Seit Tagen habe ich mich auf einen besonderen Trackday gefreut, doch jetzt stehe ich hier in Assen, mit feuchten Füssen an einem nass-kalten September-Tag vor dem March 832, den Fritz Gebhardt mir heute für ein paar Runden zur Verfügung gestellt hat. Normalerweise freue ich mich, bei Regen zu fahren, doch jetzt habe ich die Möglichkeit, einen Formel 2 aus dem Jahre 1983 zu pilotieren, und dem hätte ich gern `mal bei besten Bedingungen auf den Zahn gefühlt.
Jene Formel-2-Generation habe ich damals mit großen Augen auf dem Hockenheimring oder auf der Nürburgring-Nordschleife verfolgt. Speziell an die Nordschleife habe ich viele Erinnerungen. Meist habe ich meinen Vater genervt, bis wir endlich an den «Pflanzgarten Zwei» gefahren sind, bekannt als «Sprunghügel». Auf dem Nürburgring dauerte es etwas länger, bis man die Autos dort nach dem Start das erste Mal zu sehen bekam. Vom Start weg hörte man erst ein-mal den Streckensprecher und irgendwie habe ich bei diesen Erinnerungen noch immer die Stimme Kalli Hufstadts im Ohr, der aufgeregt aus dem Breidscheid über das Feld informierte, was vom Wehrseifen hinunter zur Breidscheid-Brücke geflogen kam. Dann hörte man das Feld, wie es mit Vollgas durch den Bereich Kesselchen hoch in Richtung Karussell flog. Dann verschwand der Ton etwas, ehe die Wälder erneut den Sound der Vierzylinder Motoren ausspuckten, und man die Bereiche Wippermann, Brünnchen am Sound erahnen konnte, dass sie bald da sein werden. Ein weiterer Indikator dafür, dass sie gleich kommen, war die Gänsehaut, die sich bei mir entwickelte, bis die Autos irgendwann mit einem infernalischen Sound den Hügel hinunter-gesprungen kamen und durch das heutige «Bellof – S» wieder verschwanden. Man hat knapp fünf Minuten gewartet und nach ein paar Sekunden war alles wieder vorbei.
Enges Cockpit im March 832-4 Formel 2
So schnell darf es heute nicht gehen. Ich möchte den March Formel 2 etwas länger genießen als damals bei der Durchfahrt am Pflanzgarten. Der Regen plätschert auf den Asphalt und das stehende Wasser lässt nichts Gutes erahnen. Dann lässt «Peps», der schon zu Audi Zeiten einer meiner Motormänner war, den Motor auf Öldruck drehen und gibt die Zündung dazu. Ein kraft-volles Brabbeln bei noch niedriger Drehzahl dröhnt aus dem riesigen Auspuffrohr des Vierzylinder-BMW-Motors. Dann ist es so-weit, und ich kann das Cockpit entern. Das ist `mal richtig eng: nicht nur im Sitzbereich, sondern speziell im Bereich der Beine und Füße. Meine Beine haben gerade so Platz, da im Kniebereich eine Querspante verbaut ist, durch die ich auch erst meine Füße fädeln musste. Anschnallen brauche ich mich eigentlich gar nicht, ich sitze auch so schon fest… Dann kommt das Zeichen, dass ich rausfahren kann. Ich lege den ersten Gang ein, eine etwas raue Angelegenheit, die Zahnräder lassen grüßen. Dann rolle ich aus der Box und nehme die Boxengasse eher als See in Augenschein, soviel Wasser steht. Dann beschleunige ich vorsichtig aus der Boxengasse und bin eigentlich über die Traktion erstaunt, die mir das Auto so bietet. Es steht richtig viel Wasser, und es schießt mir durch den Kopf, ob das jetzt so eine gute Idee ist, mit diesem Gerät hier zu fahren, wo es ja um nichts geht. Doch ich will mir diese Chance, einen Formel 2 aus den 80er-Jahren zu fahren, nicht entgehen lassen.
Wetterbedingtes Limit
Das Limit ist recht schnell zu finden, den Reifentemperatur wird heute nicht großartig dazu kommen – bei dem Wasserstand! Ich gehe in die lange Rechtskurve hier in Assen und der March meldet sich recht früh mit einem sanften schieben über die Vorderachse im Kurvenverlauf und kommt erst am Kurvenausgang `mal zickig mit der Hinterachse in Bewegung, als ich gut ans Gas gehe. Selbst bei dem Regen ist aus den langsamen Kurven heraus noch einigermaßen Traktion vorhanden, aber je mehr Speed anliegt, und ich beschleunigen will, drehen die Hinterräder nur noch hilfl os durch. Ich kann aber auch gar nicht voll auf der Geraden bis zum Ende durchbeschleunigen, es steht einfach zu viel Wasser. Beim Anbremsen bleiben mir direkt die Vorderräder stehen und ich muss das Bremspedal wieder leicht lösen, um die Räder wieder ins Rollen zu bringen, damit ich einlenken kann.
