist und in der „Hall of Fame“

Welch` eine Fahrer-Kombination bei 24-Stunden-Rennen 1992 auf dem Nür-burgring: Walter Röhrl zusammen mit „Strietzel“ Stuck und Olaf Manthey auf ei-nem Porsche Carrera 2. Das Trio belegte in dieser Nach-und Nebel-Schlacht den drit-ten Rang hinter zwei BMW M3 Sport Evo. Beim „Blindfl ug“ in der Nacht fuhr Walter pro Runde eine halbe Minute schneller als sämtliche Konkurrenten, just als er den führenden BMW überholen wollte, wurde das Rennen neutralisiert. Am Sonntag, bei wesentlich besserem Wetter, waren die Carrera 2 gegen die DTM-erprobten BMW freilich chancenlos. Sein besonderes Ver-hältnis zum Ring bewies Walter in den letz-ten Jahren nicht nur mit neuen Rekorden auf Serien-Porsche-Modellen, sondern zeigt heute noch bei diversen Oldtimer-Meetings seine Extra-Klasse – nicht zuletzt im 356er. „Rallye-Pilot des Milleniums“ in Frankreich, zum besten „Rallye-Fahrer aller Zeiten“ in Italien gekürt und in der „Hall of Fame“ der FIA verewigt: Diese Fülle von Ehrungen dürfte Walter fast peinlich sein. Als Nichtskandinavier seit 2011 auch in der „Rally Hall of Fame“ des finnischen Motor-sport-Verbandes geführt zu werden, ist eine besondere Auszeichnung, auf die er ein bisschen Stolz sein darf.