Pulstreibende Momente im March 832-4 Formel 2
Solche Momente treiben einem immer den Puls hoch, denn man verliert ja wichtige Meter zum Verzögern, während die Räder stehen und man nur so daher rutscht an-statt zu verzögern. Den Einlenkpunkt verpasse ich damit schon mal um zwei drei Meter, bevor ich das Auto zum Scheitelpunkt ziehen kann. Dabei bin ich schon wieder am Gas, und der March ist erneut im Untersteuern. Bevor er am Heck zickig wird, wechsele ich aber schon wieder die Richtung in der Schikane, was er im ersten Moment gut annimmt, dann aber doch einen leichten Grip-Verlust und damit verbundenen Drift einlegt, bevor er erneut ins Untersteuern geht, solange ich nicht zu viel am Gas bin. Nach dem Kurvenausgang gehe ich mehr ans Gas. Der 832 zieht im ersten Moment gut los, um sich dann aber mit einem Grip-Verlust und Powerübersteuern wieder von seiner wilden Seite zu zeigen. Mit durchdrehenden Rädern versuche ich in der Flut Fahrt aufzunehmen und gehe auf Start und Ziel mehr nach rechts, wo etwas weniger Wasser steht. Dann anbremsen für Turn 1, wo ich versuche an der niedrigen Grip-Grenze die Vorderräder nicht ins Blockieren zu bringen. Das Zwischengasgeben funktioniert mit den eng zusammen stehenden Pedale sehr gut, und so gebe ich für jedes Schaltmanöver einen Kick Zwischengas. Dann lenke ich in die erste Rechtskurve ein und muss gefühlvoll mit dem Gas umgehen, da jegliches Gas geben, was zu viel ist, zu mehr Untersteuer führt und ich damit die Linie nach aussen verliere.
March 832-4 Formel 2: Abrupte Übergänge
Der Übergang vom Unter- zum Über-steuern kommt wieder ziemlich abrupt, und ich muss flink am Lenkrad sein mit dem Gegenlenken, um das Auto nicht zu verlieren. Ich kann den Drift aber gut kontrollieren und zirkele den March im leichten Slide in den zweiten Rechtsknick. Doch erneut bleiben mir beim Bremsen die Räder stehen, und ich nehme die Kurve weit von aussen.
Da das etwas Speed kostet, setzt er jetzt erst `mal wieder mit dem Untersteuern in der langen Rechtskurve an. Die Kurve macht zum Ende noch etwas zu, und dort, wo sich der Kurvenradius verringert, kommt er erneut mit dem Heck. Schnelles Gegenlenken, Auto stabilisieren und dann auf die Bremse für die enge Linkskehre im ersten Strecken-teil. Erneut schiebt er erst über die Vorderachse, um dann auch wieder recht schnell ins Powerübersteuern zu gehen. Eine kleine «Pause» kann man sich hier nicht gönnen. Die 280 PS des BMW-Motors in Verbindung mit Starkregen verlangen einem alles an Konzentration ab. Dann habe ich auf der Geraden auch Aquaplaning, und ich entscheide mich schweren Herzens, es gut sein zu lassen und am Ende der Runde die Box anzusteuern. Auf ein Rennen hätte ich mich jetzt gern eingelassen, aber bei einer Testfahrt, bei der es um nichts geht, muss man kein unnötiges Risiko eingehen, so ein tolles Auto eventuell verlieren zu können. So habe ich ein Auto erleben dürfen, welches bis zu einem gewissen Grad erst `mal kontrollierbar mit Untersteuern bei diesen schwierigen Bedingungen fährt, dann aber auch ziemlich wild beim Beschleunigen daher kommen kann. Es waren aber auch Bedingungen, bei denen mit ziemlicher Sicherheit im Rennen das Safety-Car vor mir gefahren wäre, oder die Rote Flagge zum Abbruch gekommen wäre. Dennoch war es eine interessante Zeitreise, und ich habe den Sound des Vierzylinder BMW Motors im Rücken genossen. Jenen Sound, den ich in frühen Jahren so gern hörte, wenn das Formel-2-Feld über die Nordschleife flog und Richtung Pflanzgarten kam. Gerne hätte ich im Trockenen die Downforce gespürt und geschaut, was da so geht in schnellen Kurven, doch so bleibt es weiterhin ein Traum, wie es wohl so ist, die ein oder andere Kurve mit Vollgas nehmen zu können oder gar `mal eine Runde Nordschleife genießen zu können. Aber es ist ja auch wichtig, dass man noch Träume hat im Leben. Vielleicht ergibt sich ja noch mal eine Chance und bis dahin heißt es: weiter Träumen von den Autos meiner damaligen Helden.